| # taz.de -- Streitgespräch über Glauben: Wenn an Moscheen „Mörder“ steht | |
| > Wie deutsch muss der Islam hier sein? Ein Streitgespräch zwischen dem | |
| > Grünen Cem Özdemir und Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der | |
| > Muslime. | |
| Bild: In der Moschee. | |
| taz.am wochenende: Cem Özdemir bekam beim Grünen-Parteitag Ende November | |
| viel Applaus für den Satz, dass kein heiliges Buch über der Verfassung | |
| stehe. Herr Mazyek, steht für Sie der Koran über dem Grundgesetz? | |
| Aiman Mazyek: Zum einen ist für mich die Demokratie die gegenwärtig beste | |
| Staatsform. Zum anderen sind das zwei verschiedene Dinge: Das eine ist | |
| unsere Verfassung, und das andere ist ein heiliges Buch, wie die Thora und | |
| das Evangelium es auch sind. Das ist, wie Äpfel und Birnen zu vergleichen. | |
| Ich dachte, wir wären schon weiter. Da schwingt das gleiche Vorurteil mit | |
| wie in dem Gerede der CDU-Politikerin Julia Klöckner von einem Bekenntnis, | |
| wonach die Scharia nicht über dem Grundgesetz stehen dürfe. Das suggeriert: | |
| Die Muslime sind alle eine Art fünfte Kolonne, eine subversive Gruppe. Das | |
| ist fatal. Sie schlagen da ja eine ähnliche Rhetorik an, Herr Özdemir. | |
| Cem Özdemir: Das ist doch Quatsch! In meiner Rede ging es keineswegs | |
| pauschal um Muslime, sondern um Extremisten und die Pariser Anschläge. Ich | |
| habe großen Respekt vor Religionen und logischerweise besonders vor der, | |
| der ich entstamme. Wir sind doch die Ersten, die gegen Rassismus und | |
| Stereotype kämpfen. Aber gerade als Freunde wollen wir auch über schwierige | |
| Themen reden. | |
| In Baden-Württemberg gibt es viele Christen, die die Bibel über das | |
| Grundgesetz stellen würden. Ist das ein Problem? | |
| Özdemir: Als persönliche Haltung mag das in Ordnung sein. Sobald es um das | |
| Handeln in der Gesellschaft geht, ist klar, was gilt. Zum Beispiel, dass | |
| Gewalt als Mittel der Erziehung ausgeschlossen ist. Studien zufolge sind | |
| nun mal Jugendliche in muslimisch geprägten Familien häufiger Gewalt | |
| ausgesetzt als ihre Altersgenossen. | |
| Mazyek: Warum müssen wir das wieder so religiös konnotieren? | |
| Özdemir: Die Gewalttäter argumentieren ja oft selbst mit dem Islam. | |
| Mazyek: Da schwingt doch eine indirekte Aufforderung an die Muslime mit, | |
| ein Bekenntnis abzulegen. Was für mich wichtig oder unwichtig ist, ist doch | |
| meine Sache, solange ich mich an die Gesetze halte. Genau das garantiert | |
| mir ja die Verfassung: Die fragt nicht nach intimen Bekenntnissen und macht | |
| auch keine Gesinnungstests. Das Grundgesetz ist der größte und stärkste | |
| Anwalt der Muslime. Da wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir | |
| uns davon distanzieren würden. | |
| Özdemir: Dann sagen Sie doch: Da sind wir uns einig, dass das Grundgesetz | |
| maßgeblich ist. | |
| Mazyek: Das habe ich schon tausendmal gesagt! | |
| Özdemir: Dann fühlen Sie sich doch nicht angegriffen! Seien Sie nicht | |
| gleich beleidigt. | |
| Mazyek: Ich bin nicht beleidigt! Ich fühle mich lediglich ungehört. Es ist | |
| anstrengend, wenn man mit Wort und Tat seit je für das Grundgesetz einsteht | |
| und einige einem das schlichtweg nicht abnehmen wollen. | |
| Herr Özdemir, Herr Mazyek, wie deutsch muss der Islam werden, um wirklich | |
| zu Deutschland zu gehören? | |
| Özdemir: Die muslimischen Gläubigen müssen einfach zu Inländern werden, | |
| sofern sie es nicht schon sind, und sich in die deutsche Gesellschaft | |
