# taz.de -- Was die Polizei twittern darf: Straftaten werden suggeriert | |
> Juristen melden verfassungsrechtliche Bedenken an, ob die Polizei | |
> twittern darf, wie sie Demonstranten bewertet. Die Polizei verteidigt | |
> ihre Strategie. | |
Bild: Eine berechtigte Forderung auf der Demo anläßlich der EZB-Eröffnung am… | |
Berlin taz | Für einen Moment scheint die Demo der G-7-Gegner in | |
Garmisch-Partenkirchen außer Kontrolle zu geraten. Polizisten attackieren | |
die ersten Reihen, Pfefferspraynebel steigt auf. Die Situation ist | |
unübersichtlich. Im Netz lässt die Erklärung der zuständigen | |
Polizeidirektion Oberbayern Süd nicht lang auf sich warten. | |
Auf Twitter schreibt sie: [1][“Polizisten mit Fahnenstange angegriffen und | |
mit benzingefüllter Flasche beworfen. Deshalb Pfefferspray- und | |
Schlagstockeinsatz.“] Umgehend findet sich der Tweet im Liveticker von | |
Focus Online wieder, später auch in Artikeln von FAZ und Bayernkurier. | |
Weniger Verbreitung findet dann die Berichtigung, die am Abend von der | |
Polizei getwittert wird: [2][“Positiv ist aber, dass sich herausgestellt | |
hat, dass die Flüssigkeit in den geworfenen Flaschen doch nicht brennbar | |
war.“] | |
In einem Beitrag, der im September in der Zeitschrift für Landes- und | |
Kommunalrecht Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland erscheint, melden die | |
Frankfurter RechtswissenschaftlerInnen Jana Gawlas, Maximilian Pichl und | |
Cara Röhner verfassungsrechtliche Bedenken an derlei Tweets an. | |
Es sei nicht zulässig, „ohne gesicherte Tatsachenbasis eine Begehung von | |
Straftaten durch Demonstranten zu suggerieren“. Dies widerspreche dem | |
Auftrag an staatliche Behörden, sachlich und wahrheitsgemäß zu berichten, | |
und stelle wegen des Abschreckungseffekts überdies einen Eingriff in die | |
Versammlungsfreiheit dar. | |
## Fotos mit erkennbaren Personen | |
Als problematisch benennen die AutorInnen auch andere Arten von Tweets. | |
Solche, die „Fotos mit erkennbaren Personen, die an der Versammlung | |
teilnehmen“, enthalten, sowie Mitteilungen „die eine Einteilung in | |
politisch zulässigen und unzulässigen Protest vornehmen“. Bei den | |
Blockupy-Protesten im März in Frankfurt etwa twitterte die Polizei Fotos | |
dunkel gekleideter Demonstranten und schrieb: [3][“Trotz der gezeigten | |
Bilder sind unter den 15.000 größtenteils ‚bunte‘ Teilnehmer. Was uns | |
freut.“] | |
Die in der Studie analysierte Frankfurter Polizei verteidigte sich Mitte | |
Juli gegenüber der „Hessenschau“. Durch mehr Transparenz werde „Gerücht… | |
und Falschbehauptungen der Boden entzogen und damit zugleich einer | |
Eskalation durch Solidarisierungseffekte zugunsten von Störern und | |
Straftätern entgegengetreten“, sagte dort Pressesprecher Alexander | |
Kießling. Die Twitternutzung sei durch das Versammlungs- und Polizeirecht | |
gedeckt. | |
Studien-Autor Pichl bezeichnet die Aussagen gegenüber der taz als | |
„verwirrend“. Dass etwa das Polizeirecht bei Versammlungen keine Anwendung | |
findet, sei eigentlich ein „Wissen, das Jurastudenten bereits im vierten | |
Semester haben“. Auch decke das Versammlungsrecht nur die Aufzeichnung, | |
nicht aber die Veröffentlichung von Bildern. Zu Tweets, die eine | |
Einschätzung von politischen Protesten enthalten, stellt Pichl klar: „Die | |
Polizei hat keine Kompetenz für Meinungsbeiträge.“ | |
## Verpixelung und Persönlichkeitsrechte | |
Die Frankfurter Polizei bleibt auch nach einer internen Rechtsprüfung bei | |
