| # taz.de -- Verbotsverfahren in Karlsruhe: NPD ohne Knaller | |
| > In Karlsruhe wird erneut über ein Verbot der NPD verhandelt. Für die | |
| > Rechtsextremen geht es um alles. Ihre Taktik hat vorerst keinen Erfolg. | |
| Bild: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eröffnet am 1. März in K… | |
| Karlsruhe taz | Es ist 13.26 Uhr, da zündet NPD-Anwalt Peter Richter seinen | |
| ersten „Knaller“. Drei Stunden hat das Bundesverfassungsgericht da schon | |
| über ein Verbot der rechtsextremen Partei verhandelt. Es gebe da einen | |
| Vorfall aus Nordrhein-Westfalen, sagt der Anwalt. Zwei NPD-Landesvorstände, | |
| „zwei Damen“, seien im Juli und August 2015 observiert worden. Dabei hätten | |
| die Vertreter der Gegenseite – also die Bundesländer – doch versichert, | |
| dass sie keine Vorstände mehr anzapfen würden. „Unerträglich“ sei der | |
| Vorfall und von „ganz besonderer Brisanz“, wettert der NPD-Anwalt. | |
| Indes: Der Knaller ist nicht mal ein Knallerchen. Die Polizei hörte die | |
| Frauen ab, weil sie Kontakt zu einem kriminellen Neonazi hatten. Der | |
| Verfassungsschutz hatte dies nicht angeordnet. Es war kein Versuch, die | |
| Prozessstrategie der NPD auszuforschen, wie der NPD-Anwalt es nahelegt. | |
| Die Überraschung verpufft. Es ist symptomatisch für diesen | |
| Verhandlungsauftakt. Mit großem Selbstbewusstsein war die NPD in den Tag | |
| gegangen. Im blauen Anzug, mit Einstecktuch und Gelfrisur betritt | |
| Parteichef Frank Franz das Gericht. Mit dem vorliegenden Material werde die | |
| NPD sicherlich nicht verboten, sagt er. „Die NPD wurde schon immer | |
| totgesagt. Ich prophezeie, sie wird es noch in 50 Jahren geben.“ | |
| Knapp 30 Funktionäre sind ins Gericht gekommen, viele haben sich | |
| NPD-Buttons ans Revers geheftet. Für die 1964 gegründete | |
| „Nationaldemokratische Partei“ geht es um alles. In wenigen Tagen könnte | |
| sie Geschichte sein. | |
| Es ist ein historischer Moment: Erst zwei Mal wurden Parteien in der | |
| Bundesrepublik verboten – 1952 die Sozialistische Reichspartei und 1956 die | |
| KPD. | |
| ## Drei Tage soll verhandelt werden | |
| Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nennt das Verfahren am Morgen eine | |
| „besondere Herausforderung“ und eine „ernsthafte Bewährungsprobe“ für… | |
| „demokratischen Verfassungsstaat“. Drei Tage nur wollen die acht | |
| RichterInnen um Voßkuhle verhandeln – dann soll ihr Bild stehen. | |
| Bereits 2013 haben die Bundesländer das NPD-Verbot beantragt. Sie sei | |
| antidemokratisch, antisemitisch, sie agitiere „aggressiv-kämpferisch“, | |
| heißt es in ihrem 264-seitigen Verbotsantrag. Nun folgt die Nagelprobe, | |
| nachdem ein erster Versuch 2003 scheiterte. | |
| Auch diesmal hofft die NPD auf ein vorzeitiges Ende, sie wird indes | |
| enttäuscht. Gleich nach Prozesseröffnung am Morgen stellt NPD-Anwalt | |
| Richter einen Befangenheitsantrag gegen zwei der Verfassungsrichter: Peter | |
| Müller und Peter Huber. Müller war bis 2011 CDU-Ministerpräsident im | |
| Saarland, Huber bis 2010 Innenminister für die CDU in Thüringen. Beide | |
| hatten sich damals deutlich gegen die NPD ausgesprochen. | |