| einbringen – so, wie die Gesellschaft auf sie zugehen muss. | |
| Mazyek: Muslime sind längst Inländer, haben sich in den vergangenen 15 | |
| Jahren noch mal verstärkt auf diese Gesellschaft eingelassen. Und die | |
| Grünen schienen ein Programm für die Muslime zu haben: den Islam einbürgern | |
| und ihn mit den christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden gleichstellen. | |
| Aber in diesem Prozess grätschen Sie jetzt auf halbem Weg dazwischen. Nach | |
| dem Signal des letzten Parteitag fragen wir uns: Können wir noch auf die | |
| alten Zusagen der Grünen vertrauen? | |
| Sie meinen das Papier, das Cem Özdemir mit dem Bundestagsabgeordneten | |
| Volker Beck vorgestellt hat? Es geht auf Distanz zu den muslimischen | |
| Verbänden und spricht sich zum jetzigen Zeitpunkt gegen deren Wunsch nach | |
| rechtlicher Anerkennung als Religionsgemeinschaft aus. | |
| Mazyek: Es scheint in der Tat eine Rolle rückwärts zu sein, womöglich | |
| rücken sie von bisherigen Positionen ab – und das in einer Zeit, in der | |
| Islamfeindlichkeit zunimmt. Mit so einer Politik spielen Sie denen in die | |
| Hände, die immer gesagt haben: Schaut her, ihr könnt euch noch so viel | |
| drehen und wenden, wir Muslime werden nie ein gleichberechtigter Teil | |
| dieser Gesellschaft werden. Auch die Politik muss verlässlich sein, nicht | |
| nur die Muslime. | |
| Woran liegt es, dass Muslime in Deutschland immer noch nicht als | |
| Religionsgemeinschaft anerkannt sind wie Christen und Juden? | |
| Özdemir: Es geht uns doch gar nicht um die Frage, ob wir den Islam | |
| einbürgern wollen. Was denn sonst? Schließlich gehören die Muslime genauso | |
| zu Deutschland und Europa, wie es ihre Religion tut. Es geht um das Wie. | |
| Unsere Kritik gilt nicht den Muslimen, wie Herr Mazyek es darstellt, | |
| sondern der Annahme, dass es ohne Veränderung quasi zwangsläufig auf eine | |
| Anerkennung der vier muslimischen Verbände als Religionsgemeinschaften | |
| hinausläuft. Bei denen stehen ganz eindeutig Herkunftsland, Sprache oder | |
| Politik im Zentrum, nicht aber die Religion, wie es das Recht in | |
| Deutschland vorsieht. Hinzu kommt, dass nur etwa 25 Prozent der Muslime in | |
| Deutschland von den vier großen Verbänden repräsentiert werden und sich | |
| mittlerweile unabhängige Verbände bilden. Kurzum: Die Verbände müssen sich | |
| weiterentwickeln. | |
| Mazyek: Fakt ist, dass etwa 90 Prozent aller Moscheegemeinden in den vier | |
| großen Islamverbänden organisiert sind. Und wer sich daran beteiligen will: | |
| herzlich willkommen! Wer einen neuen Klub aufmachen will, ebenfalls. Das | |
| sind die Spielregeln der Demokratie. | |
| Özdemir: Es geht aber auch darum, ob es verfassungsrelevante Vorbehalte | |
| gegen Gruppen oder Vereine gibt. Als Politiker kann ich nicht zuschauen, | |
| wie sich das in die falsche Richtung entwickelt, weil es eine massive | |
| Einflussnahme aus anderen Ländern gibt. | |
| Was meinen Sie damit? | |
| Özdemir: Der salafistische Islam wurde über Jahre hinweg aus Saudi-Arabien | |
| mit viel Geld gefördert. Der Islam, den ich von meiner Mutter gelernt habe, | |
| ist ein Sufi-Islam. Er wird von den Salafisten genauso bekämpft wie | |
| Schiiten, Aleviten und alle anderen. Da muss man doch sagen: Wir nehmen den | |
| Fehdehandschuh auf – unser Islam ist nicht der der Salafisten. | |
| Mazyek: Wir vertreten auch Sufivereine. Und Neosalafisten haben bei uns | |
| nichts verloren. Aber bitte vermengen Sie doch nicht stets auf unsere | |
| Kosten Außen- und Innenpolitik. Klar gibt es ein riesiges außenpolitisches | |
