| # taz.de -- Endspurt der Klimaverhandlungen: High Noon in Paris | |
| > Die Konferenzleitung legt den Klimavertrag vor. Jetzt heißt es: so gute | |
| > Stimmung machen, dass keiner eine Ablehnung wagt. | |
| Bild: Frankreichs Außenminister Laurent Fabius (m.) legt nach seiner Rede die … | |
| Paris taz | Einmarsch der Gladiatoren um 11.37 Uhr: Angeführt vom | |
| Außenminister der Marshall-Inseln Tony de Brun strömen die zwei Dutzend | |
| Vertreter der „High Ambition Coalition“ in einer dichten Phalanx in den | |
| Saal. Die Weltretter sind da! US-Verhandler Todd Stern, EU-Kommissar Miguel | |
| Canete, Umweltministerin Barbara Hendricks, Ex-US-Vizepräsident Al Gore und | |
| Minister aus der Karibik, Afrika und Lateinamerika haben sich in den | |
| letzten Tagen zu einer Allianz für einen ehrgeizigen Klimavertrag | |
| zusammengetan. Sie haben sich im Büro der Briten getroffen und sind | |
| untergehakt losmarschiert. | |
| Sie werden von der Versammlung mit stehenden Ovationen empfangen. Der Raum | |
| „Seine“ auf dem Messegelände von Le Bourget ist eine einfach Halle, | |
| Stahlgerüste an der tonnenförmigen Decke, helle Holzstühle vor einfachen | |
| weißen Tischen, aber die Seitenwände sind dramatisch rot angestrahlt. Die | |
| Szene ist bereitet für den Showdown von Paris, am 12.12. um 12 Uhr mittags. | |
| Die Regie der französischen Präsidentschaft hat nichts dem Zufall | |
| überlassen. Denn am hoffentlich letzten Tag der UN-Klimakonferenz ist nun | |
| „Crunch Time“ wie die Verhandler sagen: die Zeit der Entscheidung. Der | |
| endgültige Klimavertrag soll dem Plenum vorgelegt werden. | |
| ## Gruppendruck und gute Stimmung | |
| Der Plan: Es wird nicht mehr verhandelt. Die Konferenz muss entscheiden, ob | |
| sie das Kompromisspapier akzeptiert, wenn sich das Plenum kurz vor vier Uhr | |
| am Nachmittag wieder trifft. Dann kommt es darauf an: Stellen sich einzelne | |
| Länder quer? Kippt die Stimmung im Saal, wenn Bremser ihre Bedenken | |
| vortragen und einen einmütigen Beschluss in Frage stellen? Es gibt dafür | |
| nur ein Gegenmittel: Begeisterung unter den Delegierten, Gruppendruck, gute | |
| Stimmung im Saal. | |
| Dafür ist Laurent Fabius zuständig. Der französische Außenminister und | |
| Präsident der Konferenz betritt um 11:55 die Bühne. Ein paar Minuten vor | |
| ihm haben auf dem breiten Podium relativ unbemerkt Frankreichs Präsident | |
| Francois Hollande und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Platz genommen. Aber | |
| als Fabius mit müdem Gesicht und Augenringen seinen Platz einnimmt, erheben | |
| sich die Delegierten zu langem Applaus. | |
| Fabius, so die verbreitete Meinung unter den Delegierten, hat einen | |
| großartigen Job gemacht: Die Vertreter von 195 Staaten mit Umsicht und | |
| Fingerspitzengefühl durch die Tage geleitet, Kompromisse ausgelotet, offen | |
| für alle Seiten und sogar fast im Zeitplan. Eine Sternstunde der | |
| französischen Diplomatie. Nun soll eine Sternstunde der internationalen | |
| Klimadiplomatie folgen. Neben Fabius sitzt Francois Hollande im grauen | |
| Anzug, hinter ihm Umweltministerin Ségolène Royal im blauen Blazer. Im | |
| Dreigestirn der französischen Sozialisten hat Fabius immer den kürzeren | |
| gezogen. | |
| ## „Ein historischer Wendepunkt“ | |
| Heute ist sein Tag. Heute ist er Präsident. Und er hält eine engagierte | |
| Rede: „Dieses Abkommen ist differenziert, fair, ehrgeizig, ausgewogen, | |
| dynamisch und verbindlich“, sagt er. Es habe alles, was gefordert werde: | |
| eine Erwähnung des 1,5 Grad-Ziels, Finanzzusagen für die Armen, | |
| Gerechtigkeit, die Anerkennung unterschiedlicher Rechte und Pflichten. Aber | |
| natürlich müssten alle Kompromisse machen. | |
| Geschickt nimmt Fabius all die Formulierungen auf, die den Staaten wichtig | |
| sind: „Klimagerechtigkeit“, „grüne statt rote Linien“, er erwähnt Afr… | |
