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# taz.de -- Renten jüdischer Kontingentflüchtlinge: „Nicht-Handeln ist kein…
> Viele jüdische Zuwanderer leben in Armut. FDP, Linke und Grüne fordern
> die rentenrechtliche Gleichstellung mit Spätaussiedlern.
Bild: Beratungsstelle für jüdische Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion…
Berlin taz | Die Bundestagsfraktionen der FDP, Linkspartei und Grünen
fordern die Verbesserung [1][der Alterssicherung der jüdischen
Kontingentflüchtlinge] aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Dafür soll
die Gruppe rentenrechtlich mit der Gruppe der Spätaussiedler gleichgestellt
werden. Ein entsprechender Antrag der Oppositionsfraktionen wird am
Donnerstag im Bundestag behandelt. Seit 1991 hat die Bundesrepublik
Deutschland über 200.000 jüdische Zuwanderer aufgenommen, die noch Lebenden
sind heute häufig von Altersarmut betroffen.
Da es keine Sozialversicherungsabkommen zwischen Deutschland, Russland und
den meisten anderen postsowjetischen Staaten gibt, werden Rentenansprüche
der jüdischen Zuwanderer vor der Einwanderung nach Deutschland nicht
anerkannt. Dies bedeutet eine rentenrechtliche Schlechterstellung zur
Gruppe der Spätaussiedler, deren Sozialversicherungsanspräche aus den
Herkunfsstaaten bei der Rentenberechnung in Deutschland berücksichtigt
werden.
Die Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP), Petra Pau (Linke) und
Claudia Roth (Grüne) stellten den Antrag am Mittwoch gemeinsam in der
Bundespressekonferenz in Berlin vor. „Die Aufnahme in Deutschland darf
keine Stunde Null für diese Menschen bedeuten“, forderte Roth. „Es ist ein
großes Glück, dass die jüdische Zuwanderung geschehen ist. Wer willkommen
heißt, trägt Verantwortung“, so Roth weiter. „Über ein Vierteljahrhundert
haben es alle Bundesregierungen nicht geschafft, eine entsprechende
Maßnahme zu ergreifen“, kritisiert Pau auch in Richtung ihrer Mitstreiter.
Das Thema vertrage jedoch „keinen parteipolitischen Hickhack, deshalb
sitzen wir hier als Bundestagsvizepräsidenten.“
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zwar dem Thema
angenommen, bislang allerdings nicht gehandelt. Dort wird „eine
Fondslösung“ für [2][Härtefälle in der Grundsicherung] versprochen, der
auch für die Gruppen der Spätaussiedler und jüdischen Kontingentflüchtlinge
geprüft werden soll. Dass bislang nichts geschehen ist, erklärt Kubicki mit
„gewissen Vorbehalten gerade bei der CSU.“ Dort gebe es „auch ein mentales
Problem, Nicht-Deutsche mit Deutschen gleichzustellen.“
Der rentenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Ralf Kapschak,
hält das Rentenrecht in diesem Fall für das falsche Instrument. „Das würde
nicht nur Ungerechtigkeiten an anderer Stelle schaffen. Es wäre auch
sachlich falsch, jüdische Zuwanderer bei der Rente wie Spätaussiedler nach
dem Fremdrentengesetz zu behandeln“, sagte er zur taz. Kapschak sprach sich
für den im Koalitionsvertrag vereinbarten Härtefallfonds aus.
## Nur minimale Haushaltsbelastung
Über die Frage, ob dieser Fonds die beste Lösung für die Verbesserung der
Alterssicherung der jüdischen Zuwanderer ist, besteht in den
antragstellenden Fraktionen Uneinigkeit. Die FDP präferiert diesen Fonds,
die Linke präferiert eine Änderung im Fremdrentengesetz zur Gleichstellung
mit Spätaussiedlern, die Grünen präferieren den Abschluss von
Sozialversicherungsabkommen mit den betroffenden Staaten, um einen
rückwirkenden Ausgleich über die Alterssicherung zu erreichen.
Alle Lösungswege werden im Antrag genannt, alle drei Fraktionen würden den
entsprechenden Gesetzesänderungen zustimmen. „Nur weiteres Nicht-Handeln
sollte keine Option sein“, heißt es in der Antragsbegründung.
Genaue Zahlen, wie viele Betroffene berechtigt wären oder wie alt diese
sind, gibt es nicht. Die Fraktionen gehen jedoch davon aus, dass der
Bundeshaushalt durch entsprechenden Erhöhungen nur minimal belastet würde.
Die Maßnahmen sollen „schnellstmöglich“, also noch in diesem Jahr,
ergriffen werden, fordern FDP, Linke und Grüne. Bereits im April 2018
forderte die von den Grünen-Politikern Volker Beck und Sergey Lagodinsky
sowie dem Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik ins Leben gerufene
Initiative „Zedek“ die Bundesregierung zur Gleichstellung jüdischer
Zuwanderer mit Spätaussiedlern auf.
„Es gibt keinen rationalen, politisch zu rechtfertigenden Grund, zwischen
den beiden Gruppen zu unterscheiden“, sagte Volker Beck zur taz.
„Deutschland nahm beide aufgrund der besonderen Verantwortung aus der
Geschichte auf. Aschkenasische Juden gehören nicht weniger zu Deutschland
als Russlanddeutsche.“
Der Bundesrat forderte bereits am vergangenen Freitag die Überprüfung der
rentenrechtlichen Regelungen beider Gruppen. Das Bundesarbeitsministerium
teilte der taz mit, diese Entschließung „wie üblich sorgfältig zu prüfen.…
Zurzeit befasse sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den Möglichkeiten
des im Koalitionsvertrag vereinbarten Härtefallfonds. In einem weiteren
Schritt soll dieser Fonds für die Gruppen der Spätaussiedler und der
jüdischen Kontingentflüchtlinge geprüft werden. Nach der Bundestagsdebatte
am Freitag wird zunächst lediglich der Verweis in den Ausschuss für Arbeit
und Soziales beschlossen.
20 Feb 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Frederik Schindler
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