| Versagen, was die Unterstützung autoritärer Regime in der Region angeht. | |
| Sowohl die aktuelle Bundesregierung als auch die in den Jahren davor, der | |
| die Grünen angehörten, haben da viele Fehler gemacht. Aber die deutschen | |
| Muslime haben damit doch wenig zu tun. | |
| Özdemir: Die meisten organisierten Muslime in Deutschland gehören zu | |
| Gemeinden des Dachverbandes Ditib. Und der türkische Staat bestimmt, wer | |
| der Vorsitzende von Ditib in Deutschland ist. De facto ist der oberste | |
| Theologe in Ankara also der Staatspräsident. Es ist nicht akzeptabel, dass | |
| der türkische Staatspräsident darüber entscheidet, welche Interpretation | |
| des Islams auch hier in Deutschland die legitime ist. | |
| Mazyek: Nochmals: Bitte keine Außenpolitik über Religionspolitik. Ähnliche | |
| Verbindungen gibt es doch bei anderen Religionsgemeinschaften auch: bei der | |
| griechisch-orthodoxen Kirche, den jüdischen Gemeinden, dem Vatikan. Warum | |
| muss man das Thema immer an den Muslimen festmachen? | |
| Özdemir: Auch hier spreche ich über die Verbandsstrukturen. Ich finde es | |
| klasse, was gerade die Frauen in Ditib-Moscheen für eine tolle Arbeit | |
| machen – etwa in der Gewaltprävention für Jugendliche, die in den | |
| Dschihadismus zu entgleiten drohen. Aber das machen die ausdrücklich ohne | |
| ihre Ditib-Zentrale. Ankara muss die Muslime freigeben. Wir müssen darauf | |
| bestehen. | |
| Ist der Wahlkampf in Baden-Württemberg der Grund dafür, dass Sie so scharf | |
| mit den Verbänden ins Gericht gehen, Herr Özdemir? | |
| Özdemir: Das ist Quatsch. Ich will ja, dass Muslime dieselbe Rolle spielen | |
| wie evangelische, katholische und jüdische Gemeinden. Ich bin fest davon | |
| überzeugt, dass wir Ansprechpartner brauchen – etwa um zu verhindern, dass | |
| Radikale die Gefängnisseelsorge und die Sozialarbeit übernehmen. Das dürfen | |
| aber keine Organisationen sein, die selbst Teil des Problems sind. | |
| Mazyek: Der Zentralrat der Muslime hat sich immer gegen den Terror in Wort | |
| und Tat positioniert – etwa durch die Veranstaltung am Brandenburger Tor | |
| Anfang des Jahres nach den Anschlägen gegen Charlie Hebdo. | |
| Özdemir: Es reicht mir nicht, wenn die Muslime sagen, der Terror von | |
| Dschihadisten habe nichts mit dem Islam zu tun. Man muss diese Debatte | |
| aktiv in den muslimischen Gemeinden führen. Sie, Herr Mazyek, leisten sehr | |
| wichtige Arbeit. Das sage ich auch immer wieder. Bei der Veranstaltung am | |
| Brandenburger Tor haben wir ja zusammen mobilisiert. | |
| Herr Mazyek, spüren Sie nach den Anschlägen von Paris mehr Misstrauen gegen | |
| Muslime? | |
| Mazyek: Ressentiments und Diskriminierung nehmen zu, ja. Das ist nicht neu, | |
| es ist in den letzten Jahren immer stärker geworden. Zwei Tage nach den | |
| Anschlägen in Paris wurde in Saarbrücken der Eingang einer unserer Moscheen | |
| beschmiert. Dort stand dann „Mörder“ und „Schweine“. | |
| Wie haben Pegida und AfD den Diskurs verändert? | |
| Mazyek: Die Hemmschwelle ist gesunken. Es ist salonfähiger geworden, sich | |
| offen rassistisch zu äußern. Die Gesellschaft war immer gut beraten, das zu | |
| sanktionieren. Was den Antisemitismus betrifft, wird das zumindest im | |
| öffentlichen Diskurs weitestgehend eingehalten, mit großen Anstrengungen. | |
| Aber auch da muss man ständig kämpfen, der Antisemitismus ist deswegen am | |
| Stammtisch ja nicht weniger geworden. Bei der Muslimfeindlichkeit begreift | |
| man erst jetzt, dass man ähnliche Sanktionsmechanismen braucht. Wir | |
