# taz.de -- Berlinale, Tag 1: Was uns erwartet: Flucht, Glück, Langformat | |
> Am Donnerstag eröffnet die Berlinale mit „Hail, Caesar!“ von den | |
> Coen-Brüdern. Die 66. Filmfestspiele stehen im Zeichen des „Rechts auf | |
> Glück“. | |
Bild: Scarlett Johansson in „Hail, Caesar!“ von Joel & Ethan Coen. | |
BERLIN taz | Man könnte die Parole als bewusste Provokation verstehen. Das | |
„Recht auf Glück“, das sich die Berlinale dieses Jahr auf die Fahnen | |
geschrieben hat, ist als Forderung verbreitet, vor Gericht aber nur schwer | |
einzuklagen. Weshalb es in Verfassungen gern zum „Recht auf das Streben | |
nach Glück“ abgeschwächt wird. | |
Die Botschaft hingegen ist klar, geht es den Berliner Filmfestspielen doch | |
insbesondere um Menschen, denen ihre Lebensumstände wenig Gelegenheit | |
geben, ihr Glück zu finden: Die Flüchtlinge, die dieser Tage vor den Toren | |
Europas stehen, sind im Programm der Berlinale durchaus sichtbar. | |
Schon im Wettbewerb liefert der Dokumentarfilmer Gianfranco Rosi mit | |
„Fuocoammare“ Bilder von der Insel Lampedusa, die längst zum Symbol der | |
Flüchtlingskrise geworden ist. Rosi, der 2013 in Venedig für seinen Film | |
„Sacro Gra“ den Goldenen Löwen gewann, beobachtete ein Jahr lang auf | |
Lampedusa die Menschen. Solche, die dort geboren wurden, und solche, die | |
versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. | |
„Fuocoammare“ ist lediglich das prominenteste Beispiel für eine Reihe von | |
Filmen, die sich mit der Flüchtlingsfrage beschäftigen. Zum Teil mit formal | |
recht ungewöhnlichen Lösungen: Philip Scheffners Film „Havarie“ etwa | |
streckt ein dreieinhalbminütiges Video von einem treibenden Schlauchboot im | |
Mittelmeer auf 90 Minuten. | |
Im Vergleich zum Wettbewerbsbeitrag des philippinischen Regisseurs Lav Diaz | |
ist das immer noch ein bescheidener Ansatz. Ganze 485 Minuten dauert dessen | |
Film „Hele Sa Hiwagang Hapis“ (A Lullaby to the Sorrowful Mind). Das sind | |
acht Stunden, die sich Diaz Zeit nimmt, um der Kolonialgeschichte seines | |
Landes im 19. Jahrhundert nachzugehen. | |
Lav Diaz ist diesmal nicht der einzige Regisseur mit Langzeitambitionen. Er | |
wird sogar noch übertroffen von der Filmemacherin Ulrike Ottinger, die mit | |
„Chamissos Schatten“ eine dokumentarische „Filmreise zur Beringsee“ | |
unternimmt, für die sie ganze zwölf Stunden benötigt – wenngleich | |
unterteilt in drei Kapitel. | |
Auch ansonsten hat man dieses Jahr reichlich Gelegenheit, diverse | |
Perspektiven außerhalb Europas kennenzulernen. Darunter finden sich vor | |
allem Arbeiten aus Latein- und Südamerika oder dem arabischen Raum. Eine | |
Rarität ist der Film „Barakah yoqabil Barakah“ (Barakah Meets Barakah) von | |
Mahmoud Sabbagh aus Saudi-Arabien. Einem Land, in dem Film weitgehend | |
verpönt ist. Man darf auf diese Liebeskomödie, die in einem | |
datingfeindlichen Umfeld spielt, sehr gespannt sein. | |
Und nicht zu vergessen das Glück in der für das Kino ureigensten Form, wie | |
sie das Medium von Anfang an begleitet: die Produktion von Illusionen. In | |
der Dream Factory Hollywood spielt denn auch die neue Komödie der | |
Coen-Brüder, „Hail, Caesar!“, mit der die Berlinale am heutigen Donnerstag | |
eröffnet. | |
11 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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