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# taz.de -- Kommentar Glyphosat und EU: Ohne Gift geht's auch
> Meist finden sich im Essen lediglich Spuren des Pestizids. Doch selbst
> die könnten Krebs verursachen und gehören laut EU-Recht verboten.
Bild: Wenn Monsanto den Menschen berührt, haut das selbst die Stärksten um
Die Europäische Union muss die Zulassung für das meistgebrauchte Pestizid,
Glyphosat, endlich auslaufen lassen – selbst wenn der Unkrautvernichter nur
in geringen Mengen beispielsweise in Äpfeln vorkommt. Schließlich hat die
Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation die
Chemikalie als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Und Pflanzengifte
dieser Kategorie dürfen laut EU-Zulassungsverordnung für Pestizide nicht im
Freiland eingesetzt werden – ganz egal, dass Tumoren nur bei hohen Dosen
nachgewiesen wurden.
Trotzdem kämpft die Europäische Kommission weiter dafür, dass Bauern
Glyphosat auch nach dem Ende der jetzigen Zulassung am 30. Juni benutzen
dürfen. Deshalb hat sie die ursprünglich für Donnerstag geplante Abstimmung
unter den EU-Staaten verschoben, bei der die entscheidende Jastimme aus
Deutschland wegen des Widerstands der SPD-Bundesminister gefehlt hätte.
Demnächst will es die Kommission noch einmal versuchen.
## Irgendwen trifft es immer
Dabei räumt sogar das glyphosatfreundliche staatliche [1][Bundesinstitut
für Risikobewertung] ein, „dass auch sehr niedrige Dosierungen eines
krebserzeugenden Stoffes ihre schädigende Wirkung entfalten können“. Und:
„Ein sicherer Grenzwert ist nicht ableitbar.“ Je geringer die Dosis ist,
desto unwahrscheinlicher sind Tumoren.
Aber irgendwen trifft es immer, man muss nur genügend Personen untersuchen,
bis man einen Erkrankten findet. Da Betroffene sogar sterben können, ist
klar: Solche Stoffe dürfen nicht auf den Markt, selbst wenn die Krebsgefahr
(noch) nicht völlig bewiesen ist. Das sieht das Vorsorgeprinzip der EU vor.
Das gemeinsame Treffen der UN-Organisationen für Gesundheit und
Landwirtschaft zu Pestizidrückständen in Lebensmitteln ist diesem Prinzip
nicht verpflichtet. Deshalb nützt Europa die Entwarnung dieser Fachleute
wenig, Krebs durch Glyphosat in der Nahrung sei „unwahrscheinlich“. Ganz zu
schweigen davon, dass der [2][Leiter] der Expertenversammlung und sein
[3][Vize] für das International Life Sciences Institute arbeiten: Da diese
Organisation unter anderem vom Glyphosathersteller Monsanto finanziert
wird, darf die Unabhängigkeit der Wissenschaftler bezweifelt werden.
Wichtig ist auch: Das Expertengremium kümmert sich nur um Rückstände in
Lebensmitteln; Glyphosat könnte Anwender oder Passanten aber etwa auch über
die Luft schädigen.
Landwirte spritzen Glyphosat auf 40 Prozent der Felder in Deutschland.
Mehrere Untersuchungen legen nahe, dass die Mehrheit der Deutschen mit dem
Stoff belastet ist. Reicht es bei so einem Massenprodukt, dass eine derart
schwerwiegende Gefahr [4][„unwahrscheinlich“] ist, wie die Behörden
behaupten? Wo es doch Tierversuche gibt, in denen mit Glyphosat gefütterte
Mäuse sehr wohl Tumoren entwickelten – was die Ämter aber mit umstrittenen
Statistiktricks als irrelevant darstellen? Wohl kaum.
## Lieber häufiger pflügen
Auch, weil wir Glyphosat gar nicht brauchen. Das beweisen Tausende
Biobauern. Selbst die konventionelle Landwirtschaft könnte ganz auf den
Wirkstoff verzichten, wie das bundeseigene
[5][Julius-Kühn-Forschungsinstitut] für Kulturpflanzen schreibt. Da es
keine passenden chemischen Alternativen zu Glyphosat gibt, müssten die
Landwirte dann eben häufiger pflügen. Zur Erinnerung: Noch 1993 wurde in
Deutschland nur ein Fünftel der Glyphosatmenge verkauft, die heute
abgesetzt wird. Und die DDR kam jahrzehntelang ohne die Chemikalie aus.
Aus diesen Gründen sollte die SPD standhaft bleiben und ein Verbot von
Glyphosat herbeiführen. Sie muss auch den faulen Kompromiss ablehnen, den
die EU-Kommission jetzt ins Spiel gebracht hat: die aktuelle Zulassung
verlängern, bis offene Fragen geklärt sind. Denn schon jetzt liegen alle
nötigen Fakten auf dem Tisch.
21 May 2016
## LINKS
[1] http://www.bfr.bund.de/de/toxikologische_beurteilung_von_chemischen_stoffen…
[2] http://www.ilsi.org/Europe/Pages/Board-of-Directors.aspx
[3] http://www.hesiglobal.org/i4a/pages/index.cfm?pageid=3477
[4] http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/151112
[5] https://www.google.com/url?q=http%3A//www.jki.bund.de/downloadFatPdf.php%3F…
## AUTOREN
Jost Maurin
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