| Der NPD-Anwalt hält dies für einen klaren Verstoß: Die Exminister hätten | |
| sich ihr Urteil schon gebildet. Zwei andere Richter lehnt er ebenfalls ab, | |
| weil diese angeblich nicht ordnungsgemäß durch den Bundestag gewählt | |
| wurden. | |
| ## Verfassungsrichter dürfen politische Meinung haben | |
| Die Blockadetechnik klappt nicht. Nach der Mittagspause begründet das | |
| Gericht, warum es den Befangenheitsantrag ablehnt: Auch die | |
| Verfassungsrichter dürften eine politische Meinung haben. Hier aber werde | |
| nur rein juristisch entschieden. | |
| Auf der Seite der Antragsteller fühlt man sich wohlpräpariert und reagiert | |
| gelassen. Aus jedem der 16 Bundesländer sitzen führende Verfassungsschützer | |
| im Saal. Sie sollen mögliche Enthüllungen über V-Leute sofort kontern. Auch | |
| die Ministerpräsidenten Dietmar Woidke, Winfried Kretschmann und Stanislaw | |
| Tillich sind gekommen, dazu mehrere Landesinnenminister. | |
| An das Pult im Saal tritt Tillich. Man habe sich den Verbotsantrag nicht | |
| leicht gemacht, sagt der sächsische CDU-Mann. Aber: „Wenn das Instrument | |
| des Parteiverbots heute noch einen Anwendungsfall haben sollte, dann im | |
| Fall einer Partei wie die NPD.“ Die Rechtsextremen verachteten die | |
| Demokratie, bedrohten Gegner und stachelten gerade jetzt in der | |
| Flüchtlingsdebatte wieder zu Hass auf. | |
| Die Riege der Bundesländer hat bereits vor Monaten in seitenlangen | |
| Erklärungen die Abschaltung der letzten elf V-Leute in der NPD-Führung | |
| dokumentiert. Seit Ende 2012 gebe es weder im Bundesvorstand noch in den | |
| Landesvorständen der Partei einen Spitzel. Das NPD-Verbotsmaterial führe | |
| keinen einzigen Beleg eines V-Manns. | |
| NPD-Anwalt Richter versucht, genau das zu erschüttern. Was sei mit | |
| Mitarbeitern der Landtagsfraktionen? Was mit V-Leuten, die Kontakt zur | |
| Parteiführung hätten? Was mit anderen Geheimdiensten neben dem | |
| Verfassungsschutz? | |
| ## „Das ist etwas dünn, finden Sie nicht?“ | |
| Die Fragen sind nicht neu. Der NPD-Anwalt hatte sie schon in Schreiben vor | |
| der Verhandlung angeführt. Belege liefert er nicht. Konkret benennt er | |
| einzig einen vermeintlichen „Facebook“-Spitzel und einen Auffahrunfall | |
| eines Verfassungsschützers auf das Auto seiner Mutter. Der Unfall geschah | |
| aber bereits im November 2012. Der Geheimdienst spricht von reinem Zufall. | |
| Die Zweifel des Senats sind denn auch unüberhörbar. „Das ist etwas dünn, | |
| finden Sie nicht?“, fragt Richter Müller den NPD-Anwalt. | |
| NPD-Chef Franz versucht sich am Nachmittag in Durchhalteparolen. „Wir haben | |
| noch einiges mehr“, sagt er. Er stellt seine Partei als verfolgte | |
| Opposition dar, die aus dem Weg geräumt werden soll. Die „Todesstrafe“ | |
| solle gegen die NPD verhängt werden, poltert auch ihr Anwalt im bestem | |
| Parteijargon. Es gehe der Politik „nur um Machterhalt“. Und dies gerade | |
| jetzt in der Flüchtlingsdebatte, in der die NPD das „Sprachrohr“ der | |
| Zuwanderungsgegner sei. | |
| Der Verbotsantrag zitiert NPD-Politiker, die von einer „Judenrepublik“ und | |
| „multikultureller Jauche“ sprechen, die Gräuel der NS-Zeit relativieren | |
