# taz.de -- Walpurgisnacht-Demo in Hamburg: Breite Solidarität mit Bengalos | |
> Bis auf kleinere Scharmützel verlief die Demo von 1.900 Autonomen am | |
> Vorabend des 1. Mai in Hamburg ohne Zwischenfälle. | |
Bild: Motto: „Breite Solidarität statt Rassismus und Repression“ | |
HAMBURG taz | Die prophezeiten schweren Ausschreitungen zwischen | |
Linksautonomen und der Polizei am Vorabend des 1. Mai in Hamburg sind trotz | |
zweier Demonstrationen ausgeblieben. Zum einen hatte die | |
anitiimperialistische „Revolutionäre Linke“ zu einem Open Air-Konzert | |
„Klassenfest gegen Staat und Kapital“ ins Hamburger Schanzenviertel | |
geladen. Von dort aus startete am Abend auch die Autonomen-Demonstration | |
„Breite Solidarität gegen Rassismus und Repression – die Stadt gehört | |
allen“. | |
Die Hamburger Polizei wollte anfangs die Demonstration wegen Vermummung | |
nicht ziehen lassen. Als auf Zurede der Demonstrationsleitung einige | |
Sonnenbrillen abgenommen worden waren, konnte der Protestmarsch mit 1.900 | |
TeilnehmerInnen dann doch trotz vieler Böllerwürfe und bengalischer Feuer | |
begleitet von einen Großaufgebot an Polizisten unbehelligt bis zum | |
Hafenrand ziehen. Dort endete die Demonstration vor dem durch Brandstiftung | |
zerstörten „Golden Pudel Club“. Auf der Route dorthin ging ein abgestelltes | |
Bundeswehr-Fahrzeug in Flammen auf. | |
Angeführt wurde der Protestzug am Abend von einem Lautsprecherwagen mit der | |
Aufschrift „Häuser besetzen sowieso“ und einem Banner „Feuer+Flamme der | |
Repression“. Damit sollte die Solidarität mit den sechs Angeklagten des | |
Hamburger Hausbesetzerprozesses „Breite Straße“ zum Ausdruck gebracht | |
werden, die sich seit Monaten wegen einer Hausbesetzung zum Auftakt der | |
bundesweiten „Squatting Days“ verantworten müssen. In der Nacht zum 27. | |
August 2014 hatten damals 30 Personen die seit Jahren leerstehenden | |
Gründerzeit-Häuser in der Breite Straße 114/116 besetzt. | |
Die Polizei setzte zur Abschreckung vor dem Hausbesetzer-Kongress auf | |
Eskalation, so dass auch als Reaktion schwere Gegenstände aus den Gebäude | |
geworfen worden waren, um die Polizei auf Distanz zu halten. Daraus | |
konstruierte der Staatsschutz und die politische Staatsanwaltschaft einen | |
versuchten Totschlag. Diese Vorwurf ist nach einer Erklärung des Hamburger | |
Landgerichts von Anfang der Woche zwar vom Tisch. Trotzdem drohten den | |
Angeklagte weiterhin hohe Haftstrafen, sagte ein Redner. | |
## Gegen Verdrängung und Rassismus | |
Gestartet war die Demonstration vor dem Schanzenhof, eine der letzten | |
alternativen Bastionen behutsamer Stadtentwicklungspolitik im hippen | |
Hamburger Schanzenviertel. Der SPD-Senat hatte vor 25 Jahren die ehemalige | |
Füllfederhalter-Fabrik von Montblanc gekauft, um dort Gewerbetreibende und | |
soziale Projekte zu billigen Mieten anzusiedeln. Der CDU-Senat hatte in | |
seiner Regierungszeit das städtische Gelände privatisiert, seit 2013 gehört | |
es einem Investor, der die Mieten um fast 70 Prozent erhöhte, um alle | |
kündbaren Mieter – darunter das bekannte alternative Restaurant und Hotel | |
„Schanzenstern“ – zu vertreiben. | |
Den Zorn der Demonstranten zog auch die seit Wochen andauernde | |
„rassistische Jagd“ auf Flüchtlinge als vermeintliche Drogendealer vor den | |
Häusern der ehemals besetzten Hafenstraßen-Häuser in St. Pauli auf sich. | |
Die Polizei hat dafür jetzt eigens eine Task Force aufgestellt, die zum | |
Teil als getarnte Flaschensammler rabiate Festnahmen durchführen und | |
mehrfach in Privatsphären der AnwohnerInnen eindrangen. Ein wegen 1,65 | |
Gramm Marihuana festgenommener Jugendlicher hat sich kürzlich in der | |
Untersuchungshaft im Jugendknast das Leben genommen. | |
Dass der neue Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD), der sich gern als | |
St. Paulianer Urgestein präsentiert, die neue Strategie decke, sei ein | |
Indiz dafür, dass ihn die Polizeiführung mit festen Zügeln durch die Manege | |
führe, hieß es bei einem Zwischenstopp in der Nähe seines von Polizei | |
verbarrikadierten Wohnhauses. | |
In der Nacht kam es dann doch zu einem kurzen Scharmützel, als 30 Personen | |
Bundespolizisten im Schanzenbahnhof mit Böllern und Flaschen attackierten. | |
Die Polizei ist auch heute im Hinblick auf die Demonstration „Klasse gegen | |
Kasse – heraus zum 1. Mai!“ mit einem Großaufgebot von 1.700 BeamtInnen im | |
Einsatz. Neben der Hamburger Bereitschaftspolizei und den | |
Alarmhundertschaften sind auch Bremer und schleswig-holsteinische Einheiten | |
sowie die Bundespolizei in die Elbmetropole geordert worden. | |
1 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Kai von Appen | |
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