# taz.de -- Freiwillige Rückkehr von Geflüchteten: „Alles dauert viel zu la… | |
> Immer mehr Menschen kehren zurück in ihre Heimat, trotz guter Chancen auf | |
> Anerkennung. Begegnungen am Iraqi-Airways-Schalter in Tegel. | |
Bild: Rückkehrende Flüchtlinge warten am Flughafen Tegel auf ihren Flug nach … | |
BERLIN taz | Ali steht am Flughafen Tegel, Gate C. In der Hand hält er | |
seinen Pass und sein Ticket. Heute geht es von Berlin nach Erbil, Irak. | |
Dorthin will der 26-jährige Iraker zurückkehren. | |
Ali sieht deutlich jünger aus, eher wie Anfang zwanzig. Im Irak war er | |
bedroht worden, sollte Schutzgeld zahlen. Vor sieben Monaten ist er über | |
die Balkanroute nach Deutschland gekommen. „Bei der Überfahrt von der | |
Türkei nach Griechenland ist das Schiff mit 25 Menschen an Bord gekentert“, | |
erzählt er. Elf Stunden war er im Wasser, bis er gerettet wurde. „Einige | |
sind gestorben. Ich habe überlebt, weil ich schwimmen kann.“ | |
In Deutschland hat Ali erst in einem Heim in Dortmund gelebt und dann in | |
Oberrath bei Düsseldorf. Seine Frau und seine beiden Kinder – ein | |
sechsjähriger Junge und ein einjähriges Mädchen – hat er im Irak | |
zurückgelassen. Zu ihnen möchte er nun zurück. | |
„Die Menschen hier haben mich gut behandelt, ich fühle mich wohl“, sagt | |
Ali. Das Problem sei die Registrierung. „Ich bin seit sieben Monaten hier | |
und sie haben noch nicht mal meine Fingerabdrücke genommen. Alles dauert | |
viel zu lange. Vielleicht muss ich noch zwei Jahre warten, bis ich mein | |
Gespräch habe, und noch mal zwei Jahre, bis ich eingebürgert werde.“ Und | |
dann die Zeit, bis er seine Familie nachholen könne. „Bis dahin haben meine | |
Kinder mich vergessen.“ | |
## Tickets für den Rückflug | |
„Vor drei, vier Monaten begannen Geflüchtete aus dem Irak, nach Tickets für | |
den Rückflug zu fragen“, sagt Alaa Hadrous, Inhaber eines Reisebüros in | |
Berlin. Sein Laden liegt in derselben Straße wie das Landesamt für | |
Gesundheit und Soziales (Lageso), wo Flüchtlinge oft Stunden, manchmal Tage | |
für Unterhaltsgeld oder Krankenscheine anstehen. | |
„Zu mir kommen Leute, die seit Wochen in einer Turnhalle leben, ohne | |
Privatsphäre, und das nicht mehr aushalten. Deutschland haben sie sich | |
komplett anders vorgestellt. Sie wollen nur noch zurück.“ Er versuche zu | |
erklären, dass sie Geduld haben sollten, dass die deutsche Bürokratie ihre | |
Zeit dauere. „Es macht mich traurig, das mitzukriegen.“ | |
Der 41-jährige Hasan aus Bagdad wartet mit seinen drei Töchtern auf seinen | |
Flug. Neben ihnen stehen drei kleine Rollkoffer und eine große Plastiktüte | |
voller Kleider. Die Mädchen sind 10, 11 und 13 Jahre alt. Erst vor | |
eineinhalb Monaten sind sie über die Balkanroute in Hamburg angekommen. | |
## Erniedrigt in Deutschland | |
In Deutschland sei er oft erniedrigt worden, sagt Hasan. „Meine Träume sind | |
zerstört“, sagt er enttäuscht – zerstört durch die Grenze nach Schweden. | |
„Drei Mal haben sie uns zurückgeschickt“, sagt er, während die beiden | |
kleineren Mädchen ihr Gesicht an seinen Bauch pressen, seine Hand greifen | |
und sich fest an ihn schmiegen. | |
Ihre Mutter, Hasans Frau, ist mit den beiden zwei und acht Jahre alten | |
Söhnen in Finnland. Sie waren getrennt voneinander geflohen. Alle sind in | |
Europa angekommen. Aber zusammenkommen konnten sie hier nicht. Nun hat die | |
Familie beschlossen, in den Irak zurückzufliegen. | |
Ein Flugticket nach Erbil oder Bagdad kostet rund 300 Euro. Offizielle | |
Statistiken darüber, wie viele Geflüchtete aus Deutschland wieder in den | |
Irak zurückreisen, gibt es nicht, da sie ihre Reise selbst organisieren. | |
Die Fluggesellschaft Iraqi Airways bestätigt allerdings, dass seit etwa | |
drei Monaten die Zahl ihrer Passagiere bei Flügen von Deutschland in den | |
Irak gestiegen sei. | |
Inzwischen ist es halb eins. Die Schalter von Iraqi Airways sind geöffnet. | |
Ali steht schon in der Schlange. Hasan steht auf, in der Hand seine große | |
Plastiktüte, die drei Mädchen nehmen jede ihren Rollkoffer. Zusammen gehen | |
sie quer durch die Halle. Erst zum Check-in und danach durch die | |
Sicherheitsschleuse. Der Flug geht gegen drei. Fünf Stunden später werden | |
sie in Erbil landen. | |
Mitarbeit: Shaheen Al-Obaidi | |
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes werden in diesem Text nur die | |
Vornamen der Flüchtlinge genannt | |
7 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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