| # taz.de -- Amnesty-Sprecher Bosch über Aufklärung von Polizeigewalt: „Es g… | |
| > Der Landtag von Schleswig-Holstein debattiert über das Amt eines | |
| > Polizeibeauftragten – der soll außerhalb der Behörde angesiedelt werden. | |
| Bild: Unverhältnismäßiger Einsatz von Gewalt? Polizisten führen einen Mann … | |
| taz: Herr Bosch, im Kieler Landtag wollen die Regierungsfraktionen heute | |
| beschließen, [1][die Stelle eines Polizeibeauftragten außerhalb der Polizei | |
| zu schaffen]. Was halten Sie davon? | |
| Andreas Bosch: Als Menschenrechtler begrüßen wir eine solche externe | |
| Stelle, die die Polizeiarbeit auf Menschenrechtsverletzungen überprüft. In | |
| einem Rechtsstaat muss staatliche Gewalt maximal kontrolliert werden. Aber | |
| wir wünschen uns eine Institution, die darüber hinausgeht. | |
| Was heißt das? | |
| Es ist gut, wenn ein Beauftragter auch interne Mechanismen und Strukturen | |
| der Polizei überprüfen kann. Aber bei Fehlverhalten dürfen nicht Polizisten | |
| gegen Polizisten ermitteln. In Schleswig-Holstein ist das so geplant. | |
| In Bremen zum Beispiel ist eine Abteilung für interne Ermittlungen beim | |
| Innensenator angesiedelt. Wieso sollte polizeiliches Fehlverhalten nicht | |
| auch von erfahrenen ErmittlerInnen untersucht werden? | |
| Die Praxis zeigt immer wieder, dass Mechanismen existieren, die dagegen | |
| sprechen – häufig kennen sich die Kollegen und auch der Innensenator ist ja | |
| noch für die Polizei zuständig. Aus unserer Sicht – aber auch aus Sicht des | |
| Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – sind effektive Ermittlungen | |
| nur sinnvoll, wenn sie extern und nicht von einer der eigenen Dienststellen | |
| erfolgen. Wenn man PolizistInnen etwa auf den DFB oder VW anspricht, trauen | |
| sie diesen Institutionen oder Firmen auch nicht zu, gegen sich selbst zu | |
| ermitteln. | |
| Die Polizei-Gewerkschaften kritisieren das als Misstrauensvotum gegen die | |
| Polizei. | |
| Es geht nicht um Misstrauen. Die Polizei macht in den meisten Fälle gute | |
| Arbeit, aber bei sich selbst deckt sie Fehlverhalten eben oft nicht auf. | |
| Teilweise liegt das auch daran, dass immer noch nicht flächendeckend eine | |
| Kennzeichnungspflicht durchgesetzt ist. | |
| Sie sprechen von Menschenrechtsverletzungen. Was meinen Sie damit? | |
| Oft wird das Verhältnismäßigkeitsgebot nicht beachtet, es geht um | |
| Übergriffe gegen Demonstranten, Fußballfans aber auch gegen Einzelpersonen. | |
| Ich meine etwa die Schläge und Tritte, zu denen es kommt, wenn jemand schon | |
| längst überwältigt wurde. In Gewahrsamsräumen wird immer wieder von solchen | |
| Fällen berichtet. Von Folter aber würde ich nicht sprechen – außer in dem | |
| Fall, in dem in Hannover Polizeibeamte gegen Flüchtlinge in der Zelle | |
| vorgegangen sind. | |
| Wie häufig kommt das vor? | |
| Gewalttätigkeiten müssen wir sehr häufig dokumentieren – übrigens besonde… | |
| oft gegen Ausländer. Man spricht im Jahr durchschnittlich von 2.000 bis | |
| 3.000 Anzeigen gegen PolizistInnen wegen missbräuchlicher Gewaltanwendung. | |
| Davon kommt allerdings nur ein Bruchteil zur Anklage. | |
| Dass die Anzeigen nicht zu Verfahren führen, ist genau das Problem. Die | |
| häufigsten Vorfälle haben wir bei der Bereitschaftspolizei, vor allem bei | |
| Großlagen und Demonstrationen, wo die Beamten kaum zu identifizieren sind. | |
| Und natürlich gibt es auch einen Korpsgeist, dass Kollegen nicht gegen ihre | |
| Kollegen aussagen. | |
| Aber daran ändert eine externe Beschwerdestelle auch nichts. | |
| Das stimmt, aber an einen Polizeibeauftragten kann sich ein Beamter auch | |
| anonym wenden, ohne später auf der Dienststelle als Nestbeschmutzer | |
| beschimpft zu werden. | |
| In den Niederlanden und Großbritannien gibt es schon lange eine externe | |
| Beschwerdestelle. Wie läuft es dort? | |
| In Großbritannien gibt es die „Independent Police Complaints Commission“, | |
| die IPCC, die gerade bei größere Fällen von polizeilichem Fehlverhalten zum | |
| Einsatz kommt oder wenn Schusswaffen zum Einsatz kamen. Sie ermittelt | |
| eigenständig – an Stelle der Staatsanwaltschaft. In bestimmten Fällen | |
| überwacht die IPCC auch die reguläre Ermittlungsarbeit der Polizei. | |
| In welchen Fällen? | |
| Die IPCC greift etwa ein, wenn auffällt, dass die Behörde nur in eine | |
| Richtung ermittelt. Beim NSU wäre so eine Stelle sehr hilfreich gewesen. | |
| Seit wann beschäftigt sich Amnesty International mit dem Thema | |
| Polizeigewalt? | |
| Bei Amnesty begann das Anfang der 1990er-Jahre mit einem Bericht zu | |
| Rassismus innerhalb der Polizei. | |
| Was hat sich verändert? | |
| Damals wurden wir vor allem beschimpft. Auch heute teilen viele | |
| PolizistInnen unsere Forderungen nicht, aber wir befinden uns im Dialog. | |
| 16 Dec 2015 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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