# taz.de -- Rechtslage zu Böhmermann: Zu viel des Bösen | |
> Eine Sonderform der Beleidigung: Böhmermann ging es nicht nur um ein | |
> kurzes Beispiel – er präsentierte ganze sechs Strophen des | |
> „Schmähgedichts“. | |
Bild: Fühlt sich nicht gut wiedergegeben: Recep Tayyip Erdogan | |
BERLIN taz | Die „Beleidigung von Vertretern und Organen ausländischer | |
Staaten“ wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe | |
bedroht. Das Verbot ist zwar im Strafgesetzbuch geregelt (Paragraf 103), | |
strafrechtliche Verurteilungen wurden aber schon lange nicht mehr bekannt. | |
Zuletzt ging es eher um Plakate auf Demonstrationen. So durfte im Jahr 1975 | |
das Transparent „Mörderbande“ vor der chilenischen Botschaft beschlagnahmt | |
werden. Das entschied 1981 das Bundesverwaltungsgericht. Dagegen hätte 2006 | |
auf dem Münchener Christopher Street Day ein geschminkter Papst gezeigt | |
werden dürfen, so der Verwaltungsgerichtshof München, weil es hier um eine | |
satirische Auseinandersetzung mit der kirchlichen Haltung zur | |
Homosexualität ging. | |
Die Strafvorschrift schützt nicht nur die Ehre der ausländischen | |
Staatspräsidenten und Botschafter, sondern auch die Beziehungen | |
Deutschlands zu anderen Staaten. Es handelt sich um eine Sonderform der | |
Beleidigung, die schwerer bestraft wird. Bei einer normalen Beleidigung | |
droht nur Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. | |
Eine Anklage ist laut Paragraf 104 a nur möglich, wenn ein „Strafverlangen“ | |
der ausländischen Regierung sowie eine „Ermächtigung“ der Bundesregierung | |
vorliegen. Beides sind rein politische Entscheidungen. Sie machen den Weg | |
zur Strafverfolgung frei, binden aber nicht die Justiz. | |
Falls die Bundesregierung im Fall Böhmermann keine Ermächtigung erteilt, | |
ist zwar eine Strafverfolgung wegen Beleidigung eines ausländischen | |
Staatsoberhaupts ausgeschlossen. Tayyip Erdoğan kann aber als Privatperson | |
einen Strafantrag wegen Beleidigung stellen, was er nun auch getan hat. | |
Unter Beleidigung versteht die Rechtsprechung eine „Verletzung der Ehre | |
durch Kundgabe der Missachtung“. | |
Die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ gilt laut Paragraf 193 als | |
Rechtfertigungsgrund. Deshalb ist es nie strafbar, wenn sachliche Kritik | |
geäußert wird – selbst wenn dadurch der gute Ruf des Kritisierten leidet. | |
Die Meinungs- und Pressefreiheit wird so auch im Strafrecht berücksichtigt. | |
Strafbar bleibt jedoch eine Schmähkritik, bei der die Diffamierung der | |
Person im Vordergrund steht. | |
Satire darf zwar überzeichnen. Doch auch hier sind Persönlichkeitsrechte | |
und Menschenwürde des Betroffenen zu beachten. Franz Josef Strauß durfte | |
deshalb nicht als kopulierendes Schwein gezeichnet werden, so das | |
Bundesverfassungsgericht im Jahr 1987. | |
Es dürfte Böhmermann auch nichts nützen, dass er sein „Schmähgedicht“ | |
ausdrücklich als Beispiel für verbotenes Verhalten eingeführt hat. Dafür | |
hätte eine Zeile genügt, etwa „pervers, zerlaust und zoophil“, Böhmermann | |
aber präsentierte sechs ganze Strophen in diesem Stil. | |
Wenn Kunstsachverständige nun mutmaßen, das drohende Strafverfahren gehöre | |
zu Böhmermanns Inszenierung, haben sie wohl recht. Dann ergibt sich aus der | |
Kunstfreiheit aber erst recht kein Hindernis für eine Anklage. Böhmermanns | |
Motive könnten am Ende bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Mehr | |
als eine Geldstrafe muss er ohnehin nicht befürchten. | |
12 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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