# taz.de -- Kolumne Navigationshilfe: Ein Besuch bei der Schmetterlingsfrau | |
> Costa Rica gilt oftmals als Paradies für den Naturschutz. Doch wenn man | |
> durch die endlosen Ananasplantagen fährt, bekommt dieses Bild tiefe | |
> Risse. | |
Bild: Soweit das Auge reicht: Ananaspflanzen | |
Nicht einen Baum“, sagte der nette Guide im Nationalpark Rincón de la | |
Vieja, „darf man hier abholzen.“ Nur gefallenes Holz dürfe man verwenden; | |
und er erzählt noch allerlei mehr über Naturschutz, während er erfolglos | |
versucht, die allein reisende Österreicherin in unserer Gruppe zu einem | |
Date zu bewegen. Wir sind in Costa Rica, dem Liebling vieler Öko-Touristen, | |
mit durchaus guten Gründen: Rund ein Viertel der Landesfläche steht unter | |
Naturschutz, seinen Strombedarf deckt das Land nahezu komplett aus | |
erneuerbaren Energien, und dank Gesetzen wie der Ley Forestal von 1996 | |
dürfen die öffentlichen Naturwälder in keiner Form zur Holzproduktion | |
genutzt werden. | |
Ein paar Tage später, wir eiern über einen ungeteerten Schlaglochweg im | |
Norden des Landes. Wir sind die einzigen Touristen in dem öffentlichen Bus, | |
der eineinhalb Stunden für die zwanzig Kilometer braucht. | |
Da sehe ich sie durchs Fenster: Draußen erstrecken sich über Kilometer | |
[1][Ananas-Plantagen]. Riesige Erntegeräte bewegen sich darauf, es steht | |
Frucht an Frucht an Frucht, und am Horizont die Narbe des gerodeten Waldes. | |
Man sieht kein einziges Tier mehr. Es ist gespenstisch still, wie tot. Die | |
ganze, ja wirklich, ganze Fahrt über bewegen wir uns ununterbrochen an | |
Plantagen entlang. Deren Früchte verkaufen sich mindestens genauso gut wie | |
die schönen Geschichten vom Schutz der Wälder, vermutlich besser. Es leben | |
auch keine Menschen mehr dort. | |
Nach eineinhalb Stunden erreichen wir das Wildschutzgebiet Caño Negro, mit | |
seinen ausgedehnten Sümpfen und bunten Vögeln, Leguanen, Affen und | |
Krokodilen wieder das, was Urlauber gern sehen. Die kilometerlangen | |
Ananas-Monokulturen erinnern an die Schuld der Ananas-Konsumenten und an | |
die Felder zu Hause. Und schuldig will sich auf Reisen nun wirklich niemand | |
fühlen. Am Ende des Dorfes landen wir zufällig im Haus der | |
Schmetterlingsfrau. | |
Sie ist eine ältere Dame, vielleicht um die 60 Jahre alt, und irgendwann | |
mal der Liebe wegen nach Caño Negro gezogen. Der Mann ist tot, die Kinder | |
im Süden. „Hier oben gibt es keine Arbeit“, sagt sie. Auf den Plantagen | |
läuft die Ernte maschinell. Die Dame hat also ihr Leben den Schmetterlingen | |
gewidmet. Hinter ihrem Haus hält sie einen kleinen Schmetterlingsgarten, | |
und im Haus hat sie Kästen für deren Raupen und Puppen angefertigt. | |
„Früher war hier alles voll von Schmetterlingen. Jetzt gibt es fast keine | |
mehr“, sagt sie. Sie will die Arten bewahren, zumindest hier im Haus. | |
Wahrscheinlich ist es auch ihr Kampf gegen die Einsamkeit. Wenn sie stirbt, | |
sagt sie, werde niemand das hier weitermachen. Aus den Flügeln der | |
verstorbenen Tierchen fertigt sie kleine Bilder, oft Vögel. Wir kaufen | |
eines, etwas unsicher, ob es durch den Zoll geht; des Artenschutzes wegen. | |
21 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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