| # taz.de -- Kein Datenschutz für Demonstranten: Polizei will Daten behalten | |
| > Daten über TeilnehmerInnen auf friedlichen Demos darf die Polizei | |
| > eigentlich nicht sammeln. In Niedersachsen soll sie es dennoch getan | |
| > haben. | |
| Bild: Will hier etwa ein Polizist illegal die Daten Dieter Dehms speichern? | |
| GÖTTINGEN taz | Einmal mehr steht die niedersächsische Polizei unter | |
| Verdacht, rechtswidrig Daten über AnmelderInnen und TeilnehmerInnen von | |
| Demonstrationen gesammelt zu haben. Wie der Internetblog „Freiheitsfoo“ | |
| berichtet, sollen die Polizeidirektionen im Land 512 Vorgänge notiert und | |
| in ihrer Datenbank erfasst haben, aus denen hervorgeht, wer an friedlichen | |
| Demonstrationen beteiligt war oder teilgenommen hat. | |
| „Freiheitsfoo“, der sich hauptsächlich mit Menschenrechts- und | |
| Freiheitsthemen mit Blick auf die Digitalisierung beschäftigt, bezieht sich | |
| dabei auf Aussagen eines Referatsleiters der niedersächsischen | |
| Datenschutzbehörde. Dieser soll im Rahmen einer Innenausschusssitzung | |
| Anfang Dezember, bei der es um die Überarbeitung des | |
| Landesversammlungsgesetzes ging, die Vorwürfe gegen die Polizei erwähnt | |
| haben. | |
| Matthias Fischer, Sprecher der Datenschutzbehörde, bestätigte die Vorwürfe | |
| der Behörde: „Unser Referatsleiter hat dort zur Veranschaulichung der | |
| Debatte ein wenig aus dem Nähkästchen berichtet.“ Zu den vom Blog | |
| veröffentlichten Details wollte er sich allerdings vorerst nicht äußern. | |
| Michael Ebeling von „Freiheitsfoo“, der bei der Ausschusssitzung anwesend | |
| war, berichtet, dass die niedersächsischen Polizeidirektionen | |
| personenbezogene Daten bei verschiedenen Demonstrationen gesammelt haben – | |
| obwohl bei diesen kein Straftatverdacht bestanden habe. Dies hat der | |
| Referatsleiter auf Nachfrage eines CDU-Ausschussmitglieds laut Ebeling | |
| bestätigt. In der polizeilichen Datenbank Nivadis wurden die Daten dann | |
| dennoch zusammengetragen. | |
| Fünf der sechs Polizeidirektionen im Land haben dies der Datenschutzbehörde | |
| bestätigt, nachdem die Behörde vom Verdacht erfahren hatte. Angeblich | |
| sollen die meisten Informationen dort inzwischen wieder gelöscht worden | |
| sein. Die Polizeidirektion Lüneburg hingegen will die Daten behalten. Mehr | |
| als 100 gesammelte Einträge, so bestätigten es zwei Mitglieder des | |
| Innenausschusses gegenüber der taz, will die Lüneburger Polizei nicht | |
| wieder löschen. | |
| Nach Ansicht des Göttinger Rechtsanwalts Sven Adam wäre dieses Datensammeln | |
| der Polizei „klar rechtswidrig“. Das niedersächsische Versammlungsrecht | |
| lasse diese Möglichkeit nur sehr begrenzt zu. So dürfte die Polizei im | |
| Vorfeld höchstens von den AnmelderInnen und LeiterInnen der Demonstrationen | |
| persönliche Daten erheben. „Diese sind aber nach einer Demonstration | |
| umgehend zu löschen, sofern nicht der Verdacht besteht, dass Straftaten | |
| begangen worden sind“, sagt Adam. Ansonsten gebe es nur noch das Recht zur | |
| Datenerfassung, wenn sich die AnmelderInnen in der Vergangenheit nicht an | |
| Demonstrationsauflagen gehalten haben. | |
| Ein Recht zur personenbezogenen Erfassung von Teilnehmenden gibt es nicht. | |
| Schon 1985 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die politische | |
| Meinungsbildung auch durch Demonstrationen frei von staatlichen Eingriffen | |
