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# taz.de -- Chaos mit Todesfolge in Hamburg: Gesundheitskarte zum Todestag
> Die Eltern der verstorbenen Rana wussten nicht, dass sie
> krankenversichert waren. Ein Info-Blatt wurde im Herbst aus dem Verkehr
> gezogen. Neuauflage ungewiss
Bild: Blieb der kleinen Rana verwehrt: Eine Untersuchung beim Kinderarzt.
Hamburg taz | Es klingt grotesk. Am 1. Februar hat die AOK
Bremen/Bremerhaven die Gesundheitskarte für die Familie der kleinen Rana
verschickt. Zwei Tage später starb das zehn Monate alte Baby auf der
Intensivstation der Uniklinik Eppendorf (UKE). Anschließend erhob der Vater
gegenüber dem NDR schwere Vorwürfe: Eine Ärztin habe in der Zentralen
Erstaufnahme am Rugenbarg am Freitag den 22. Januar seine Tochter nur an
den Ohren untersucht und die Überweisung in ein Krankenhaus abgelehnt,
obwohl sie seit Tagen an Durchfall und Erbrechen litt. Erst spät nachts
fuhr ein Rettungswagen das Kind ins Krankenhaus.
Der Fall beschäftigte am Donnerstag den Gesundheitsausschuss der
Bürgerschaft. Das Kind starb an „Multi-Organversagen aufgrund einer
Sepsis“, sagte eine Vertreterin der Justizbehörde. Ein Gutachten soll nun
klären, ob ein Behandlungsfehler vorliegt.
Dem Kind ging es schon die ganze Woche nicht gut, Montag und Mittwoch war
es beim Arzt, erhielt aber nach Angaben des Vaters nur Fieberzäpfchen. Das
Abendblatt zitierte anonym zwei „mit dem Fall vertraute Personen“ mit dem
Hinweis, dass Ärzte bei der ersten Untersuchung weder Durchfall noch
Erbrechen dokumentiert hätten. Das weise entweder auf schlampige
Dokumentation oder einen Behandlungsfehler hin, weil das Kind nicht
gründlich untersucht worden sei. Wie aus dem Umfeld der Unterkunft zu hören
ist, soll das Kind sehr wund gewesen sein. Bei einer Sepsis, auch
Blutvergiftung genannt, ist schnelle medizinische Behandlung wichtig.
Die ärztliche Versorgung wird in der Einrichtung am Rugenbarg vom UKE
geleistet. UKE-Direktor Burkhard Göke warnte im Ausschuss vor einem
„Alarmismus in dem Fall“. Er könne zum jetzigen Zeitpunkt keine
organisatorischen Defizite oder „ärztliches Fehlverhalten“ entdecken. Das
Kind habe sich zunächst gut entwickelt. „Ich gehe von einem tragischen,
schicksalhaften Verlauf aus“, sagte er. Trotz aller Bemühungen sei es nicht
gelungen, das Kind zu retten.
Aber hätte es geholfen, wenn früher ein Kinderarzt die Kleine untersucht
hätte? Das fragen CDU, FDP und Linke. In der Unterkunft leben über 1.200
Menschen, darunter 200 Kinder unter acht Jahre. Für sie gibt es nur montags
für vier Stunden eine Kinderarztsprechstunde. Gesundheitssenatorin Cornelia
Prüfer-Storks (SPD) nennt die Versorgung gut. Immerhin habe man einen
ärztlichen Basisdienst. Den Flüchtlingen stehe, „das gesamte
Gesundheitssystem jederzeit offen“.
Auch Ranas Familie, die hier seit 24. Oktober lebt, war bereits bei der AOK
versichert, aber ohne Karte in der Hand. Die Eltern hätten, so verteidigt
sich der Senat, auch selbstständig früher einen Kinderarzt oder eine Klinik
aufsuchen können –mit Hilfe einer Bescheinigung. „Doch davon wusste der
Vater nichts“, kritisiert der gesundheitspolitische Sprecher der Linken,
Deniz Celik. Weil es vielen Flüchtlingen so geht, stellte die Linke bereits
im November einen Antrag für ein mehrsprachiges Infoblatt, das Flüchtlinge
über das Gesundheitssystem aufklärt.
Einen solchen „Zettel zur Gesundheitsversorgung“ habe es bis Oktober
gegeben, sagte Anette Hitpaß, die Leiterin des Einwohnerzentralamts. Seit
es aber für Flüchtlinge die elektronische Gesundheitskarte gibt, sei eine
Erneuerung nötig. Wegen der hohen Arbeitsbelastung sehe sich das
Einwohneramt bislang nicht in der Lage, einen neuen Infozettel zu
formulieren, erklärt Sprecher Norbert Smekal. Wann dies passiert, lasse
sich noch nicht sagen.
29 Feb 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Hamburg
Gesundheit
Flüchtlinge
Kinderrechte
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Familienzusammenführungen
Behandlung
Hamburg
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