| oder eine Beseitigung des „korrupten Systems“ forderten. Sollte es nur um | |
| diese Inhalte gehen, wäre das Verfahren wohl schnell entschieden. | |
| Die Richter aber müssen auch prüfen, ob die NPD tatsächlich eine Gefahr für | |
| die Demokratie ist. Die Partei sitzt ja nur noch in einem Landtag, in | |
| Mecklenburg-Vorpommern, zählt gerade mal 5.200 Mitglieder und holte bei der | |
| vergangenen Bundestagswahl 1,3 Prozent der Stimmen. Gerichtspräsident | |
| Voßkuhle nennt das Parteiverbot denn auch ein „zweischneidiges Schwert, das | |
| mit Bedacht geführt werden muss“. Der Jurist sagt aber auch: Nach | |
| vorläufiger Prüfung sei der Verbotsantrag „zulässig und hinreichend | |
| begründet“. Am Mittwoch wird weiterverhandelt. | |
| 1 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
| ## TAGS | |
| NPD-Verbot | |
| Karlsruhe | |
| Andreas Voßkuhle | |
| Verfassungsschutz | |
| Bundesverfassungsgericht | |
| Bodo Ramelow | |
| NPD-Verbot | |
| NPD-Verbot | |
| NPD-Verbot | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| NPD-Verbot | |
| Karlsruhe | |
| NPD-Verbot | |
| Verbotsverfahren | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| NPD gegen Bodo Ramelow: Chancengleichheit für Nazis | |
| Die Klage der Rechtsextremen gegen den thüringischen Ministerpräsidenten | |
| wurde bestätigt. Er hatte dazu aufgerufen, NPD-Anträge nicht zu | |
| unterstützen. | |
| NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe: Völkische Ideologie gerügt | |
| Das Gericht prüft die Vorstellungen einer rein deutschen | |
| „Volksgemeinschaft“ als Argument für ein Verbot. Das Urteil wird für den | |
| Sommer erwartet. | |
| NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe: „Verdient, dahinzuvegetieren“ | |
| Im Verbotsverfahren wird die Gefahr der rechtsextremen Partei diskutiert. | |
| Die angehörten Experten sind sich in der Sache nicht einig. | |
| NPD-Verbotsprozess in Karlsruhe: Jetzt geht‘s um Ganze | |
| Die Karlsruher Richter sehen im NPD-Prozess keine Verfahrenshindernisse. Es | |
| spricht immer mehr für ein Verbot der rechtsextremen Partei. | |
| Kommentar NPD-Verbotsverfahren: Traurige Gesichtswahrung | |
| Jedes Parteiverbot beschädigt die Demokratie. Die NPD zu verbieten, ist | |
| inzwischen überflüssig: Das Sprachrohr des rechten Randes ist längst die | |
| AfD. | |
| NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe: Die V-Leute waren das Problem | |
| Beim neuen NPD-Verbotsverfahren sind erneut V-Leute Thema. Der erste | |
| Versuch, die NPD zu verbieten, scheiterte 2003 genau daran. | |
| Verbotsverfahren in Karlsruhe: NPD kündigt „Knaller“ an | |
| Der erste Versuch scheiterte. Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht | |
| erneut über ein NPD-Verbot. Fragen und Antworten zum Thema. | |
| NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe: Der Geistesgegenwärtige | |
| Der Berliner Rechtsprofessor Christoph Möllers will in Karlsruhe das | |
| NPD-Verbot für den Bundesrat durchfechten. Ein Porträt. | |
| NPD-Anwalt im NPD-Verbotsverfahren: Der Schreibtisch-Provokateur | |
| Peter Richter hat eine exzellente Ausbildung – und ist extrem rechts. Die | |
| NPD will er als diskriminiertes Opfer des Verbotsverfahrens darstellen. |