| geschehen solle. Das Notieren von Demo-Teilnehmenden sei damit, sagt Adam, | |
| letztlich auch grundrechtswidrig. | |
| Ob sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist noch nicht endgültig geklärt. Die | |
| Datenschutzbehörde hat das Innenministerium aufgefordert, dazu Stellung zu | |
| beziehen. Pikanterweise ließ das Ministerium eine erste Frist der | |
| DatenschützerInnen verstreichen. „Ungewöhnlich“ nennt Datenschutzsprecher | |
| Fischer dieses Vorgehen. | |
| In den kommenden Tagen läuft die zweite gesetzte Frist ab, bis dahin muss | |
| die Datenschutzbehörde auf die Antwort warten. „Dann wissen wir hoffentlich | |
| mehr“, sagt Fischer. Sollte das Innenministerium diese zweite Frist | |
| einhalten, wollen die DatenschützerInnen im Januar Details nennen. Bisher | |
| äußert sich das Ministerium nicht dazu. Also ist weiterhin unklar, auf | |
| welchen Demonstrationen Daten möglicherweise gesammelt wurden und wie viele | |
| und welche Personen betroffen sind. | |
| Erst 2015 hatte die Göttinger Polizeidirektion vor Gericht eine Niederlage | |
| kassiert, weil sie Daten von Demo-AnmelderInnen sammelte, obwohl die | |
| Demonstrationen friedlich verliefen. Diese Daten hatte die Polizei damals | |
| rechtswidrig an andere Dienststellen und den niedersächsischen | |
| Verfassungsschutz weitergegeben. Rechtsanwalt Adam hatte damals für mehrere | |
| Betroffene geklagt. Die Polizei musste daraufhin die erhobenen Daten | |
| löschen und wollte auch die anderen Dienststellen um Datenlöschung | |
| ersuchen. | |
| 22 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| André Zuschlag | |
| ## TAGS | |
| Lüneburg | |
| Niedersachsen | |
| Polizei | |
| Datenschutz | |
| Demonstrationen | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Datenschutz | |
| Schwerpunkt Antifa | |
| Göttingen | |
| Schwerpunkt Meta | |
| Blockupy | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Prozess gegen Kameraüberwachung: Polizei muss nacharbeiten | |
| Die Polizeidirektion Hannover überwacht öffentliche Straßen und Plätze. | |
| Michael Ebeling klagt dagegen – mittlerweile vor dem | |
| Oberverwaltungsgericht. | |
| Kommentar Datensammlung der Polizei: Erfolgreiche Verdunkelungstaktik | |
| Das Verhalten der Polizei soll offensichtlich verhindern, dass die | |
| Betroffenen und die Öffentlichkeit das ganze Ausmaß der Schnüffelei | |
| erfahren. | |
| Datensammlung über linke Szene: Polizei gesteht Rechtsbruch ein | |
| Die Göttinger Polizei erkennt die Rechtswidrigkeit jahrelanger | |
| Datensammlung über linke Aktivist*innen an, umgeht damit aber eine | |
| Aufklärung. | |
| Überwachung von Göttinger Linken: Die Schnüffler vom Kommissariat 4 | |
| In Göttingen legte die Polizei offenbar über Jahre hinweg rechtswidrig eine | |
| Datensammlung über Linke an. Nun schaltet sich die Justiz ein. | |
| taz-Debattenserie Digitalisierung: So verliebt in mich? | |
| Die Digitalisierung frisst ihre Kinder: Über Facebook, Twitter oder | |
| Instagram muss das perfekte Bild vom Ich geteilt werden. | |
| Was die Polizei twittern darf: Straftaten werden suggeriert | |
| Juristen melden verfassungsrechtliche Bedenken an, ob die Polizei twittern | |
| darf, wie sie Demonstranten bewertet. Die Polizei verteidigt ihre | |
| Strategie. | |
| Demo-Recht: Bitte nicht wie in Bayern | |
| Länder dürfen sich jetzt Versammlungsgesetze geben. Hier liegt der Entwurf | |
| in der Schublade, anderswo werden Grundrechte beschnitten, klagt eine | |
| Anwältin |