| Lateinamerika, die Inselstaaten und er verspricht auch Hilfe für die | |
| Staaten, deren Wirtschaft von Kohle und Öl abhängt. „Das ist ein | |
| historischer Wendepunkt“, sagt Fabius, der immer wieder vom Beifall | |
| unterbrochen wird. Die Mitglieder der „High Ambition Coalition“ leisten | |
| lautstarke Unterstützung. | |
| Danach kommen der UN-Generalsekretär und Francois Hollande. Auch sie | |
| beschwören „alle Mann an Deck“, wie Ban Ki Moon sagt, den Interessen der | |
| Einzelnen sei durch gemeinsame Aktion am besten gedient. Und auch sie | |
| stimmen die Delegierten auf etwas Großes ein, an dem sie teilhaben: Einen | |
| „historischen Moment“, wie ihn Hollande nennt, „einen großen Schritt für | |
| die Menschheit“. Er sei stolz darauf, dass dieses Abkommen in Paris | |
| getroffen werde, das „vor fast genau einem Monat angegriffen wurde“. | |
| Dann sollte der Text eigentlich verteilt werden. Aber er ist noch nicht | |
| fertig, sagt Fabius. In allerletzter Minute hat China noch eine Änderung in | |
| das Papier schreiben lassen, heißt es hinter den Kulissen. Fabius nimmt es | |
| französisch locker: „Der Text kommt in einer Stunde. Bis dahin sollten wir | |
| alle etwas essen gehen.“ | |
| 12 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
| ## TAGS | |
| Weltklimaabkommen | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Laurent Fabius | |
| Francois Hollande | |
| Ségolène Royal | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Das Klimaabkommen von Paris: Vertrauen ist Verhandlungssache | |
| Im Dezember wäre das Klimaabkommen von Paris fast gescheitert und wurde von | |
| einer Politik des Vertrauens gerettet. Nun wird der Deal besiegelt. | |
| Stimmen zum Pariser Klimaabkommen: Wie geil ist das denn? | |
| Von Jubel bis zu strikter Ablehnung. Der Klimavertrag ruft bei Politik, | |
| Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemischte Reaktionen hervor. Eine | |
| Auswahl. | |
| Kommentar Weltklimaabkommen: Kleiner Hammer, große Wirkung | |
| Das Abkommen von Paris ist revolutionär. Es beweist: Erfolge beim | |
| Klimaschutz sind möglich, wenn die Koalitionen stimmen. | |
| Beschluss des Klimaabkommens in Paris: Da hat er ein wenig getrickst | |
| Zack! Als der ehrgeizige Klimavertrag in Gefahr gerät, hämmert ihn der | |
| Konferenzpräsident Fabius einfach durch. Und alle lieben ihn dafür. | |
| COP21-Demos in Paris: Die gegen den Gipfel tanzen | |
| In Paris protestiert die Zivilgesellschaft zum Abschluss des | |
| Weltklimagipfels in großem Stil – trotz des offiziellen | |
| Demonstrationsverbots. | |
| Weltklimaabkommen in Paris: Der Hammer von Le Bourget | |
| Mit einem kräftigen Schlag wird das Klimaabkommen besiegelt. Jetzt muss nur | |
| noch die Weltwirtschaft komplett umgebaut werden. | |
| Speisen im Insektenrestaurant: Essen wie Gott auf Horrortrip | |
| Der Chef serviert Ameisen, Bambusmaden und gegrillte Grillen an Guacamole. | |
| Es wird bitter, dann leicht nussig – und gut fürs Klima ist es noch dazu. | |
| Vertragsentwurf der Klimakonferenz: 29 Seiten, 48 Stunden | |
| Konferenzpräsident Fabius legt den entscheidenden Vertragsentwurf vor. | |
| Jetzt zeigt sich, wie wirksam hinter den Kulissen gearbeitet wurde. | |
| Indien gegen den Klimawandel: Delhi will Gerechtigkeit | |
| Die indische Regierung fordert von den Industrieländern mehr Klimaschutz. | |
| Dafür verspricht sie mehr Energieeffizienz. | |
| Radikale Wechsel in der Umweltpolitik: Und plötzlich Klimaschutz | |
| Politische Machtwechsel entscheiden über die ökologische Zukunft eines | |
| Landes. Auf der COP21 führt das derzeit zu ungewohnten Koalitionen. | |
| Schwarzenegger und Brown übers Klima: „Es geht ums Überleben“ | |
| Arnold Schwarzenegger und sein Amtsnachfolger, Gouverneur Jerry Brown, | |
| haben eine Mission – die USA von den Gefahren des Klimawandels zu | |
| überzeugen. |