Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- AfD in Berlin: Menschenverachtend? Äh, nee, ach so!
> Die AfD sammelt Stimmen nicht nur am rechten Rand. Heißt das, sie ist
> keine rechte Partei? Über Sein und Schein der Berliner AfD.
Bild: Im Schatten der Vorsitzenden: Berlins Landeschefin Beatrix von Storch neb…
Der Änderungsantrag ist klar und deutlich. Über eine Abtreibung soll
letztlich die Frau entscheiden; ihr Selbstbestimmungsrecht sei in diesem
Fall wichtiger als alles andere, fordert der Antragsteller, und dies müsse
dem Wahlprogramm so hinzugefügt werden. Es ist ein Mann, was an sich nicht
überraschend ist. Aber: Er stellt den Antrag auf dem Landesparteitag der
Berliner Alternative für Deutschland (AfD), also sogar in dem
Landesverband, der von der christlich-konservativen Europaabgeordneten
Beatrix von Storch angeführt wird.
Die AfD als Hort von Frauenrechten? Das wäre dann doch zu viel der
Überraschungen. Der Antrag wird am Sonntag klar abgelehnt, nachdem – ach,
welch Klischee – eine Gegenrednerin erklärt, dass das Kind schließlich
nicht Eigentum der Mutter sei und sie sich dadurch auch gar nicht
eingeschränkt fühle.
Die AfD betont gerne, erst recht nach ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen
am Sonntag, dass sie nicht die rechte Partei sei, die die „Lügenpresse“ aus
ihr machen würde. Tatsächlich gibt es Mitglieder, die diesem Klischee nicht
entsprechen. Und auch Forderungen im Programm für die Abgeordnetenhauswahl
im September, die von linken und liberalen Parteien stammen könnten: die
nach einer Direktwahl des Regierenden Bürgermeisters, neuen BER-Flugrouten,
der Förderung von Genossenschaften, mehr männlichen Erziehern sowie die
Stärkung der direkten Demokratie.
## In Umfragen bei 7 Prozent
Doch die AfD, die laut Umfragen in Berlin bei sieben Prozent steht, ist
immer noch eine Partei im Werden, eine Mischung aus Menschen
unterschiedlicher politischer Strömungen. Die sich vielleicht in einigen
Wochen oder Monaten die Frage stellen, wie sie je bei dieser Truppe landen
konnten – oder dieser eine andere Richtung geben. Und da stellt sich noch
stärker als bei den etablierten Parteien die Frage, was Sein ist und was
nur Schein.
Den Frauenrechtler am Sonntag gab es wirklich, aber er hat letztlich für
die AfD keine Bedeutung. Beim Parteitag, besucht von einem Fünftel der
knapp 1.000 Berliner Mitglieder, ergaben sich weitere Situationen, die den
vermeintlichen Anspruch und die Wirklichkeit offenlegen im Landesverband
unter Beatrix von Storch.
So betonten mehrere Redner, man sei die „Partei der Kinder“. Aber wehe,
jene werden älter und bleiben nicht so brav. Denn gleichzeitig fordert auch
die Landespartei in ihrem Wahlprogramm, dass bereits Zwölfjährige
strafmündig sein sollen; derzeit kann man erst ab 14 bestraft werden.
Mit zwölf darf man bei der AfD kein Kind mehr sein. Ist das schon
menschenverachtend?
Bei einer anderen Forderung, die am Sonntag neu ins Programm
hineingeschrieben wurde, ist es ganz klar. In diesem Fall geht es um
Flüchtlinge, dem Lieblingsthema der Partei. Nach einiger Debatte
beschlossen die Mitglieder mit großer Mehrheit und Applaus, dass das
Asylrecht – hinter dem die Partei laut Programm grundsätzlich stehe – nicht
zur „Zuwanderung missbraucht werden“ dürfe. Und: „Weder Völkerrecht noch
Grundgesetz sehen die Integration von Asylberechtigten vor.“ Schließlich:
Wer Asyl beantragt, könne „prinzipiell“ die deutsche Staatsbürgerschaft
nicht erhalten.
Damit konstruiert sich die Partei Fremdheit auf Dauer und liefert selbst
den Grund fürdie entsprechenden Probleme, die mit Ablehnung von Menschen
einhergehen. Sie wünscht sich Gettos, die wiederum perfekt als Feindbild
herhalten können.
