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# taz.de -- Antisemitismus in Deutschland: „Integrationsfähigkeit hat Grenze…
> Der Chef des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, über
> Israelfeindlichkeit unter Immigranten, Angst vor Judenhass und ein
> mögliches NPD-Verbot.
Bild: „Viele Menschen, die aus Syrien oder dem Irak zu uns kommen, sind in ei…
taz: Wo Heime brennen, brennen bald Menschen – haben Sie manchmal diese
Assoziation, Herr Schuster?
Josef Schuster: Es macht mir Sorgen und ist erschreckend, was mit
Flüchtlingsunterkünften zum Teil passiert, gerade erst jüngst in meiner
nächsten Nachbarschaft, in Wertheim, wo eine geplante Unterkunft in Flammen
aufgegangen ist.
Ein Flüchtling zu sein – das gehört zum Judentum existenziell. Das jüdische
Volk ist der Thora zufolge aus Ägypten geflohen. Der Exodus ist die
Grunderfahrung des Judentums. Ergibt sich daraus die Pflicht, Flüchtlingen
zu helfen?
Das ist nicht nur eine Pflicht von Juden. Wir müssen auch gar nicht so weit
in der Geschichte zurückgehen. Allein wenn wir die neuere Geschichte
anschauen, etwa die Schoah: Wenn es eine Gruppierung gibt, die sehr genau
weiß, was es bedeutet, verfolgt zu sein, dann sind es jüdische Menschen,
gerade in Europa, insbesondere in Deutschland.
Nun nehmen einige christliche Kirchen Flüchtlinge auf. Haben Sie einen
Überblick darüber, wie viele jüdische Gemeinden Flüchtlinge aufnehmen?
Wir müssen bedenken, dass jüdische Gemeinden meist sehr viel kleiner sind
als katholische oder evangelische. Es gibt aber eine ganze Reihe von
Aktivitäten einzelner Gemeinden und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden
in Deutschland. Die Zentralwohlfahrtsstelle wird ihre Erfahrung in
Integrationskursen an andere Organisationen weitergeben, denn sie hat ja
große Erfahrung mit Menschen, die nach Deutschland eingewandert sind. Ich
denke da an die sogenannten Kontingentflüchtlinge, die wir seit etwa 25
Jahren in die jüdischen Gemeinden integriert haben.
Jetzt scheint Europa wieder die Grenzen zu schließen, auch Deutschland ist
wieder restriktiv. Finden Sie das richtig?
Ich glaube, alle sind sich einig, dass man Menschen, die auf der Flucht
sind, helfen muss. Andererseits hat die Integrationsfähigkeit von Europa
Grenzen. Deutschland hat ja die Zuwanderung nicht gestoppt, sondern
lediglich begonnen, die Flüchtlinge an den Grenzen zu registrieren. Das ist
auch aus Sicherheitsgründen wichtig, damit etwa Islamisten entdeckt werden.
Haben Sie Angst, dass unter den Zuwandernden aus dem arabischen Raum auch
Judenfeinde sind?
Viele Menschen, die aus Syrien oder dem Irak zu uns kommen, sind in einem
Lebensumfeld aufgewachsen, das von Israelfeindlichkeit und Judenhass
geprägt ist. Es ist eine große Aufgabe, diese Menschen hin zu den Werten zu
bringen, die in Deutschland Bestand haben. Die hiesigen Konflikte, etwa wie
vergangenes Jahr während des Gazakrieges, möchte ich nicht noch einmal
erleben. Das macht mir Sorge.
Sie fordern schon seit Langem ein NPD-Verbot. Glauben Sie, dass die
Hintergrund-Aktivitäten von NPD-Kadern etwa bei den rechtsextremen Pogromen
gegen Flüchtlinge in Heidenau endlich die Sache beschleunigen?
Ob es nun schneller geht, weiß ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass es
nun härtere Fakten gibt. Ich sehe ein Verbot nun mit großer
Wahrscheinlichkeit kommen.
Es steht zu befürchten, dass die Fremdenfeindlichkeit wieder zunehmen wird.
Rechnen Sie mit mehr Judenfeindschaft?
Die Juden gelten als das Volk der Propheten, aber meine prophetischen Gaben
halten sich hier in Grenzen. Dass aber eine fremdenfeindliche Stimmung auch
mit Antisemitismus Hand in Hand zu gehen vermag und es häufig auch tut, ist
unzweifelhaft.
4 Oct 2015
## AUTOREN
Philipp Gessler
## TAGS
Antisemitismus
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Flüchtlinge
Integration
Schwerpunkt Flucht
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