# taz.de -- Ökofonds in Costa Rica: Abzocke für die Umwelt? | |
> Anleger investieren in ein Aufforstungsprojekt in Mittelamerika. Ob | |
> dieses die erwartete Rendite je erwirtschaften wird, ist unklar. | |
Bild: Paradise found: Unter der Sonne Costa Ricas gedeihen Mensch, Tier und Bau… | |
BERLIN taz | Wie schafft man es, dass Menschen tausende von Euro in einen | |
Ökofonds investieren? Es hilft, wenn man so überzeugend und | |
vertrauenswürdig wirkt wie Leo Pröstler. Der 66-jährige mit schlohweißem | |
Haar und einem gemütlichen Schnauzbart macht einen sympatischen Eindruck. | |
Er arbeitet schon lange in der Alternativwirtschaft: Erst als | |
Geschäftsführer des Öko-Instituts, später des Ökoversands Waschbär und | |
Berater „grüner“ Unternehmen. | |
Pröstler sagt: Sie geben mir mindestens 5.000 Euro und wir pflanzen dafür | |
auf ehemaligen Weiden im mittelamerikanischen Costa Rica Bäume. Das bindet | |
das Treibhausgas Kohlendioxid – „Ihr Beitrag zum Klimaschutz!“ Der Forst | |
ist ein Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Unser Projekt – | |
wir nennen es „BaumInvest“ – schafft auch Arbeitsplätze in einem | |
Entwicklungsland. | |
Wenn einer wie Pröstler das sagt, horchen Ökobewegte mit Geld auf. Dann | |
ergänzt er: Das Holz der tropischen Bäume soll mit Gewinn verkauft werden. | |
„BaumInvest ist so angelegt, dass wir damit gutes Geld verdienen“. Die | |
Beteiligung soll die Alterversorge ergänzen oder als „Startkapital für Ihre | |
Kinder oder Enkel“ dienen. Die Rendite wird laut Prognose im Schnitt bei | |
6,6 Prozent pro Jahr liegen. Nach 24 Jahren sollen Sie 332 Prozent ihres | |
Kapitals zurückbekommen. | |
Wenn er das hinzufügt, dann unterschreiben viele auch die Verträge und | |
werden Gesellschafter in einer der drei BaumInvest GmbH & Co KGs. So wie | |
etwa 2047 Investoren, die seit 2007 insgesamt rund 30 Millionen Euro in | |
Pröstlers Fonds eingezahlt haben. Der Andrang war so groß, dass BaumInvest | |
seit Dezember keine neuen Beteiligungen mehr ausgibt. | |
## Millionen für die Artenvielfalt | |
Pröstler bringt die Millionen der Investoren zum Beispiel in das Dorf San | |
Rafael im Norden Costa Ricas. Wo vor einigen Jahren fast nur Gras stand, | |
ragen heute 14 Meter hohe Bäume in den Himmel. Das warme, feuchte | |
Tropenklima lässt sie schneller wachsen als etwa in Deutschland. Seit 2009 | |
habe sich die Artenvielfalt der Amphibien und Reptilien mehr als | |
verdoppelt, sagt Pröstler und beruft sich auf das Frankfurter Senckenberg | |
Forschungsinstitut und Naturmuseum, das die Artenvielfalt seit 2009 vor Ort | |
beobachtet. | |
Zwischen den Bäumen pflanzen einheimische BaumInvest-Mitarbeiter an | |
mehreren Stellen zum Beispiel Ananas und Ingwer an. In Ställen halten sie | |
Hühner und Schweine. Viele Produkte werden zum Selbstkostenpreis an die | |
Mitarbeiter verkauft. „Wir wollen einen lokalen Wirtschaftskreislauf | |
aufbauen, so dass nicht soviel Geld aus Costa Rica abfließt“, sagt | |
Pröstler. Derzeit bieten seine Projekte rund 140 Arbeitsplätze in | |
ländlichen Regionen des Entwicklungsstaates. | |
Doch nach der bisherigen Planung wird mit all diesen Vorteilen für Umwelt | |
und Gesellschaft nach etwa 25 Jahren Schluss sein. Denn Pröstlers Prognose | |
für Kapitalrückfluss und Rendite beruht einem Informationsblatt für die | |
Anleger zufolge darauf, dass am Ende so gut wie alle Bäume gefällt werden. | |
Und darauf, dass sie verkauft werden – genauso wie die 1390 Hektar Land – | |
eine Fläche in etwa so groß wie eine deutsche Kleinstadt. | |
Das will Pröstler nun verhindern. | |
„Ein Kahlschlag wäre die schlechteste Lösung“, sagt er jetzt. „Es ist | |
einfach ökologisch sinnvoll, dass ein Wald dasteht. Besser wäre es, | |
zumindest einen Teil der Bäume länger stehen zu lassen und ab einem | |
gewissen Zeitpunkt nur zu ernten, was auch nachwächst.“ BaumInvest würde | |
das Land nicht verkaufen. | |
## Keine Rodung, keine Kohle | |
Solange können aber auch nicht alle Anleger ihre Einzahlungen von den | |
Fondsgesellschaften zurückbekommen. Diese würden ja sonst mangels Kapital | |