Auch die Sprache liefert einige Hinweise, wie sich die Partei selbst
versteht. Ein Antrag sah ein Verbot der „linksextremistischen Antifa als
verfassungsfeindliche Organisation“ vor. Schließlich handle es sich dabei,
so ein Redner, um ein „Volk, das an die Kandare gehört“. Im Publikum sorgte
die Idee für Bravorufe – bis jemand darauf hinwies, dass die Antifa eben
kein Verein sei. „Wenn wir uns richtig lächerlich machen wollen, müssen wir
nur etwas verbieten wollen, was es so nicht gibt.“ Damit war das Thema
passé. Immerhin wurde angenommen, dass die Ermittlungsbehörden auch auf
„deutschfeindliche Hintergründe“ bei Straftaten hinweisen sollen – eine
klassische Forderung aus der rechtsradikalen und völkischen Ecke.
Die AfD lebt davon, dass sie sich, anders als die marginalisierte NPD,
nicht in der ultrarechten Ecke verkriecht. Nur dieser Abstand macht sie
wählbar für jene breiteren Schichten, die bisher CDU, teilweise die Linke
oder gar nicht gewählt haben. Solange sie diesen Schein wahren kann, wird
sie auch sein, sprich: Erfolg haben.
14 Mar 2016
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD
Wahlen
Abgeordnetenhaus
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD in Berlin
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Baden-Württemberg
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
AfD in Berlin: Das Blaue vom Himmel
Die Berliner AfD stellt ihren Wahlkampf vor. Sie will die blaue Partei sein
und sogar in ihrem Sinne Kriminelle als Wähler haben.
AfD im Berliner Wahlkampf: Entscheidende Vorwahl
Zwei Wochen vor Berlin wählt Mecklenburg-Vorpommern. Dort wird die AfD rund
20 Prozent kriegen. Beinflusst das auch den Berliner Wahlkampf?
Gemeinsamer Wahlkampf gegen rechts: Berliner Dissens
2011 grenzten sich alle Parteien im Abgeordnetenhaus von Rechtspopulisten
ab. Eine Neuauflage des Bündnisses scheitert bisher an der CDU.
Verbot für NPD-kritischen Wissenschaftler: AfD-Richter verfügt Maulkorb
Nach Analyse der NPD-Strategie: Der Politologe Steffen Kailitz wird von
einem Richter zurechtgewiesen, der Mitglied der AfD ist.
Interview mit Berliner Grünen-Chefs: „Die AfD passt nicht zu Berlin“
Kann noch verhindert werden, dass die AfD ins Abgeordnetenhaus einzieht?
Die Grünen-ChefInnen Jarasch und Wesener über den Umgang mit den
Rechtspopulisten.
Parteitag der AfD: Im Stechschritt voran
Die Berliner AfD hat ihre Kandidatenliste für die Abgeordnetenhauswahl
beschlossen. An Nummer eins steht Exoffizier Georg Pazderski
Wahlparteitag der Berliner AfD: Auf Linie gebracht
Am Wochenende will die AfD ihre Landesliste für die Berlin-Wahl aufstellen.
Darauf: Ex-Offiziere, Burschenschaftler, Nationalkonservative.
Das war die Woche in Berlin I: Ein billiger PR-Coup der AfD
Beatrix von Storch's Konto wird gepfändet, weil sie keine GEZ-Gebühren
zahlt. Sie inszeniert sich als Märtyrerin, obwohl ihre Partei auf
öffentlich-rechtliche Medien angewiesen ist.
Das war die Woche in Berlin II: Nix mehr mit Flachbildschirm
Die AfD ist keineswegs die Partei der kleinen Leute, wie sie immer
suggeriert: Berlins Landeschefin Storch will Sozialleistungen kürzen.
AfD-Hochburg Burladingen auf der Alb: Häusle am Hang und Wut im Bauch
In Burladingen haben mehr als 20 Prozent AfD gewählt. Einer von ihnen ist
der parteilose Bürgermeister. Sie eint die Ablehnung von Merkels Politik.
Essay Konservatismus in Deutschland: Ein grauer Traum
Die AfD-Erfolge zeigen: Die bürgerliche Mitte ist verunsichert. Doch
Alarmismus nutzt nichts. Eine Rolle rückwärts würde der CDU schaden.
Kommentar Nach den Landtagswahlen: Personen statt Programme
Nur die AfD punktete mit ihrem Programm. Eine Demokratie muss dieser Partei
aber mehr entgegensetzen als nur Persönlichkeiten.
Koalitionen nach den Landtagswahlen: Ungewohnte Farbenspiele
Alle drei MinisterpräsidentInnen bestätigt, alle drei Koalitionen
abgewählt: Die Landtagswahlen sorgen für komplizierte Koalitionsgespräche.
Folgen der Landtagswahlen für Berlin: Wer ist immun gegen das AfD-Virus?
Landespolitiker reagieren auf die erstarkte rechtspopulistische Partei, gut
ein halbes Jahr vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.