| diskutieren deshalb gerade mit den Behörden darüber, wie man | |
| islamfeindliche Straftaten gesondert erfasst. | |
| Özdemir: Ganz klar: Wir müssen Muslimfeindlichkeit bekämpfen wie alle | |
| anderen menschenfeindlichen Ideologien. Wenn ich mir die Kommentare auf | |
| meiner Facebook-Seite anschaue, dann ist da viel mehr in dieser Richtung | |
| dabei als noch vor zwei Jahren. Es gibt auch türkische und kurdische | |
| Einträge mit sehr krudem Inhalt. | |
| Was erwarten die Islamverbände eigentlich von den Grünen? Die meisten | |
| gläubigen Muslime wären doch bei der CDU besser aufgehoben. Im | |
| konservativen Familienbild sind sie sich ja einig. | |
| Mazyek: Das Parteiprogramm der Union ist für viele Muslime sicher | |
| interessant. Aber oft haben sie ein Problem mit der konkreten CDU-Politik. | |
| Bei den Grünen war es bisher umgekehrt: Da gibt es im Programm durchaus | |
| einiges, das schwer verdaulich ist. Aber ihre Politik für Muslime war offen | |
| und modern. Mein Tipp: Bleibt bei dieser Politik. | |
| Özdemir: Gerade weil wir uns vor Muslime stellen, wenn sie angegriffen | |
| werden, ergibt sich daraus auch die Aufgabe, über schwierige Themen zu | |
| reden. | |
| Mazyek: Nur laufen wir dabei im Diskurs momentan Gefahr, auf alte Rezepte | |
| zurückzugreifen, die überhaupt nicht funktioniert haben: weniger Freiheit, | |
| mehr Sicherheit und noch mehr Stigmatisierung von Muslimen. Das hat | |
| letztendlich dazu geführt, dass wir schon wieder die nächste Generation von | |
| Extremisten haben. Der Präsident Afghanistans sagte bei seinem | |
| Deutschlandbesuch, der IS sei nicht die Nachfolgegeneration von al-Qaida, | |
| sondern schon Stufe sechs. Und das ist auch das Ergebnis einer völlig | |
| verfehlten Politik, die auf mehr Krieg und mehr Repression setzt, auch | |
| gegen Muslime. Dabei brauchen wir eine Allianz aller friedliebenden | |
| Menschen gegen die Extremisten, und dazu zählen auch die Muslime in ihrer | |
| absoluten Mehrheit. | |
| Özdemir: Natürlich verläuft die Trennlinie nicht zwischen den Religionen, | |
| sondern zwischen denen, die glauben, dass Menschen, egal welcher Herkunft | |
| sie sind, zusammenleben können, und denen, die das in Abrede stellen. | |
| Klingt harmonisch. Zwischen kämpferischen Atheisten und Islamverteidigern | |
| bei den Grünen gibt es keine Konflikte? | |
| Özdemir: Natürlich gibt es bei uns Leute, die für eine völlige Trennung von | |
| Staat und Religion nach französischem Modell der laïcité sind. Ich glaube, | |
| dass wir mit dem deutschen Modell alles in allem gut gefahren sind. | |
| Prominente Grüne sind ja auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken | |
| oder bei der EKD aktiv. Genauso gibt es einen Arbeitskreis grüner Muslime. | |
| Ich finde das spannend. | |
| Spannend heißt spannungsreich? | |
| Özdemir: Für mich kommt es darauf an, ob wir gemeinsam vorankommen. Ich | |
| streite mich auch mit der katholischen Kirche, weil ich etwa nicht einsehe, | |
| warum der Steuerzahler für den Ruhestand eines Exbischofs Walter Mixa | |
| aufkommen soll. Wir schonen auch nicht die, mit denen wir in anderen Fragen | |
| – Stichwort Flüchtlinge – sehr eng zusammenarbeiten. Dieser Disput gehört | |
| für uns in einer religiös pluralen und säkularen Gesellschaft dazu. Und wir | |
| haben eine klare Haltung. In einer freiheitlichen Gesellschaft sollten zum | |
| Beispiel die Leute selber entscheiden, wie sie sich anziehen. Zwang darf es | |
| dabei in keine Richtung geben. | |
