# taz.de -- Flüchtlingsdebatte in der Union: Ultimatum mit was denn bloß | |
> Horst Seehofer droht der Kanzlerin mit Konsequenzen, sollte die Zahl der | |
> Flüchtlinge nicht sinken. Doch sein Krawallpotenzial ist begrenzt. | |
Bild: Horst Seehofer (Mitte): Ein Mann, der weiß, was er tut. Oder auch nicht. | |
BERLIN taz | Beim Thema Flüchtlinge ist Horst Seehofer (CSU) mittlerweile | |
ein Meister der Ankündigungen. Vor zwei Wochen drohte Bayerns | |
Ministerpräsident bereits mit einer Verfassungsklage, sollte die – von | |
seiner CSU übrigens mit geführte – Bundesregierung nicht für die Einhaltung | |
geltender Gesetze sorgen. Die Klage blieb bislang bekanntlich aus. An der | |
großen Anzahl von Flüchtlingen, die tagtäglich von Österreich aus in Bayern | |
eintreffen, hat sich seither aber nichts geändert – eher sind es noch mehr | |
geworden. | |
Nun hat Seehofer der Bundesregierung am Dienstag ein Ultimatum gestellt: | |
Bis zum Sonntag soll Angela Merkel die Zuwanderung von Flüchtlingen | |
begrenzen. | |
Und was, wenn (wie jedem klar sein müsste) das nicht geht? Will Horst | |
Seehofer dann die erschöpften Flüchtlingsfamilien an der Grenze zurück | |
Richtung Syrien schicken? Will er einen Zaun zu Österreich errichten | |
lassen? Wird er die Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern bis auf Weiteres | |
schließen? Wohl kaum. | |
Ebenso unwahrscheinlich ist, dass Seehofer die Fraktionsgemeinschaft seiner | |
CSU mit der CDU in Berlin aufkündigt oder von dort gar seine drei | |
Bundesminister abzieht. Ein solch radikaler Schritt würde seine | |
Abgeordneten, die stolzen Statthalter Bayerns in Berlin, zu | |
parlamentarischen Statisten degradieren. Die kolportierte Kündigungsdrohung | |
kanzelte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch gegenüber der taz denn auch | |
als „Kasperletheater“ ab, das angesichts der ernsten Situation in | |
Deutschland und Europa „einer Regionalpartei unangemessen“ sei. | |
Die Begrenztheit der eigenen Möglichkeiten sich vergegenwärtigend, bemühten | |
sich die Rivalen am Mittwoch erkennbar um Abrüstung. | |
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt widersprach Spekulationen, dass | |
ihre Partei im Streit über die Flüchtlingsfrage den Koalitionsbruch | |
riskieren könnte. „Die CSU hat Regierungsverantwortung. Die nehmen wir | |
wahr“, beruhigte sie ihre Abgeordneten. Weder die Aufkündigung der | |
Fraktionsgemeinschaft noch der Abzug der CSU-Minister aus der | |
Bundesregierung würden erwogen. | |
Angela Merkels Sprecher verwies auf ein klärendes Gespräch, das für Sonntag | |
zwischen der Kanzlerin, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Horst Seehofer | |
verabredet ist. Das Treffen sei eine Gelegenheit, „auf die Sorgen der | |
verschiedenen Partner einzugehen“, sagte Steffen Seibert. In der Regierung | |
sei „ständige gegenseitige Information notwendig“. Das für das Wochenende | |
geplante Spitzentreffen sei im übrigen Teil einer lange verabredeten Reihe | |
von Beratungen zur Flüchtlingspolitik. | |
Und in München nahm schließlich selbst der eben noch so aufgebrachte Horst | |
Seehofer einen Gang raus. „Ich hoffe, das löst sich alles auf am | |
Wochenende“, sagte Seehofer am Rande einer Landtagssitzung in München. „Wir | |
sind da ganz fest und hart in der Sache, aber ich möchte jetzt erst die | |
Gespräche führen.“ Bei dem Spitzentreffen am Wochenende werde es am Samstag | |
zuerst ein Gespräch zwischen ihm und der Bundeskanzlerin geben. Am Sonntag | |
würden sich dann alle Parteichefs der Koalition abstimmen. | |
Im Bayerischen Landtag sagte Seehofer, er wünsche sich „nach wie vor das | |
Gute, nämlich eine Verständigung über die Maßnahmen zur Begrenzung“. Einen | |
Bild-Bericht, wonach er als „Ultima Ratio“ den Rückzug der CSU-Minister aus | |
dem Bundeskabinett erwäge, dementierte er nicht. Er sagte nur, zu | |
„einzelnen Spekulationen“ sage er nichts. „Wir sind auf alles vorbereitet, | |
juristisch, politisch, prüfen dieses, jenes.“ Was aber letzten Endes zu | |
machen sei, könne er erst nach den Gesprächen am Wochenende entscheiden. | |
Dass die Schwesterpartei CDU zwar nicht auf Krach aus ist, aber sehr wohl | |
um ihre eigene Bedeutung weiß, kann man den Worten der stellvertretenden | |
Parteivorsitzenden entnehmen. Die Art und Weise, wie Bayern die | |
Flüchtlingssituation stemme, verdiene „großen Respekt“, sagte Julia | |
Klöckner der taz. Sie verstehe „Horst Seehofers Frust“ über den | |
unkoordinierten Ablauf von österreichischer Seite. Kein Land dürfe über | |
Nacht und ohne Vorwarnung Tausende Flüchtlinge an die deutsche Grenze | |
bringen, das sei selbst für die beste Verwaltung nicht zu schaffen. | |
„Ultimaten aber helfen uns nicht weiter“, sagte Klöckner. Sie verwies auf | |
den „guten Weg“, den die Bundesregierung mit dem im Eiltempo | |
verabschiedeten Asylbeschleunigungsgesetz beschritten habe. „Und für die EU | |
gilt: Die Gemeinschaft ist kein Schönwetterverein und Solidarität ist keine | |
Einbahnstraße.“ Mitgliedsländer, die sich aus dem Flüchtlingsthema | |
ausklinkten, müssten die Folgen zu spüren bekommen. Noch so eine Drohung. | |
28 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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