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# taz.de -- Gefälschte Abgastests: Der Diesel ist tot, es lebe der Diesel
> Die VW-Betrügereien bei Abgastests haben die Dieselmotoren insgesamt in
> Verruf gebracht. Am Ende sind sie noch lange nicht.
Bild: Auch so ein Stinker? Abgasuntersuchung bei einem VW Golf 2.0 Turbodiesel
Berlin taz | Der VW-Skandal um Betrügereien bei Abgastests hat schnell
einen Namen bekommen, der irreführend ist: Dieselgate. Zwar hat Volkswagen
bei einem Dieselmotor, nämlich dem EA 189, betrogen – aber das bedeutet
nicht, dass Dieselmotoren prinzipiell nicht abgasarm laufen könnten. Davon
überzeugt sind zumindest Techniker – und Umweltschützer. Für sie sind
effiziente Diesel-Pkws nötig, um beim Klimaschutz im Verkehr voranzukommen.
Waren früher Dieselautos vor allem etwas für hartgesottene Viel- und
Taxifahrer, die den rauen Klang des Motors liebten, sind sie heute längst
ein Massenphänomen geworden. Fast jedes dritte der mehr als 44 Millionen
Autos Deutschland ist ein Diesel, Tendenz steigend. Bei den Neuwagen ist
etwa jeder zweite ein Diesel. Auch in Frankreich, Spanien, Italien und
Großbritannien sind sie weit verbreitet; in den USA hingegen ist der
Dieselanteil gering.
„Alle Antriebsarten mit Verbrennungsmotor werden noch einige Zeit eine
Zukunft haben, auch der Diesel“, sagt Gerd Lottsiepen vom ökologischen
Verkehrsclub Deutschland (VCD). Es komme darauf an, sie effizient und
möglichst schadstofffrei zu machen. „Der Diesel hat ganz klar Vorteile auf
langen Strecken, er ist ein Vielfahrerauto.“ Das bedeutet: Bei Fahrzeugen
gleichen Typs kommt ein Diesel mit deutlich weniger Treibstoff aus als ein
Benziner.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Energiegehalt von
Dieselkraftstoff höher ist als der von Benzin. Aber dieser Effekt erklärt
noch nicht den ganzen Vorzug des Diesels: Er produziere – bei gleichem
Fahrzeug und gleicher Leistung – weniger klimaschädliches Kohlendioxid CO2
als der Benziner, so Lottsiepen.
Laut VCD-Umweltliste kommt etwa ein VW-Passat auf 113 Gramm CO2 pro
Kilometer, während der vergleichbare Diesel nur 95 Gramm pro Kilometer
emittiert – jeweils gemessen im Labor im derzeit geltenden Testzyklus.
Dieser Zyklus, der eine sehr defensive Fahrweise simuliert, bildet zwar
nicht die Realität auf der Straße ab, aber zum Vergleich der Fahrzeuge
untereinander – erst recht bei baugleichen Karosserien – taugt er schon.
Lottsiepen: „Der so ermittelte Unterschied zwischen Benziner und Diesel ist
durchaus realistisch.“
## Bei Stickoxiden ist der Diesel im Nachteil
Aber kann der Diesel wirklich sauber werden? Problematisch ist ja nicht nur
der Ruß bei alten Fahrzeugen, der durch Filter – mitunter nur unzureichend
– aufgefangen wird. Es sind auch die Stickoxide, die bei Menschen
Atemwegserkrankungen hervorrufen können. Sie entstehen bei der Verbrennung
des Treibstoffs, und da ist der Diesel im Nachteil gegenüber dem Benziner.
Etwa ein Viertel der Stickstoffdioxidbelastung in den Städten stammt laut
Deutscher Umwelthilfe von Diesel-Pkws. Weitere Anteile haben andere
Dieselfahrzeuge – etwa Lkws, Busse und Baumaschinen – sowie Benzinautos.
Etwa ein Drittel der Stickstoffdioxidbelastung stammt nicht vom Verkehr,
sondern kommt aus Gas-, Öl- und Holzheizungen sowie aus der Industrie.
„Die Technik zur Abgasreinigung ist vorhanden, auch beim Diesel“, sagt
Lottsiepen. Man müsse nur für strenge Grenzwerte sorgen und deren
Einhaltung überwachen. „Das Entscheidende ist die Kontrolle.“
Hohe Abweichungen bei Abgastests von Dieselfahrzeugen hat der
Autofahrerclub ADAC auch in Deutschland festgestellt, der seit 2003 in
einem eigenen Test jährlich rund 150 Pkws untersucht. Ergebnis: Die
Fahrzeuge halten zwar bei der Typprüfung den Grenzwert ein; im realen
Betrieb, insbesondere bei Autobahnfahrten, aber auch im Innerortsverkehr,
treten dagegen deutlich höhere Stickoxidemissionen auf.
## Drastische Abweichungen
Der Grund: Im derzeit geltenden Testzyklus sind keine starken
Beschleunigungen vorgesehen. „Gerade bei hoher Last und hohen
Verbrennungstemperaturen steigen die Stickoxidemissionen im Motor aber
stark an“, analysiert der ADAC. So ergäben sich Abweichungen um das 7- bis
20-fache zwischen dem Ist- und dem Normausstoß. Zur Erinnerung: Bei VW in
den USA gab es Abweichungen um Faktor 10 bis 40.
„Gesetzlich sollte ein sauberer Diesel in keinem Betriebszustand eine
höhere Abweichung vom Euro-6-Grenzwert zeigen als den Faktor 1,5“, sagt
Clubsprecher Christian Buric. Duch moderne Clean-Diesel-Technologie könnten
aber die Stickoxidemissionen im realen Betrieb um 90 bis 95 Prozent gesenkt
werden.
Auf solche Technologien will sich Volkswagen bei der Abgasreinigung künftig
besinnen. Auch wenn diese deutlich aufwendiger als bisherige sind.
13 Oct 2015
## AUTOREN
Richard Rother
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