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# taz.de -- Heimliche Inbetriebnahme in Moorburg: Das „CO2-Monster“ legt los
> Diese Woche will Vattenfall Deutschlands größtes Steinkohlekraftwerk
> offiziell in Betrieb nehmen. Das ist nicht nur ein ökonomisches Desaster.
Bild: 2008 protestierte Greenpeace mit Flammen gegen den Meiler in Moorburg. Je…
Hamburg | taz Sehr glücklich wirkte Pieter Wasmuth nicht. Das
Kohlekraftwerk Moorburg sei „zu anderen Zeiten Konsens mit der Politik
gewesen“, sagte der Hamburg-Chef von Vattenfall vergangene Woche Montag auf
einem Pressetermin im Kraftwerk.
Zu Zeiten der CDU-Alleinregierung war das der Fall, als der Senat von Ole
von Beust 2007 mit dem schwedischen Energiemulti den Bau des größten
Steinkohlekraftwerks Deutschlands im Süden Hamburgs vereinbarte. Heute ist
der schwarze Raucher am Köhlbrand ein ungeliebtes Mahnmal veralteter
Industrie- und Energiepolitik.
„Voraussichtlich Ende August“, also in dieser Woche, werde der Meiler
offiziell seinen kommerziellen Betrieb aufnehmen, bestätigt eine
Unternehmenssprecherin. Ein Festakt allerdings ist nicht vorgesehen.
SPD-Bürgermeister Olaf Scholz wird nicht auf den symbolischen roten Knopf
drücken, der grüne Umweltsenator Jens Kerstan wird keine Rede halten: Die
beiden Öfen in den 102 Meter hohen Kesselhäusern werden in aller Stille
angeheizt.
## Ökostrom hat Vorrang
Rein rechnerisch kann das Kraftwerk ungefähr 85 Prozent des Hamburger
Stromverbrauchs decken (siehe Kasten), und das ist in Zeiten der
Energiewende viel zu viel. Ökostrom hat Vorrang, Vattenfall muss zusehen,
einen Großteil seiner Produktion an der Leipziger Strombörse zu verticken.
Da kann der Konzern fast froh sei, dass der Wirkungsgrad des Meilers bei
nur 46,5 Prozent liegt.
Das ist zwar bundesweiter Spitzenwert – aber eben auch Anlass für den
Spott, Kohlekraft sei die teuerste Möglichkeit, mit viel Brennstoff
möglichst wenig Energie und möglichst viele Schadstoffe zu produzieren. An
die drei Milliarden Euro hat sich Vattenfall das Kraftwerk kosten lassen,
mit dem kaum schwarze Zahlen zu schreiben sein werden. Schon im vorigen
Jahr war deshalb aus dem Konzern hinter vorgehaltener Hand zu hören, dass
man das Kraftwerk heute nicht mehr bauen würde.
Dem Meiler war 2007 vom damaligen CDU-Senat eine vorläufige Baugenehmigung
erteilt worden. Unter der nachfolgenden schwarz-grünen Regierung
scheiterten die Grünen damit, die Genehmigung zurückzuziehen. Und so waren
es Umweltsenatorin Anja Hajduk und ihr Staatssekretär Christian Maaß (beide
Grüne), die das „CO2-Monster“ aus juristischen Gründen genehmigen mussten.
Die Grünen und die Koalition führte das in eine Krise. Schließlich waren
die Grünen mit „Kohle von Beust“-Plakaten und dem Versprechen in den
Wahlkampf gezogen, dass es mit ihnen kein Kohlekraftwerk geben werde. Die
Genehmigung versahen die beiden Grünen jedoch mit teuren ökologischen
Auflagen wie einem zusätzlichen Kühlturm und Einschränkungen bei der
Kühlwasserentnahme aus der Elbe.
Aus ästhetischen Gründen mussten weite Teilen der Fassaden mit
emsländischem Rotklinker verblendet werden – um die zehn Millionen Euro
soll allein das gekostet haben. Das Unternehmen bewertete das damals als
„grünes Mobbing“. Für Ex-Staatsrat Maaß ist das aber nicht der Grund, wa…
„Moorburg ein komplettes wirtschaftliches Desaster“ sein werde. „Das passt
nicht in die neue Energiewelt“, sagt der heute als Umweltberater tätige
Jurist: „Moorburg ist ein Industrie-Denkmal der Klimazerstörung.“
Bekämpft wurde das Kraftwerk vor allem wegen seiner Emissionen an
Kohlendioxid. Im Vollbetrieb wird es jährlich etwa 8,7 Millionen Tonnen CO2
in die Luft blasen und damit die Hamburger Emissionen von rund 18 Millionen
Tonnen um fast die Hälfte erhöhen. Wie der rot-grüne Senat sein Ziel
erreichen will, den CO2-Ausstoß in der Stadt bis 2020 im Vergleich zum
Basisjahr 1990 um 40 Prozent zu senken und bis 2050 um 80 Prozent, bleibt
offen.
Öffentlicher Höhepunkt der Auseinandersetzungen um das Kraftwerk waren vor
knapp sechs Jahren die Proteste gegen eine Fernwärmeleitung durch Altona.
Vattenfall wollte seine Heizrohre durch einen Park führen und 400 Bäume
fällen. Obwohl der Konzern versprach, 1.200 neue Bäume zu pflanzen, war die
Gegenwehr groß. Mitten im Winter wurden etliche Bäume drei Monate lang
besetzt. Nach monatelangem Streit stoppten Gerichte das Projekt, Vattenfall
gab den Plan auf.
Auch in der SPD ist die anfängliche Begeisterung für das Kraftwerk
abgeklungen. Noch im Sommer 2013 hatte Bürgermeister Olaf Scholz von dem
„hochleistungsfähigen, hocheffizienten und hoch lukrativen Kraftwerk“
geschwärmt. Im grünen Wahlprogramm wurde Moorburg keines Wortes gewürdigt,
im rot-grünen Koalitionsvertrag steht zu diesem Thema nur ein einziger
lapidarer Satz: „Nach langer Vorlaufzeit geht das 2008 genehmigte Kraftwerk
Moorburg jetzt ans Netz“ – Begeisterung klingt anders.
Im November 2014 hatte das Hamburger Verwaltungsgericht auf Klage eines
Bürgers entschieden, die Stadt müsse „in den Luftreinhalteplan Maßnahmen
aufnehmen, die zu einer möglichst schnellen Einhaltung der Grenzwerte für
Stickstoffdioxid führen sollen“. Denn seit 2010 verstößt Hamburg permanent
gegen die EU-Grenzwerte für die Schadstoffbelastung der Atemluft. Jetzt
will die rot-grüne Koalition einen neuen, schärferen Plan für saubere Luft
erarbeiten – und aus Moorburg kommt ganz viel heißer Rauch.
NaN NaN
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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