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# taz.de -- Weltklimaabkommen in Paris: Der Hammer von Le Bourget
> Mit einem kräftigen Schlag wird das Klimaabkommen besiegelt. Jetzt muss
> nur noch die Weltwirtschaft komplett umgebaut werden.
Bild: Eine zukunftsweisende Botschaft?
PARIS taz | Genau genommen war es ein Hammer in Form des grünen
Konferenzlogos, mit dem Verhandlungsleiter Laurent Fabius einen Moment
besiegelte, den in ersten Reaktionen viele Beobachter als historisch
bezeichnen: Alle Staaten der Welt verpflichten sich mit dem Abkommen von
Paris gemeinsam zu globalem Klimaschutz. Viele Delegierten in dem
Konferenzsaal am Rand des Pariser Flughafens Le Bourget sprangen auf und
applaudierten minutenlang.
Es scheint tatsächlich so, als hätten die 195 Staaten einen Vertrag
ausgehandelt, der den Klimaschutz voranbringt. Bereits um 13:30 Uhr hat die
französische Delegationsleitung nach jahrelangen Verhandlungen, die im
zweiwöchigen Klimagipfel von Paris ihren Höhepunkt erlebte, den finalen
Entwurf vorgelegt. Umweltverbände, Journalisten, Wissenschaftler und andere
Beobachter schütteln im Konferenzzentrum seitdem die Köpfe – weil sie
positiv überrascht sind.
Die meisten Beobachter halten das Abkommen für eine gute Grundlage, um die
Erderwärmung in den Griff zu bekommen. „Das ist nur ein Schritt auf einem
langen Weg, es gibt Teile, die mich frustrieren, aber es ist ein
Fortschritt“, sagte [1][Greenpeace-Chef Kumi Naidoo]. „Der internationale
Klimaschutz hat einen großen Sprung nach vorn gemacht“, schreibt Regine
Günther, Generaldirektorin Politik und Klimaschutz beim WWF Deutschland.
Avaaz, eine globale Bewegung für mehr Klimaschutz, kommentiert: „Das
bereitet den Weg für eine hellere Zukunft, angetrieben von 100 Prozent
erneuerbare Energien.“
## 1,5-Grad-Ziel völkerrechtlich verbindlich
Eine Verhandlerin aus Marokko fasste es so zusammen: „Wir haben eine
Schlacht gewonnen, aber der Kampf geht weiter.“ Das liegt vor allem daran,
dass das Abkommen zwar extrem ambitionierte Ziele formuliert, bei der
Umsetzung aber eher schwach bleibt.
Was viele euphorisch stimmt: Im völkerrechtlich verbindlichen Teil des
Abkommens steht das 1,5-Grad-Ziel. Schwach formuliert, aber es taucht auf.
Das heißt, die Menschheit solle ihr „Bemühungen fortführen“, die Emissio…
an Klimagasen so weit zu reduzieren, dass sich die Temperaturen im
weltweiten Schnitt nicht um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zu vor der
Industriellen Revolution erhöhen. Oder wissenschaftlicher ausgedrückt: Die
Chance dafür soll auf unter 50 Prozent gesenkt werden. Damit wäre die
Klimaerwärmung in einem Bereich, der es ziemlich unwahrscheinlich macht,
dass das ganz Klimasystem kippt.
Nun haben bereits vor dem Gipfel 180 Staaten ihre Bemühungen zum
Klimaschutz an die Vereinten Nationen gemeldet. Die sind jetzt auch Teil
des Abkommens. Bliebe es lediglich bei diesen Maßnahmen, würde sich die
Erde wahrscheinlich in einen kritischen Bereich erwärmen, um bis zu 3,5
Grad. Gleichzeitig formuliert der Vertrag aber die Ambition, die Erwärmung
auf 1,5 bis maximal zwei Grad zu begrenzen. Es gibt also einen eklatanten
Widerspruch innerhalb des Textes zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Allerdings enthält der Vertrag die Möglichkeit, diesen Gegensatz
aufzulösen: Die Staaten sollen ihre Klimaschutzzieleregelmäßig verbessern.
Einen solchen Automatismus hatten viele Umweltverbände gefordert. Nun soll
bereits 2018 über schärfer Klimaschutzmaßnahmen verhandelt werden, ab 2023
soll es dann alle fünf Jahre Anpassungen geben.
Die Kuh ist also nicht vom Eis, die Chance, dass es in die richtige
Richtung geht, aber da. „Der Test für den Klimapakt ist, ob die Staaten
sehr bald verbesserte Klimaziele vorlegen, um auf einen 2-Grad-Pfad zu
gelangen“, so drückt es Christoph Bals aus, Politischer Geschäftsführer von
Germanwatch. Greenpeace-Chef Kumi Naidoo benutzt die Metapher eines Loches,
in dem die Menschheit noch immer sitzt, allerdings gibt es jetzt Haken, an
denen sie rausklettern kann. „Der Kampf geht gleich am Montag weiter“, sagt
er.
