# taz.de -- Gewerkschafter über Pestizide in Ecuador: „Das vergiftet ganze D… | |
> Jorge Acosta Orellana war Pestizidpilot. Er berichtet über | |
> Flugzeugabstürze, Kriminalisierung von Aktivisten und den Kampf um | |
> besseren Arbeitsschutz. | |
Bild: Eine Ladung Gift gefällig? | |
taz: Herr Acosta Orellana, Sie waren Pestizidpilot. Warum haben Sie | |
aufgehört? | |
Jorge Acosta Orellana: Das war 2007, da hatte ich gesundheitliche Probleme: | |
Schwindel, verschwommene Sicht, Herz-Rhythmus-Störungen. Ich bin zum Arzt | |
gegangen, aber der meinte, dass mein Herz in Ordnung sei und dass ich eine | |
Vergiftung haben könnte. Ich habe dann mit anderen Piloten geredet und | |
festgestellt: Die haben ähnliche Probleme. Bald waren wir überzeugt, dass | |
das alles in Zusammenhang mit dem Fungizid Mancozeb stehen könnte. Das | |
hatten wir nämlich auf den Plantagen zum Sprühen verwendet. Also reichten | |
wir eine Klage bei der Defensoría del Pueblo, einer Art staatlicher | |
Ombudsstelle, ein. In dieser Zeit gab es auch verschiedene Unfälle … | |
Was denn für Unfälle? | |
2007 ereigneten sich verschiedene Flugunfälle. Einige Piloten stürzten ab | |
und starben. Vermutlich sind sie ohnmächtig geworden, oder ihnen war | |
schwindelig. | |
Und Sie meinen, dass dies in Zusammenhang mit Mancozeb stehen könnte? | |
Na ja, angesichts der Symptome wäre das eine Option. Ein Kollege | |
beispielsweise kehrte von seinem Flug zurück, parkte sein Flugzeug, stieg | |
aus und fiel um. Schon 2005 hat die US-Umweltbehörde EPA Restriktionen für | |
den Einsatz von Mancozeb erlassen. Und Kalifornien stellte in eigenen | |
Untersuchungen fest, dass es ein krebserregendes Produkt ist. In Ecuador | |
wusste das damals aber niemand. Später haben wir in den USA eine Klage | |
gegen die Produktionsfirmen von Mancozeb eingereicht – gegen den | |
amerikanischen Agrarindustrieverband Crop Life und Unternehmen wie Dow | |
Chemicals und DuPont. | |
Die Klage wurde in den USA abgewiesen. Wie waren die sonstigen Reaktionen? | |
Sowohl in nationalen als auch internationalen Medien hat das für viel | |
Aufmerksamkeit gesorgt. Viele Arbeiter von Bananenplantagen kontaktierten | |
mich daraufhin und klagten über Gesundheitsprobleme und Rechtsverletzungen. | |
Das hat dann letzten Endes dazu geführt, dass ich 2010 meinen Job quittiert | |
habe. | |
Und Ihre Kollegen? | |
Die haben mich für verrückt erklärt. Der Job ist sehr beliebt und für | |
ecuadorianische Verhältnisse fantastisch bezahlt: 8.000 bis 10.000 Dollar | |
pro Monat! | |
Sie weisen darauf hin, dass der Anteil der Menschen mit Behinderungen auf | |
dem Land deutlich höher sei als in den Städten. Wie erklären Sie sich das? | |
Die Vermutung liegt nahe, dass dies mit dem Pestizideinsatz auf den | |
Plantagen zu tun hat. Er kann zur Vergiftung von allen führen, die damit in | |
Berührung kommen. Die Pestizide werden einfach in die Luft gesprüht. Je | |
nach Windstärke sind sie schon 30 bis 40 Sekunden später dort, wo sie nicht | |
sein sollten – 200 Meter außerhalb der Plantagen. Das weiß ich aus eigener | |
Erfahrung. Das vergiftet in der Tat nicht nur die Piloten und Arbeiter, | |
sondern ganze Gemeinden, ganze Dörfer. | |
Wehren sich die Arbeiter*innen gegen den Pestizideinsatz? | |
Es ist sehr schwierig, Leute zu mobilisieren. Es gibt eine jahrzehntelange | |
Repressionsgeschichte durch die großen Bananenunternehmen. Leute, die sich | |
einer Gewerkschaft anschließen wollen, werden bedroht und kriminalisiert. | |
Diejenigen, die einmal aufmüpfig waren, landen auf schwarzen Listen, zu | |
denen alle Unternehmer Zugang haben. Wenn man da mal drauf ist, findet man | |
nur noch schwer Arbeit. Abgesehen davon gibt es auch das Problem, dass die | |
Regierung selbst die Gewerkschaftsfreiheit nicht akzeptiert. | |
Was meinen Sie konkret? | |
2014 habe ich zusammen mit Betroffenen die Gewerkschaft Astac gegründet. | |
Aber unser Antrag auf Registrierung beim Arbeitsministerium ist verweigert | |
worden. Ecuador hat aber das Übereinkommen Nr. 87 der internationalen | |
Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert, das die Gewerkschaftsfreiheit | |
festschreibt. Wir haben daher bei der ILO Beschwerde eingelegt. | |
Wer ist denn dann momentan der größte Gegner im Kampf für mehr | |
Arbeitsrechte: die Regierung oder die Unternehmen? | |
Beide! Aber die Verantwortung liegt auch in Europa, bei den dortigen | |
Supermärkten, die die Preise ständig drücken. Die Produzierenden müssen | |
dadurch mehr und billiger produzieren, was wiederum dazu führt, dass die | |
Rechte der Arbeiter immer stärker zur Disposition stehen. Eigentlich zahlen | |
die Arbeiterinnen und Arbeiter die Billigpreise der Supermärkte, während | |
die Unternehmen weiterhin Gewinn machen. | |
10 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Daniel Koßmann | |
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