# taz.de -- Renate Künast zu Ethikgesetz für Firmen: „Der Entwurf ist zu d�… | |
> Die Grünen-Politikerin kritisiert das geplante Gesetz zur | |
> Unternehmensverantwortung: Es lade zu Übertretungen ein und sein | |
> Geltungsbereich sei zu klein. | |
Bild: Allzu viele Überstunden dürfte das neue Gesetz zur Unternehmensethik gr… | |
taz: Tausende Unternehmen in Deutschland veröffentlichen | |
Nachhaltigkeitsberichte. Warum brauchen wir noch eine gesetzliche Regelung? | |
Renate Künast: Formal, weil die Richtlinie der EU zur | |
Unternehmensverantwortung – die sogenannte CSR-Richtlinie – den | |
Mitgliedsländern vorschreibt, eine solche Berichtspflicht bis zum 6. | |
Dezember 2016 umzusetzen. Und inhaltlich, weil es Firmen gibt, die | |
internationale ökologische und soziale Standards oder auch Menschenrechte | |
nicht achten und einhalten. Transparenz ist eine zentrale Voraussetzung für | |
nachhaltigen Konsum und nachhaltiges Wirtschaften. | |
Genau die will die Bundesregierung jetzt mit ihrem Gesetzesentwurf zur | |
nichtfinanziellen Berichterstattung herstellen. Ist das nicht erst einmal | |
gut? | |
Es könnte gut sein. Aber dafür ist der Entwurf zu dünn. Die Bundesregierung | |
nutzt nicht nur nicht die Spielräume, die die EU-Richtlinie bietet – sie | |
setzt sie nicht einmal 1 zu 1 um. Beispielsweise verlangt sie nicht, dass | |
generell über alle wesentlichen Risiken für Mensch und Umwelt berichtet | |
werden muss, die sich aus der Tätigkeit der Unternehmen ergeben, sondern | |
nur dann, wenn deswegen Gewinneinbußen für das Unternehmen drohen. Und sie | |
hängt den Korb noch höher, indem sie nur vorschreiben will, dass „sehr | |
wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen“ zu nennen sind. Bei | |
der EU heißt es noch „wahrscheinlich schwerwiegende“. | |
Über was müssten die Unternehmen nicht berichten? | |
Sie können es selbst definieren. Sie müssen doch nur sagen, es wirke sich | |
nicht auf die Zahlen aus, ob das dreckige Wasser aus den Textilfabriken in | |
ihrer Lieferkette gefiltert oder ungefiltert in die Umwelt geht. Oder ob | |
die Brautkleider aus Myanmar von Kindern genäht werden. Die Formulierung | |
ist eine Einladung dafür, Standards eben nicht einzuhalten. | |
Wenn die Richtlinie nicht umgesetzt wird, kann die EU doch noch | |
einschreiten. | |
Damit rechne ich, und ich werde es auch in Brüssel abfragen. Dort muss die | |
nationale Umsetzung notifiziert werden. Wenn sie nicht ordentlich und | |
fristgerecht passiert, kann es bis zum Vertragsverletzungsverfahren kommen. | |
Die Grünen-Fraktion will am Donnerstag einen eigenen Antrag einbringen. | |
Darin fordern Sie, den Geltungsbereich auszudehnen. Warum reicht es nicht, | |
wenn nur Aktiengesellschaften mit über 500 Mitarbeitern berichten müssen? | |
Weil das tatsächlich nur 300 Firmen betrifft. Aldi, Ferrero, Rewe, dm und | |
andere bleiben außen vor, weil sie Familienunternehmen sind. Dabei haben | |
sie große Marktmacht, mit ihnen haben die Verbraucher täglich zu tun. Auch | |
ihre Kunden haben das Recht zu wissen, wofür sie Geld ausgeben. | |
Die Unternehmen argumentieren, dass es einen enormen Aufwand bedeute, die | |
Daten zusammenzutragen. Es soll um sechsstellige Beträge gehen. | |
Wir reden über Konzerne mit einem Wahnsinnsumsatz, die natürlich interne | |
Richtlinien haben zu Preisen und Qualität. Manches ist im | |
Unternehmensleitbild verankert. Sie haben die Informationen also ohnehin. | |
Sie wollen sich nur nicht vorschreiben lassen, wie sie damit umgehen – und | |
fürchten, dass die Kunden eine bessere Transparenz nutzen. | |
Gilt das auch für kleinere Unternehmen, die Sie perspektivisch ebenfalls in | |
die Pflicht nehmen wollen? | |
Ziel ist es, dass Unternehmen schon ab 251 Mitarbeitern über diese Belange | |
berichten. Wenn die erst eine Struktur dafür aufbauen müssen, sollen sie | |
hierbei auch finanziell unterstützt werden. Das wären ein paar tausend Euro | |
für Personal, das die Informationen einmal zusammenführen müsste. Auch in | |
solchen Firmen weiß ja jemand, wo die Baumwolle herkommt und ob sie | |
Gentechnik enthält. | |
18 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
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