| # taz.de -- Interview mit Hamburgs Justizsenator Till Steffen: „Wir wollen st… | |
| > Hamburgs grüner Justizsenator Till Steffen über überfüllte Gerichte, | |
| > leere Gefängnisse, seine Rolle als grüner Retter der Gefahrengebiete und | |
| > „Hasch für alle“. | |
| Bild: Das Vorbild für eine liberale Drogenpolitik: Amsterdam | |
| taz: Herr Steffen, als einziger Politiker waren Sie in Hamburg Senator | |
| unter Schwarz-Grün und sind es nun unter Rot-Grün. Was macht den | |
| Unterschied? | |
| Till Steffen: Als wohltuend empfinde ich, dass die Außendarstellung bei | |
| Rot-Grün wesentlich unaufgeregter ist. Unter Schwarz -Grün gab es einen | |
| stärkeren Wettbewerb der Senatsmitglieder untereinander, öffentlich | |
| aufzutrumpfen – diesen internen Konkurrenzkampf gibt es in der aktuellen | |
| Koalition so nicht. | |
| Im Bereich „Justiz“ wimmelt es im Koalitionsvertrag an „Weiter | |
| so“-Formulierungen wie „hat sich bewährt“ oder „knüpfen wir an“. Ha… | |
| Grünen in diesem Bereich keine eigenen Vorstellungen oder haben Sie nur | |
| nichts durchsetzen können? | |
| Es gibt da viele Themen, bei denen die Kontinuität bis in meine erste | |
| Amtszeit zurückreicht – etwa die Arbeit der von mir eingesetzten | |
| Fachkommission Resozialisierung. Deshalb habe ich an vielen Punkten gar | |
| keinen Anlass zu sagen: Alles muss jetzt anders werden. | |
| Anders hätten Sie gerne das mit der Strafbarkeit von Cannabis-Besitz, wo | |
| sie eine Entkriminalisierung befürworten. Welcher Spielraum bleibt Ihnen, | |
| eingezwängt zwischen dem Bundesrecht und dem Koalitionspartner? | |
| Wir haben uns als Koalition das Ziel gesetzt, das Strafrecht zu | |
| entschlacken, um so die Gerichte zu entlasten. Da geht es vor allem um | |
| Bagatellkriminalität und dazu gehört auch die Strafverfolgung von | |
| Cannabis-Besitz in geringen Mengen. Da werden Strafanzeigen gefertigt und | |
| an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die die Verfahren dann regelhaft | |
| einstellt. Der ganze große Aufwand der Strafverfolgung bringt uns auch in | |
| Bezug auf den Jugendschutz gar nichts – an dieser Tatsache kommt niemand | |
| mehr vorbei. Zudem bedeutet diese Praxis auch ein erhebliches Hindernis für | |
| einen Modellversuch der kontrollierten Cannabis-Abgabe, über den wir uns | |
| Gedanken machen. Wenn die Polizei weiß, die Personen, die aus einer | |
| Abgabestelle kommen, sind im Besitz von Cannabis, dann muss sie nach dem | |
| Legalitätsprinzip einschreiten. Damit wäre so ein Modellversuch tot. | |
| Was wäre die Alternative? | |
| Ich finde die Idee der Gewerkschaft der Polizei charmant, den Besitz von | |
| kleinen Mengen Cannabis nicht mehr als Straftat, sondern als | |
| Ordnungswidrigkeit zu bewerten. Dann kann die Polizei frei entscheiden, ob | |
| jetzt hier gehandelt werden muss oder nicht. Es kann angewiesen werden, | |
| Personen, die aus einer solchen Abgabestelle kommen, grundsätzlich nicht zu | |
| kontrollieren. Das aber erfordert eine Änderung des Bundesrechts. In Bremen | |
| gibt es ja auch entsprechende Vereinbarungen für einen entsprechenden | |
| Modellversuch ... | |
| ... die im Koalitionsvertrag viel konkreter festgeschrieben sind als in | |
| Hamburg. Waren Hamburgs Grüne hier nicht hartnäckig genug oder die | |
| Sozialdemokraten zu stur? | |
| Es kann eben sein, das dieser Modellversuch erst mal am Strafrecht | |
| scheitert. Wir aber wollten nur versprechen, was wir halten können. | |
| An wen und wo soll abgegeben werden? Im Gespräch ist eine Einschränkung auf | |
| medizinische Befunde und Apotheken als Abgabestellen. | |
| Ich will mich nicht festlegen, ob Apotheken der richtige Ort sein könnten. | |
| Man muss sich Gedanken machen, auf welche Schwierigkeiten man stößt. Es ist | |
| nicht die Intention, sich an Schwerkranke zu richten, sondern es sollte | |
| schon eine allgemeine Abgabe an Erwachsene sein. | |
| Ein anderes Thema sind die umstrittenen Gefahrengebiete, deren gesetzliche | |
| Grundlage das Oberverwaltungsgericht für verfassungswidrig hält und die Sie | |
| nun überarbeiten. Wird Till Steffen der grüne Retter der Gefahrengebiete? | |
| Vielen ist nicht bewusst: Die Durchsetzung des Waffenverbots auf der | |
| Reeperbahn funktioniert nur, weil wir Gefahrengebiete ausweisen können. Wir | |
| wären aber nicht gut beraten, das Waffenverbot aufzuheben. Klar ist, dass | |
| das Gericht uns aufgegeben hat, die Voraussetzungen für eine solche | |
| Ausweisung ganz deutlich einzuschränken. Wir brauchen ein vernünftiges Maß, | |
| das sicherstellt, dass wir so eine extensive Anwendung wie Anfang 2014 | |
| nicht mehr bekommen. | |
| Umsetzen müssen Sie auch die Verlegung des Frauengefängnisses von | |
| Hahnöversand nach Billwerder – eine Maßnahme, die die Grünen nach wie vor | |
| vehement ablehnen. | |
| Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob es sinnvoll aufzuhalten ist. | |
| Die Bauarbeiten für diese Verlagerung sind sehr weit fortgeschritten. Aber | |
| wir konnten viele unserer Bedenken in die Planung einbringen, so dass der | |
| Männer- und der Frauenbereich jetzt konsequent voneinander getrennt sein | |
| werden. | |
| Die Gerichte klagen seit Jahren über zunehmende Arbeitsüberlastung – da | |
| aber will der Senat zunächst beobachten, statt zu handeln. | |
| Wir brauchen belastbare Daten über die Belastung der Richter und | |
| Staatsanwälte. Also werden wir die Eingangszahl, die Verfahrensdauer und | |
| -komplexität sehr genau untersuchen, und wo es Not tut handeln, ohne dabei | |
| aber das Korsett des Finanzrahmenkonzepts zu vergessen. | |
| Während die Gerichte verstopft scheinen, werden die Gefängnisse immer | |
| leerer. | |
| Wir haben 2.000 Haftplätze und insgesamt 1.500 Gefangene – Tendenz sinkend. | |
| Diese Überkapazität, die sich auf alle Anstalten verteilt, ist nicht | |
| tragbar. Wir müssen die Umstrukturierung der Anstalten vorantreiben und | |
| Haft-Kapazitäten reduzieren. | |
| Welcher Knast muss weg? | |
| Das steht noch nicht fest. Da wollen wir im Laufe des Jahres Transparenz | |
| schaffen. | |
| 5 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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