| # taz.de -- Kommentar „Panama-Papers“: Die neue Weltöffentlichkeit | |
| > Seit Jahren hecheln Staaten den Eliten hinterher, die ihre Reichtümer | |
| > weltweit verstecken. Nun hat die Weltpresse koordiniert zurückgeschlagen. | |
| Bild: Oh wie schön ist Steuervermeidung in Panama | |
| Seit Jahrzehnten hecheln Nationalstaaten asozialen, globalen Eliten | |
| hinterher, die ihre Reichtümer in Finanzoasen verschieben, als würde ihnen | |
| die Libido abhandenkommen, wenn sie sich an nationale Steuersätze halten. | |
| Sie sind die Pestbeulen unseres Wirtschaftssystems. Jetzt schlägt die | |
| weltweite Presse zurück. Zumindest ein bisschen. | |
| Ein internationales Netzwerk von Journalisten hat rund 11 Millionen Seiten | |
| der sogenannten Panama Papers aus vertraulichen Unterlagen des panamaischen | |
| Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca ausgewertet. Und aufgedeckt, wie | |
| eine einzige Firma in einem Geflecht mit Banken, Vermögensverwaltern | |
| Milliardären, Staatsoberhäuptern, Sportlern, Diktatoren, Mafiabossen und | |
| ihren Günstlingen half, Geld zu verstecken. Das sei alles legal gewesen, | |
| sagt Mossack Fonseca. Gut, das Problem ist nur: Wer das Wort „legal“ im | |
| Kontext weltweiter Finanzströme benutzt, will eigentlich sagen: Moralisch | |
| gesehen müsste man uns vierteilen und rädern, de jure sind wir aber nicht | |
| zu belangen. | |
| Das könnte sich bald ändern. Die aktuelle Enthüllung ist nicht die erste | |
| des Netzwerks, aber die wahrscheinlich komplexeste, die je von | |
| investigativem Journalismus geleistet wurde. Einzelne Redaktionen könnten | |
| einen solch gewaltigen Datensatz in seinem globalen Kontext niemals | |
| entschlüsseln. Seit einigen Jahren finden Journalisten erfreulicherweise | |
| Antworten darauf, wie sie zur vierten Gewalt in einer Weltgemeinschaft | |
| aufsteigen können. Zumal die drei anderen Gewalten kaum vorhanden sind. | |
| Einen Weltstaat gibt es nicht und da, wo er simuliert wird, auf UN-Ebene | |
| oder G-20-Ebene, wird man der weltweiten Steuerflucht nicht Herr. | |
| Wir haben uns wahrscheinlich an das Problem gewöhnt wie die Römer an den | |
| Anblick von Sklaven: Die Hälfte der Menschheit lebt in Armut, die Einkommen | |
| konzentrieren sich bei immer weniger Menschen, Staaten kürzen bei Bildung | |
| und sozialer Sicherung, um Zinsen zu zahlen. Statt Steuern einzutreiben, | |
| leihen sich Regierungen das Geld bei denen, die vorher keine Steuern | |
| bezahlt haben. Allerdings nicht direkt, sondern auf den Finanzmärkten, | |
| wohin das illegale Vermögen zuvor verschwand. Das Resultat ist eine | |
| marktkonforme Demokratie, die so heißt, weil sie sich von Märkten abhängig | |
| gemacht hat, deren Auf und Ab mehr Einfluss hat als jede Wahl. | |
| ## Reichtum global umverteilen | |
| Vor diesem Hintergrund sind die Panama Papers ein sehr kleiner Teil eines | |
| weltweiten Problems. Solange es nicht ansatzweise globale | |
| Steuergerechtigkeit gibt, ist das Gerede von grünem Kapitalismus, | |
| Klimaschutz und weltweiter Armutsbekämpfung nur selbstgerechtes | |
| Schulterklopfen nach Feierabend. Nötig ist ein knallhartes, ein globales | |
| System, das Reichtum umverteilt. Nicht im Sinne einer Weltfinanzbehörde | |
| oder Weltregierung, deren Macht unkontrollierbar wäre. Konsequentes | |
| Besteuern von Unternehmen an der Quelle und ein Verbot von aller Art von | |
| Rechtskonstrukten, die sich „Firma“ nennen und keinerlei Auskunftsrechten | |
| oder Regulierung unterliegen, wäre ein Anfang. | |
| Für diese Diskussion ist die jetzige Enthüllung enorm wichtig. Wenigstens | |
| für einige Tage wird das Problem der Steueroasen global auf der | |
| Tagesordnung stehen. Ein Moment, in dem sich eine allzu oft simulierte | |
| Weltöffentlichkeit kurz emanzipiert, also selbst Probleme anprangert und | |
| Konsequenzen fordert. Normalerweise sind globale Themen entweder von | |
| Kriegen, Gewalt oder Naturkatastrophen dominiert oder von | |
| Unterhaltungfabriken – der neue „Star Wars“-Film, die Fußball-WM – | |
| vorgestanzt. | |
| Allerdings hat die Enthüllung auch ihre Schattenseiten: Was ändert sich? | |
| Was hat sich durch Edward Snowdens Mut geändert? Was dadurch, dass wir | |
| wissen, dass Apple oder Starbucks kaum Steuern zahlen? Hier hilft nur ein | |
| Appell: Nur nicht in Lethargie verfallen, nur nicht denken, dass sich durch | |
| Öffentlichkeit eh nichts ändert. Die Wege, wie derartige Enthüllungen über | |
| Parlamente, Staatsanwaltschaften oder Proteste Veränderungen bewirken, sind | |
| genauso verschlungen wie die Netzwerke der Steuermafia. | |
| Ein zweites Problem ist, dass nicht bekannt ist, wer hinter derartigen | |
| Enthüllungen steckt. Wer spielt mit welchem Interesse Daten an die | |
| Öffentlichkeit? Fragen, die zu bedenken sind, aber auch nicht verdecken | |
| sollten, dass es anders keine Möglichkeit gäbe, der weltweiten | |
| Steuertrickserei auf die Schliche zu kommen. Zumindest nicht, solange | |
| Geschäftsgeheimnisse höher gehandelt werden als globale Gerechtigkeit. | |
| 4 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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