zusammenbrechen. Zwar sehen die BaumInvest-Verträge vor, dass jeder | |
Investor jeweils zehn Jahre nach Ablauf der Platzierungsfrist des Fonds | |
aussteigen kann. Aber wer kündigt, verliert 20 Prozent seiner Beteiligung. | |
Das dürfte viele vom Ausstieg abschrecken. | |
Wer 100 Prozent behalten will, muss seine Beteiligung an alte oder neue | |
Anleger verkaufen. „Neue Anleger zu überzeugen ist dann sicherlich leichter | |
als heute, wo wir sagen müssen, ihr müsst 20, 25 Jahre warten. Dann sieht | |
man, wie die Bäume da stehen, wie der Holzpreis ist“, sagt Pröstler. Doch | |
fraglich ist, ob die Verkäufer dann auch noch von den Käufern einen | |
Aufschlag bekommen – ohne den hätten sie ihr Geld BaumInvest jahrelang | |
kostenlos zur Verfügung gestellt. | |
Die Fonds würden also – wenn überhaupt – nur wenig „Startkapital für I… | |
Kinder oder Enkel“ liefern. | |
Ist der Verzicht auf den Kahlschlag ein Vertrauensbruch gegenüber den | |
Anlegern? “Nein, im Gegenteil. Die kriegen jetzt eigentlich mehr“, | |
antwortet Pröstler. Denn wenn die Bäume stehen blieben, würden sie dicker | |
und damit überproportional wertvoller werden. „Ich glaube nicht, dass die | |
Rendite sinken würde“. Er rechnet auch damit, dass die Grundstückskäufe und | |
-verkäufe nur sechs Prozent der Einnahmen ausmachen würden. | |
## Die Investoren haben freie Wahl | |
Aber sicher kann er sich da nicht sein, denn die neuen Prognoserechnungen | |
erstellt er erst. Solche Kalkulationen sind in jedem Fall mit Vorsicht zu | |
genießen. Denn wer kann schon zuverlässig den Preis bestimmter Hölzer in | |
zehn, zwanzig Jahren vorhersagen? | |
Vor allem argumentiert Pröstler aber: „Die Investoren können selber | |
beschließen, was sie damit machen. Wir bereiten aber gleichzeitig auch | |
einen Lösungsweg vor, der beide Möglichkeiten offenhält.“ Die Entscheidung | |
soll in einer Gesellschafterversammlung per Mehrheitsvotum fallen. Und der | |
Beteiligungsprospekt warnte ausdrücklich: „Der einzelne Gesellschafter kann | |
in der Gesellschafterversammlung überstimmt werden.“ Die Entscheidungen | |
müsse er mittragen – „mit allen Risiken“. Von Betrug kann also keine Rede | |
sein. | |
Doch der Beteiligungsprospekt, der gesetzlich vorgeschrieben ist, gehört | |
wie der Vertrag zum sogenannten Kleingedruckten. „In die Verträge bei | |
solchen Geschlossenen Fonds guckt normalerweise nie jemand rein. Die | |
verstehen die Leute entweder nicht, oder es ist ihnen zu mühsam“, sagt | |
Heidi Pätzold, die bei der Verbraucherzentrale Hamburg gescheiterte Anleger | |
berät. | |
## Das Kleingedruckte | |
„Was gelesen wird, sind die schicken Flyer und vielleicht ein kurzer | |
Prospekt, wo das so hübsch werbemäßig dargestellt wird.“ In der bunten | |
Projektpräsentation vom dritten und vorläufig letztem BaumInvestfonds stand | |
ausdrücklich: „Laufzeit: 2011-2035“. „Dann verlasse ich mich doch darauf… | |
findet Pätzold. „Dass diese Angabe eine reine Prognose ist, kann kein | |
Anleger wissen, der nicht den 70 Seiten dicken Verkaufsprospekt studiert. | |
Solche Irreführungen in einer knappen Produktpräsentation halten wir für | |
sehr bedenklich.“ | |
Diesen Vorwurf weist Pröstler zurück. „Solche GmbH & Co KG‘s sind immer a… | |
Dauer angelegt“, argumentiert er. | |
Problematisch ist Pätzolds Meinung nach auch, dass die | |
Gesellschafterversammlung schon dann beschlussfähig ist, wenn nur 50 | |
Prozent der Stimmen vertreten sind. „Es kann also auch gegen den Willen | |
einer bedeutenden Zahl von Investoren entschieden werden“, sagt die | |
Verbraucherschützerin. Wenn Anleger nun gegen ihren Willen ihr Geld nicht | |
unmittelbar nach der Laufzeit zurückbekommen sollten, ist das „aus unserer | |
Sicht nicht in Ordnung.“ | |
Nicht, dass BaumInvest im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten auf dem | |
grauen Markt besonders problematisch wäre. Aber für Pätzold zeigt das | |
Beispiel: „Geschlossene Fonds sind nichts für Privatleute.“ | |
18 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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