# taz.de -- Studie zu Rassismus und Antisemitismus in Niedersachsen: Jeder sieb… | |
> In Niedersachsen findet jeder fünfte Deutsche Türken „als Nachbarn | |
> unangenehm“, jeder Dritte aus der Ex-Sowjetunion will keine homosexuellen | |
> Nachbarn. | |
Bild: Er gehört zur Gruppe mit den statistisch geringsten Vorurteilen: Der Dä… | |
HANNOVER | taz In Niedersachsen ist jeder siebte Einwohner | |
ausländerfeindlich eingestellt. Dies ist das Ergebnis einer großen Studie | |
des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Mit 48,1 | |
Prozent stimmt danach fast die Hälfte der Befragten der Aussage zu, „in | |
Deutschland lebende Ausländer sollten ihren Lebensstil besser an den der | |
Deutschen anpassen“. | |
Fast acht Prozent wollen Ausländern „jede politische Betätigung | |
untersagen“, und für knapp sechs Prozent sind MigrantInnen pauschal | |
„kriminell“. Jeder 20. findet sogar, Ausländer sollten nur untereinander | |
heiraten dürfen. | |
Dabei sind die KFN-Ergebnisse durchaus repräsentativ: Per Post hat das | |
renommierte Institut 10.000 zufällig ausgewählte Menschen zunächst | |
angeschrieben, ihnen danach einen 20-seitigen Fragebogen zugeschickt. | |
Geantwortet haben knapp 6.000 – was auch an einem Fünf-Euro-Schein gelegen | |
haben mag, der als Dank für die Teilnahme beilag. | |
Erschreckend ist dabei besonders die pauschale Abwertung bestimmter | |
Minderheiten – der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer prägte dafür den | |
Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. So lehnen in der | |
KFN-Befragung 19,5 Prozent der ethnischen Deutschen „Türken als Nachbarn“ | |
als „eher unangenehm“ ab; 8,5 Prozent wollen lieber nicht neben | |
Homosexuellen wohnen. | |
Allerdings ist diese Haltung nicht auf Deutsche beschränkt: Als besonders | |
homophob zeigten sich in Niedersachsen lebende MigrantInnen aus der | |
ehemaligen Sowjetunion und der Türkei. Von ihnen stufen mehr als ein | |
Drittel Schwule und Lesben als „unangenehme“ Nachbarn ein (siehe Kasten). | |
Deutlich messbar ist auch der Antisemitismus unter den Niedersachsen: So | |
wollen knapp sechs Prozent der deutschstämmigen, knapp neun Prozent der aus | |
Polen stammenden MigrantInnen und mehr als zwölf Prozent der Menschen mit | |
türkischen Wurzeln keine Juden in der Nachbarschaft. | |
Insgesamt seien diese Zahlen im bundesweiten Vergleich aber nicht | |
außergewöhnlich, sagt der stellvertretende KFN-Direktor Dirk Baier, der die | |
Studie geleitet hat: „In bisherigen Studien äußerten durchschnittlich etwa | |
20 Prozent der Befragten rechtsextreme Ansichten“, so der Diplom-Soziologe | |
zur taz. Niedersachsen scheine damit etwas weniger ausländerfeindlich als | |
der Rest der Republik, hofft Baier: „Positiv könnte man auch formulieren, | |
dass 85 Prozent der Niedersachsen nicht ausländerfeindlich eingestellt | |
sind.“ | |
Besonders aufgeklärt zeigen sich dabei Menschen aus Nord- und Westeuropa: | |
Antisemiten waren unter ihnen nicht auszumachen. Die Ablehnung anderer | |
Bevölkerungsgruppen ist bei ihnen deutlich geringer als bei Deutschen oder | |
Migranten aus der Türkei, aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion. | |
Mit 19,3 Prozent der Befragten geben sich dagegen besonders junge Deutsche | |
im Alter von 16 bis 20 ausländerfeindlich – und mit 21,1 Prozent auch Alte | |
mit 81 Jahren und mehr. „Jugendliche formulieren radikaler; wollen | |
rebellieren“, sagt der Soziologe Baier dazu. Allerdings seien Jugendliche | |
auch überdurchschnittlich oft Opfer von Gewalttaten, die wiederum | |
überdurchschnittlich oft von männlichen Migranten verübt würden, so der | |
stellvertretende KFN-Direktor. | |
Bei den Alten fehle oft jeder persönliche Kontakt zu Migranten; stattdessen | |
werde ein von den Medien überzeichnetes Bild von besonders hoher | |
Ausländerkriminalität übernommen. | |
Damit deckt sich die falsche Wahrnehmung, die Zahl der Straftaten nehme | |
sprunghaft zu. Nur jeder zehnte Niedersachse weiß, dass die Zahl fast aller | |
Delikte seit 2005 kontinuierlich sinkt. So erfasste die Polizeistatistik | |
2014 rund 15 Prozent weniger Fälle von schwerer Körperverletzung oder | |
Sachbeschädigung – dagegen stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche um 35 | |
Prozent. Erstmals ermittelt habe das KFN aber auch „teilweise dramatisch | |
hohe Dunkelziffern“, sagt Baier: Nach seiner Untersuchung werden rund 60 | |
Prozent der Fälle schwerer Körperverletzung oder sexueller Gewalt niemals | |
angezeigt. | |
24 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Antisemitismus | |
Niedersachsen | |
Homophobie | |
Studie | |
Rechtsextremismus | |
Antisemitismus | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Waldorfschule | |
Streitfrage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nazis im Nahbereich: Mit Rechten leben | |
Hamburg, Bremen oder Hannover sind nicht Chemnitz. Aber auch hier gibt es | |
Rechte in einflussreichen Positionen – und in allernächster Nähe: als | |
Lehrer, Chorleiter, Onkel. | |
Antisemitismus in Deutschland: „Integrationsfähigkeit hat Grenzen“ | |
Der Chef des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, über | |
Israelfeindlichkeit unter Immigranten, Angst vor Judenhass und ein | |
mögliches NPD-Verbot. | |
Razzia bei Rechtsextremen in Thüringen: Party, Politik und Business von rechts | |
Die Polizei durchsuchte eine rechte Gaststätte bei einem Kader in Kloster | |
Veßra. Der ist gut vernetzt und lässt sich nicht einschüchtern. | |
Rassistische Broschüre gegen Flüchtlinge: Hans Mutig aus Musterdorf | |
In ihrem Leitfaden erklärt die rechte Partei „Der III. Weg“, wie Anwohner | |
verhindern, dass Flüchtlinge in ihre Nachbarschaft ziehen. | |
Forschung zu Antijudaismus: Der ewige Sündenbock | |
Drei neue Bücher untersuchen Antijudaismus und Antisemitismus. Die Autoren | |
setzen jeweils eigene Schwerpunkte. | |
Rechter Lehrer an Waldorfschule: Der „völkische Aktivist“ darf bleiben | |
Ein Lehrer steht im Zusammenhang mit Rassismus und NS-Akklamation. Die | |
Freie Waldorfschule Minden will sich trotzdem nicht von ihm trennen. | |
Die Streitfrage: „Wir sind sehr selbstbezogen!“ | |
Ist das Abendland hysterisch? Auf jeden Fall nehmen wir uns zu wichtig, | |
findet die Sozialpsychologin Andrea Abele-Brehm. Volker Beck widerspricht. |