| # taz.de -- Gentrifizierung in Hamburg: Vertreibung mit Hindernissen | |
| > Der „Schanzenstern“ steht vor dem Aus. Der neue Mieter könnte sich aber | |
| > eine Kooperation vorstellen – um Protesten im Viertel zu begegnen. | |
| Bild: Könnte bald vorbei sein: Der Schanzenstern muss nächsten Monat raus | |
| Hamburg taz | Die Fronten scheinen verhärtet, Verhandlungen finden nicht | |
| mehr statt. Das Aus des Restaurants und Übernachtungshauses „Schanzenstern“ | |
| in der Bartelsstraße naht: Zum 1. April läuft der Gewerbemietvertrag aus. | |
| Danach hat die Hausbesitzerin, die Firma HWS Immobilien, das Objekt neu | |
| vermietet: an den Hotelier Stephan Behrmann, der bereits das Hostel | |
| „Pyjama-Park“ auf der Reeperbahn und das „Fritz im Pyjama“-Hotel an der | |
| Schanzenstraße betreibt. | |
| Manche Schanzenviertel-Bewohner sehen den Vorgang als weiteres, zudem | |
| drastisches Beispiel für Verdrängung: Der Schanzenhof, die Immobilie, in | |
| der unter anderem der Schanzenstern sitzt, gehört seit 2013 den Gebrüder | |
| Maximilian und Moritz Schommartz, den Köpfen hinter HWS. Sie haben neben | |
| dem Schanzenstern auch der Drogenhilfeeinrichtung „Palette“ und den Mietern | |
| der „Schanzenhof-Kulturetage“ gekündigt. Die Miete im Schanzenhof soll | |
| Ankündigungen zufolge von 8,50 Euro pro Quadratmeter auf 14 Euro steigen. | |
| Hotelier Behrmann ist zur Kooperation mit dem Schanzenstern bereit: Er | |
| stehe für Gespräche „zur Verfügung“, sagt er der taz. „Egal, was dabei | |
| rauskommt oder wenn Fehler aus dieser Welt geschaffen werden können.“ Im | |
| Gespräch räumt er ein, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, ohne | |
| vorherige Kommunikation mit den Schanzenstern-Betreibern einen Pachtvertrag | |
| zu unterschreiben. Er habe den Schommartz’ „geglaubt, dass die | |
| Verhandlungen mit den Schanzenstern-Betreibern gescheitert sind“, so | |
| Behrmann. | |
| Als die Proteste gegen die sich abzeichnende Schanzenstern-Schließung | |
| zunahmen und vermummte Unbekannte das „Fritz im Pyjama“-Hotel attackierten | |
| – mit Konfetti, aber auch, indem sie die Parole „Schanzenhof bleibt“ | |
| versprühten –, habe er sogar mit dem Gedanken gespielt, ganz aus dem | |
| Mietvertrag auszusteigen, sagt Behrmann. Dies sei rechtlich nicht möglich, | |
| allenfalls auf dem Wege eines Vergleichs mit den Gebrüdern Schommartz. Die | |
| allerdings, schätzt Behrmann, hätten auch in dem Fall dann nicht an die | |
| bisherigen Mieter vermietet. | |
| Auch wenn der „Point of no Return“ eigentlich überschritten sei, legt | |
| Behrmann gegenüber der taz dar, dass er immer noch Möglichkeiten sehe, mit | |
| den Betreibern des Schanzenstern-Restaurants zu kooperieren: Die | |
| Gastronomie im Erdgeschoss nämlich dürfe er gemäß des Vertrages mit den | |
| Hauseigentümern untervermieten. Eine eigene Gastronomie sei auch gar nicht | |
| sein Geschäftsfeld. Zu diesem Zweck könnte etwa eine neue Gesellschaft mit | |
| beiderseitiger Beteiligung gegründet werden. Behrmann würde dann das Hotel | |
| betreiben, der Schanzenstern die Gastronomie übernehmen und auch die | |
| Hotelgäste versorgen, zum Beispiel beim Frühstück. | |
| Behrmann will sogar geprüft haben, ob er im Schanzenhof einzig als | |
| Zwischenvermieter auftreten und beides, Hotel und Gastronomie, an den | |
| Schanzenstern weitervermieten könnte. Seiner Einschätzung zufolge könnte er | |
| in dem Fall wegen Vertragsbruchs zu einer Konventionalstrafe verklagt | |
| werden. „Da kommen schnell mal mehrere Hunderttausend Euro Vertragsstrafe | |
| zusammen.“ | |
| Auf taz-Anfrage erklären die Gebrüder Schommartz indes, dass sie sich einem | |
| solchen Plan nicht verschließen würden. „Wir stehen für gemeinsame | |
| Gespräche über eine Untervermietung gerne zur Verfügung“, so Maximilian | |
| Schommartz, „und sind bereit, eine Genehmigung zu erteilen.“ | |
| Ob es doch noch zu einer Teillösung kommt, ist zurzeit eher fraglich – und | |
| würde der Schanzenstern überhaupt wollen? „Behrmann versucht sich | |
| rauszuwinden“, sagt Gunhild Abigt, die Geschäftsführerin des | |
| Übernachtungshauses. Man werde mit ihm nicht separat verhandeln: „Es geht | |
| auch um die Palette, es geht um den gesamten Schanzenhof, den die Stadt | |
| zurückkaufen muss“, so Abigt. | |
| Die Palette ist nicht mehr mit im Boot: „Wir haben neue Räume gefunden, die | |
| wirklich gut sind“, sagt Anke Weihnert vom Vorstand. Bis Ende des Jahres | |
| könne die Palette im Schanzenhof bleiben. Natürlich seien die dortigen | |
| Ereignisse aber ein Akt der Gentrifizierung. „Die Schommartz wollen schnell | |
| Geld machen, was wir uns als soziale Einrichtung nicht leisten können.“ | |
| 15 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
| Katharina Schipkowski | |
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