# taz.de -- Schmutzige Überreste von Schwaz-Grün in Hamburg: Schwarz-Grün zu… | |
> Hamburgs Ex-Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) steht wegen Beihilfe zu | |
> illegaler Parteifinanzierung vor Gericht. Das könnte ihn 770.000 Euro | |
> kosten. | |
Bild: Abhauen bringt nix: Ex-Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) muss sich vor G… | |
HAMBURG | taz Es ist, politisch gesehen, die letzte Zuckung der längst | |
vergangenen schwarz-grünen Koalition in Hamburg. Und juristisch betrachtet | |
ist es wohl der Schlusspunkt hinter einer verwickelten Geschichte um | |
unzulässige Parteienfinanzierung, Veruntreuung von Wahlkampfgeldern und der | |
Flucht der Hamburger Grünen vor CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus und | |
seinem Finanzsenator Carsten Frigge. Letzterer steht ab dem 25. September | |
in Mainz vor Gericht: Seine dortigen Parteifreunde verklagen ihn auf | |
Schadenersatz: 770.000 Euro fordern sie von ihm dafür, dass er früher mal | |
für sie gearbeitet hat. | |
Vor zehn Jahren hatte Frigge, damals Mitinhaber der Düsseldorfer PR-Agentur | |
C4, den rheinland-pfälzischen CDU-Chef Christoph Böhr im Landtagswahlkampf | |
2005 beraten. Weil aber in der Parteikasse bedauerlicherweise Ebbe | |
herrschte, flossen über Scheinrechnungen 386.000 Euro aus Fraktionsgeldern | |
an Frigge – eine illegale Wahlkampffinanzierung aus Steuermitteln. | |
Die Sache flog mit einem Knall auf: 2011 musste die Bundes-CDU fast 1,2 | |
Millionen Euro Strafe an den Bund zahlen, Böhr wurde 2013 wegen Untreue zu | |
22 Monaten auf Bewährung verurteilt, Frigge kam wegen Beihilfe mit einer | |
Geldstrafe von 30.000 Euro davon. Die Bundespartei indes holte sich ihr | |
Geld in Raten vom Pfälzer Landesverband zurück, und der will sich nun bei | |
Frigge schadlos halten. | |
Im Hamburg des Jahres 2010 hatte der damals 47-jährige Frigge zunächst wie | |
ein guter Griff gewirkt, als er Ende März von Bürgermeister Ole von Beust | |
(CDU) zum Finanzsenator ernannt wurde. Sein Vorgänger Michael Freytag | |
(CDU), der „Schuldenkönig“, hatte amtsmüde hingeworfen. | |
Von Beust suchte und fand im gebürtigen Hamburger Frigge, den er von früher | |
aus der Jungen Union kannte, einen alerten Managertypen: Lehre bei einer | |
Top-Werbeagentur, Wirtschaftsstudium, schnelle Karriere unter anderem bei | |
der Beratungsgesellschaft Roland Berger. 1998 machte Frigge sich mit der | |
Unternehmensberatung C4 in Düsseldorf selbstständig. 2008 kam er als | |
Wirtschafts-Staatsrat nach Hamburg, zwei Jahre später nahm er dann für acht | |
Monate auf dem Senatorensessel Platz. | |
Doch schon das hätte er eigentlich, wie scheibchenweise ans Licht kam, | |
nicht tun dürfen. Denn Kunde seiner Agentur C4 war 2009 der US-Investor J. | |
Christopher Flowers, ein Anteilseigner der HSH Nordbank. Zum Zeitpunkt der | |
Beratungstätigkeit verhandelten die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein | |
über milliardenschwere Rettungspakete für die angeschlagene Bank, wodurch | |
der Anteil von Flowers von 27 auf zehn Prozent fiel. Auch wenn Frigge als | |
Staatsrat nicht an den Verhandlungen beteiligt war, wurde er wegen des | |
möglichen Interessenkonflikts kritisiert. Als Finanzsenator hingegen | |
kontrollierte er dann persönlich die Bank: Er saß im Aufsichtsrat. | |
Keine sechs Wochen nach Amtsantritt bekam Frigge ungebetenen Besuch: Die | |
Staatsanwaltschaft durchsuchte seine Wohnung wegen des Verdachts der | |
Beihilfe zur Untreue. In Hamburg zog nicht nur die SPD-Opposition die | |
Augenbrauen hoch. Ein Finanzsenator soll bei illegalen Finanzpraktiken | |
geholfen haben? | |
Auch wenn Frigge die Vorwürfe abstritt, blieb der Vorwurf an ihm haften. | |
Von Beust hielt an ihm fest, der grüne Koalitionspartner lächelte gequält. | |
Am 24. November 2010 dann wurde der öffentliche Druck zu groß, Frigge | |
verkündete drei Wochen vor den Haushaltsberatungen der Bürgerschaft seinen | |
Rücktritt. | |
Die Grünen, seit dem Bürgermeisterwechsel von von Beust zu Ahlhaus im | |
August 2010 eh permanent übellaunig, zogen vier Tage später die Reißleine. | |
Einen neuen Finanzsenator und den neuen Haushalt mitzutragen, hätte sie auf | |
lange Zeit an die CDU gefesselt. So aber sahen sie die Chance auf Neuwahlen | |
und einen Neustart mit der SPD – den es aber erst vier Jahre später im | |
April 2015 geben sollte. Das schwarz-grüne Bündnis zerbrach. | |
Frigge nahm das gelassen. Konkrete Pläne für die Zukunft habe er allerdings | |
noch nicht, sagte er damals. „Mal sehen, was kommt.“ Auf die Frage, wie er | |
sich fühle, antwortete er: „Endlich frei!“ Das wird er nach dem jetzt | |
beginnenden Zivilprozess bleiben. Aber vermutlich wird er deutlich ärmer | |
sein. | |
24 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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