ihrer Auffassung, dass ihr Twitter-Gebrauch „rechtmäßig“ ist, äußert si… | |
Sprecher Alexander Löhr gegenüber der taz. Selbst wenn Personen durch | |
„Hinweise auf Gefahrenlagen beziehungsweise Straftaten“ von der Teilnahme | |
an Versammlungen abgehalten würden, „ist dies letztlich die Folge | |
eigenverantwortlicher Entscheidungen dieser Personen“. Um die Verletzung | |
von Persönlichkeitsrechten zu verhindern, setze man „eine Software zur | |
Verpixelung ein“. | |
Pichls Eindruck, dass die Social-Media-Abteilung der Polizei seit | |
Bekanntwerden der Kritik „sehr zurückhaltend geworden ist“ und kaum noch | |
problematische Tweets abgesendet habe, hält Löhr entgegen: „An unserer | |
Strategie hat sich nichts geändert. Aber wir haben seitdem keine | |
entsprechenden Einsatzlagen mehr gehabt.“ | |
Ein problematischer Tweet findet sich dennoch. Eine Demo, in der das | |
Blockupy-Bündnis seine Solidarität mit dem griechischen „Nein“ zum Ausdru… | |
brachte, war der Frankfurter Polizei ein Lob wert: [4][“#Oxi #Frankfurt | |
Eine absolut friedliche #Demo – finden wir top!“] Eine gerichtliche | |
Klärung, was die Polizei bei Twitter darf und was nicht, steht aus. | |
3 Aug 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/polizeiobs/status/607206733392543744 | |
[2] https://twitter.com/polizeiobs/status/607221284410388480 | |
[3] https://twitter.com/polizei_ffm/status/578233109537239040 | |
[4] https://twitter.com/Polizei_Ffm/status/617013875435794432 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
## TAGS | |
Blockupy | |
Frankfurt am Main | |
Polizei | |
Twitter / X | |
Persönlichkeitsrechte | |
Lüneburg | |
Hamburg | |
Polizei Berlin | |
Blockupy | |
Netzpolitik.org | |
Schloss Elmau | |
G7-Gipfel in Elmau | |
Globalisierungskritik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kein Datenschutz für Demonstranten: Polizei will Daten behalten | |
Daten über TeilnehmerInnen auf friedlichen Demos darf die Polizei | |
eigentlich nicht sammeln. In Niedersachsen soll sie es dennoch getan haben. | |
Polizei bei Twitter und Facebook: Hashtag #Polizei | |
Die Polizei Hamburg setzt mit einem eigenen Team auf soziale Netzwerke: Das | |
Ergebnis ist eine Mischung aus Informationen und Eigenwerbung | |
Twitter-Offensive der Berliner Polizei: Wir müssen reden | |
Die Berliner Polizei will mithilfe eines eigenen Social-Media-Teams nahbar, | |
transparent und gemocht werden. Wird es doch noch Liebe sein? | |
Blockupy im Wandel: Jetzt geht´s um alles | |
Erst Krisenproteste, jetzt Flüchtlingspolitik: Das Blockupy-Bündnis ruft | |
zum Großkampf. Das beschlossen rund hundert AktivistInnen am Wochenende. | |
Demonstration in Berlin: „Angriff auf die Pressefreiheit“ | |
Gegen die Ermittlungen rund um netzpolitik.org gehen etwa 1.300 Menschen | |
auf die Straße. Zur Personalie Range gibt es unterdessen weitere | |
Wortmeldungen. | |
Die Streitfrage: Soll man gegen G7 protestieren? | |
Wenn die Chefs der sieben mächtigsten Staaten der Welt in Elmau tagen, | |
werden viele Gegner erwartet. Die sind sich allerdings nicht ganz einig. | |
Vor dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau: Furcht vor brennenden Heuballen | |
Die Politik will Bilder von Protesten beim G-7-Gipfel verhindern. Mehr als | |
20.000 Polizisten sollen wenige Demonstranten in Schach halten. | |
G-7-Treffen in Lübeck: Straffes Programm und Proteste | |
Die Proteste gegen das G-7-Außenministertreffen verlaufen friedlich. Hinter | |
verschlossenen Türen wird von Jemen bis Ebola ein großes Paket verhandelt. |