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# taz.de -- Kolumne Lügenleser: Erdomann und Böhmerwahn
> Der Türkei-Deal ist vor allem ein Sieg der Bilder. Das Elend ist weg und
> man darf sich dank der heimischen Satire etwas besser fühlen.
Bild: So kann man es doch auch sagen
Es wird wieder deportiert. Aber nicht nur, wir sind ja keine Unmenschen. Es
wird auch selektiert. Pro Unwillkommenen wird ein Willkommener
zurückgenommen. Die ersten Aufnahmen flimmern bereits über die Bildschirme,
glückliche Menschen an Flughäfen und Bahnhöfen.
Wer sich solidarisch mit Flüchtlingen zeigt, indem er sein Profilbild auf
Facebook ändert oder ein witziges Böhmermann-Video teilt, der kann sich nun
etwas besser fühlen auf dem heimischen Sofa. [1][„Be deutsch“] hieß der
letzte Streich des ZDF-Moderators, der jedem, der es postete, mal wieder
das Gefühl gab, etwas Gutes getan zu haben. Am deutschen Wesen soll die
Welt genesen.
Lachen ist ja auch gesund, wer nicht lacht, ist ein Miesepeter, und so eine
Satiresendung bewegt eine Menge. „DDRdogan“, „Notwehrdogan“ und „Alte…
ischwoerdogan“, schon sieht die Welt ganz anders aus.
Was sich an Europas Grenzen abspielt, ist natürlich nicht ganz so witzig
wie die deutschen Lachshows. Aber wenigstens bleibt den zusammengepferchten
Kriegsflüchtlingen an Bord der Auftritt von Ronja von Rönne im Anschluss an
Böhmermanns pseudoironische und vor rassistischen Stereotypen strotzende
Erdoğan-Kritikerspart. Das ist nicht lustig, sagen jetzt [2][einige].
Richtig. Man wird ja wohl noch einen Autokraten als Ziegenficker und
Dönerfresser beschimpfen dürfen, sagen andere. Wieder richtig. Darf man.
Denn „dürfen“ darf man alles. Die EU darf mit Beginn der Deportationen auch
ihre eigenen Richtlinien missachten: etwa die Rechte zum Kindeswohl, von
Kranken oder besonders Schutzbedürftigen. Europa hat sich längst selber
abgeschafft.
Der Türkei-Deal ist vor allem ein Sieg der Bilder. Die Aufnahmen von
schwitzenden Leibern, die in Massen gegen die Schilde der prügelnden
Uniformierten prallen, sind vorläufig Vergangenheit. Überfüllte
Aufnahmelager, verzweifelte Eltern und weinende Kinder werden getauscht
gegen dankbare Ankömmlinge.
## Gestern Rassismus, heute Regierungspolitik
Gleichzeitig besänftigen die Berichte über die Abschiebungen den Mob, der
mit Satire nur etwas anfangen kann, wenn man damit gegen einzelne
Volksgruppen hetzen darf, und sich freut, wenn Rentner in Supermärkten
Fleisch vertauschen und das ganze dann #HalalChallenge nennen.
Sie sehen sich vollkommen zu Recht bestätigt in ihren Forderungen. „Als ich
im vergangenen Herbst schrieb: ‚Mann muss abwägen wer uns was bringt und
wer nicht‘, wurde ich als Rassist beschimpft“, schreibt einer im
Kommentarfeld unter den neuesten Meldungen über die Tauschaktion.
Auch er hat recht. Was vor wenigen Monaten noch als „Rassismus“ verpönt
war, ist Regierungspolitik und war es eigentlich auch schon immer.
Da spielt es dann auch keine Rolle mehr, dass die Türkei laut Amnesty
International laufend gegen die Abmachungen verstößt und riesige Gruppen
zurück nach Syrien schickt. Wir können ja einen alten Nena-Song umdichten,
um zu zeigen, wie empört wir darüber sind. Helau, alaaf!
5 Apr 2016
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=HMQkV5cTuoY
[2] https://www.tagesschau.de/inland/boehmermann-merkel-101.html
## AUTOREN
Juri Sternburg
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