| Sie sprechen das Kopftuch an – die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg | |
| hat ein neues Schulgesetz auf nach den Wahlen vertagt. Aus Angst vor dem | |
| Wähler? | |
| Özdemir: Nicht unseretwegen, sondern wegen unseres Koalitionspartners. Ich | |
| habe mich immer dafür eingesetzt, dass sich Frauen kleiden, wie sie es | |
| wollen. Dazu gehört auch das Recht einer Lehrerin, ein Kopftuch zu tragen. | |
| Es sei denn, sie wurde gezwungen, es zu tragen, oder sie trägt es mit | |
| missionarischer Absicht – sagt also den Mädchen: Ihr müsst das auch tragen, | |
| sonst seid ihr schlechte Musliminnen. Das ist die rote Linie. | |
| Und der Ganzkörperschleier? Julia Klöckner und andere in der Union würden | |
| ihn ja gern verbieten lassen. Ein solches Burkaverbot finden auch manche | |
| Grüne gut. | |
| Özdemir: Ich persönlich halte die Ganzkörperverschleierung für | |
| frauenfeindlich und zutiefst menschenverachtend. Aber ich glaube nicht, | |
| dass es Frau Klöckner wirklich um die Frauen geht. Ich lade Frau Klöckner | |
| ein, mit mir zusammen zu fordern: Keine Panzer nach Saudi-Arabien und in | |
| die Golfstaaten. Das sind nämlich die Länder, aus denen die Ideologie | |
| kommt, die Frauen den Ganzkörperschleier vorschreibt. Das ist so eine | |
| Ersatzhandlung, sich an den drei voll verschleierten Frauen, die es hier | |
| vielleicht gibt, abzuarbeiten, ohne sich mit den saudischen Freunden | |
| anzulegen. | |
| Mazyek: Wenn man es wirklich ernst meint damit, den Islamismus zu | |
| bekämpfen, dann braucht man die Muslime als Partner. Damit fangen wir aber | |
| jetzt erst langsam an – jetzt, 14 Jahre nach 9/11! | |
| Viele der Jugendlichen, die sich radikalisiert haben und Terroristen | |
| geworden sind, haben ja nie eine Moschee von innen gesehen. Wie kann man | |
| diese Leute erreichen? | |
| Özdemir: Islamischer Religionsunterricht in der Schule, der auf dem Boden | |
| der Verfassung steht, hilft sicher, einer Radikalisierung vorzubeugen. Wir | |
| wissen: Das sind oft gescheiterte Existenzen, die sich de facto in der | |
| Religion überhaupt nicht auskennen und sich mit islamischen Versatzstücken | |
| ihr extremes Weltbild zurechtlegen, um daraus Selbstbewusstsein und | |
| Identität zu schöpfen. | |
| Mazyek: Extremismusprävention ist eine Querschnittsaufgabe. Da müssen | |
| Sportvereine eingebunden sein, Schulen, Familien und natürlich auch die | |
| Moscheegemeinden. | |
| Özdemir: Da sind wir einer Meinung. Aber in Deutschland haben wir zu wenig | |
| Theologen, die so eine Debatte führen und bestehen könnten und überhaupt an | |
| Jugendliche herankommen. Oft sprechen Importimame ja noch nicht mal | |
| vernünftig Deutsch und bringen je nach aktuellem Herrscher ihr | |
| Islamverständnis aus Ankara, Kairo oder von sonst wo mit. Wir müssen auch | |
| die theologische Dimension des Streits aufnehmen, sonst werden wir ihn | |
| nicht gewinnen. | |
| Mazyek: Wenn es um die religiöse Auseinandersetzung geht, sind doch gerade | |
| Ägypten und die Türkei, aber auch Jordanien und Marokko starke Partner im | |
| Kampf gegen Extremismus und IS. Aber natürlich brauchen wir mehr deutsche | |
| Imame, die hier geboren und aufgewachsen sind. Das streben wir als | |
| Religionsgemeinschaft an. Wenn man jetzt allerdings so einen harten Schnitt | |
| macht, befürchte ich, dass diese Entwicklung empfindlich gestört wird. Dann | |
| erreichen wir das Gegenteil. | |
| 25 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Philipp Gessler | |
| Daniel Bax | |
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