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# taz.de -- Kolumne „Lügenleser“: Die Propheten der Verwirrung
> Jeder sucht sich seinen Feind dort, wo er die kürzeste Distanz
> zurücklegen muss. Im Internet. Oder in den eigenen Reihen.
Bild: 1. Mai in Kreuzberg: eine der alljährlich größten revolutionären Folk…
Die Verwirrung macht sich breit. Nicht etwa schleichend oder vereinzelt,
sondern ganz deutlich und unübersehbar.
„Und die Verwirrung wird all jene verwirren, die nicht wissen. Und zu der
Zeit soll ein Freund seines Freundes Hammer verlieren und die Jungen sollen
nicht wissen, wo die Dinge, die jene Väter erst um 8 Uhr dort hingelegt
haben, sich befinden“, so kündigte es der Prophet der Verwirrten an, in
Monthy Pythons grandioser Satire auf die linke Streitkultur „Das Leben des
Brian“.
In der vermeintlich sinnlosen Aussage steckt mehr Wahrheit als einem lieb
sein kann. Überflüssig, erneut aufzuzählen, was im Jahr 2016 alles im Argen
liegt. Unnütz auch, die realen Gefahren aufzuzeigen, längst sucht sich
jeder seinen Feind dort, wo er die kürzeste Distanz zurücklegen muss. Im
Internet. Und in den eigenen Reihen.
Wenige Tage vor dem 1. Mai und den alljährlich größten revolutionären
Folklore-Demonstrationen dieses Landes ist man damit beschäftigt, sich
gegenseitig wahlweise Antisemitismus, Stalinismus oder faschistoiden
Zionismus vorzuwerfen.
Egal ob peinliche IDF-Fans oder notorische Judenhasser, sie alle kreischen
dieser Tage wieder besonders schrill in der Gegend herum, denn die mediale
Aufmerksamkeit ist etwas höher als sonst. Dabei sollten beide Seiten für
eine progressive Bewegung irrelevant sein.
## Die Linken zerfleischen sich
Das 1.-Mai-Bündnis in Berlin hat sich bereits aufgesplittert, man zerbrach
an der Frage, wer alles mitlaufen darf bei der größten Polizeiübung unter
freiem Himmel. Es ist ja allseits bekannt, dass es für die auf beiden
Seiten real Beteiligten im Gaza-Konflikt nichts Spannenderes gibt, als die
weltbewegende Haltung irgendwelcher deutschen Kartoffel-Studenten und
Hobby-Guerilleros.
Dass zum Tag der Arbeit etwa in Plauen 2.000 Neonazis zu einer europaweiten
Demonstration erwartet werden, die NPD in Berlin drei Kundgebungen
angemeldet hat und auch dieses Jahr in Kreuzberg wieder ein von Polizei und
Politikern gemeinsam veranstaltetes Fest zur Entpolitisierung des Bezirks
stattfindet, ist für Akteure wie Jutta Dittfurth oder die
propalästinensische BDS-Kampagne („Boycott, Divestment and Sanctions“)
selbstverständlich nicht das Hauptthema. Wo kommen wir denn da hin, wenn
man sich jetzt auf einmal mit dem enormen Rechtsruck beschäftigt, hier geht
es um viel wichtigere Dinge.
Während man sich im linken Milieu also lieber selbst zerfleischt, ist auf
der anderen Seite längst der große gemeinsame Nenner gefunden worden,
Diskussionen finden hier generell eher spärlich statt.
Wenn Lutz Bachmann, der ungekrönte Kaiser der Verwirrten, mit einer
schwarzen Balkenbrille, die letztmalig 2007 auf der Mallorca-Reise eines
beliebigen Kegelclubs für Lacher sorgte, und einem deutlichen Urinfleck auf
der Hose vor einem Gericht erscheint, dann stört das die eigenen Anhänger
nicht mehr. Sie sind Schlimmeres gewohnt und der Zweck heiligt die Mittel.
Auch keine Alternative für Deutschland, das ist klar. Erkenntnisgewinn:
Keine Streitkultur ist auch keine Lösung. Aber, um die Folklore mal wieder
zu bemühen: Solidarität ist eine Waffe.
26 Apr 2016
## AUTOREN
Juri Sternburg
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Antisemitismus
Tag der Arbeit / 1. Mai
Kreuzberg
Deutsche Leitkultur
Flüchtlinge
Politisches Theater
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