## Hier die wichtigsten und umstrittensten Details des Entwurfs:
Klimapläne:
Bisher haben die Staaten Rechenschaft über Minderung und Anpassung bis 2020
vorgelegt. Diese Pläne sollen 2018 auf die Erreichung des globalen Ziels
überprüft werden, um sie anpassen zu können. Dieser Zyklus von Überprüfung
und neuen Plänen soll alle fünf Jahre stattfinden. Die Planungen dürfen nur
besser werden und schließen Rückschritte beim Klimaschutz aus. Allerdings:
Pflicht ist nur, DASS Pläne vorzulegen sind, der Inhalt ist nicht
völkerrechtlich bindend.
Das Ende von Öl und Kohle:
Der [2][Begriff der „Dekarbonisierung“] ist aus dem Abkommen verschwunden.
Dafür sollen die Emissionen „so schnell wie möglich“ ihren Höhepunkt
erreichen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll „eine Balance
erreicht werden zwischen menschengemachten Emissionen“ und der
CO2-Einlagerung „durch Senken“ wie Wäldern. Was gewunden klingt,
interpretieren die Umweltorganisationen positiv: Wenn alle Treibhausgase
nach 2050 auslaufen, müssen die CO2-Emissionen aus der Energie schon früher
dran glauben. Und die Bedeutung der Wälder und Böden werde anerkannt.
„Differenzierung“:
Es gibt keine offizielle Unterteilung mehr in Industrie- und
Entwicklungsländer. Allerdings wird die „Differenzierung“ nach nationalen
Umständen und im Licht der „allgemeinen aber differenzierten Verantwortung“
für den Klimawandel in einzelnen Bereichen eingeführt: Industrieländer
sollen beim Klimaschutz vorangehen, sie sollen einen großen Teil der
Finanzen tragen. Sie sollen weiter Technologie zur Verfügung stellen und
den armen Ländern beim Aufbau von Behörden und Techniken helfen.
Finanzen:
Die 100 Milliarden Dollar ab 2020, die [3][die Industriestaaten für
Klimahilfen zugesagt] haben, werden als „Sockel“ festgeschrieben. Bis 2025
wollen die Staaten darüber reden, um wieviel das aufgestockt werden soll.
Andere Länder werden „ermutigt, solche Unterstützung freiwillig zu leisten�…
– das geht an reiche nicht-OECD-Länder wie Singapur oder die Golfstaaten.
Anpassung und Schadensersatz:
Zum ersten Mal gibt es offiziell ein Ziel, die Anpassungsfähigkeit der
Staaten an den Klimawandel zu steigern und damit die „nachhaltige
Entwicklung“ voranzubringen. Bestätigt wurde auch der
„Warschau-Mechanismus“ zu Verlust und [4][Schäden aus dem Klimawandel]:
keine konkreten Verpflichtungen – das war mit den Industriestaaten nicht zu
machen – aber ein Ort, um darüber zu reden.
Erneuerbare Energie:
Jubel bei Greenpeace, die eine Kampagne für „100 Prozent Erneuerbare bis
2050“ vorantreiben. In der Entscheidung wird anerkannt, dass nachhaltige
Energieversorgung anzustreben sei, „besonders in Afrika“ durch den
schnelleren Aufbau von Erneuerbaren. Bisher war das auf Afrika beschränkt.
Kapitalismus im Treibhaus:
Ausdrücklich anerkannt werden die umstrittenen „Marktmechanismen“ in dem
Abkommen. Instrumente wie der „Clean Development Mechanismus“ (CDM), mit
denen sich Unternehmen aus reichen Staaten von ihren Emissionen freikaufen
können durch Öko-Investitionen in armen Ländern, werden als „freiwillig“
erwähnt.
Transparenz:
Ganz wichtig: Für die Meldung und Überprüfung von Klimaschutz-Aktionen
sollen zukünftig für alle Länder die gleichen Regeln gelten – die dann je
nach entwicklungsstand angepasst werden können. Armen Ländern soll beim
Aufbau von Kapazitäten geholfen werden.
Anerkennung nicht-staatlicher Akteure:
Zum ersten Mal wird ausdrücklich der Beitrag von Unternehmen, Gemeinden,
Städten und Bürgern zum Klimaschutz erwähnt und gelobt. Sie werden
aufgefordert, ihre Anstrengungen zu verstärken.
12 Dec 2015
## LINKS
[1] /Greenpeace-Chef-Kumi-Naidoo/!5259214
[2] /Dekarbonisierung-in-Deutschland-bis-2050/!5259229
[3] /Geldregen-vor-der-Klimakonferenz/!5255681
[4] /Tuvalus-Aussenminister-ueber-Klimawandel/!5258154
## AUTOREN
Ingo Arzt
Bernhard Pötter
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