# taz.de -- Überwachung von Göttinger Linken: Die Schnüffler vom Kommissaria… | |
> In Göttingen legte die Polizei offenbar über Jahre hinweg rechtswidrig | |
> eine Datensammlung über Linke an. Nun schaltet sich die Justiz ein. | |
Bild: Was bleibt nach der Demo bei der Polizei? (Archivbild April 2017) | |
BERLIN taz | Es waren fünf prall gefüllte Ordner, die im Kommissariat 4 der | |
Göttinger Polizei, dem Staatsschutz, standen. Dutzende Namen waren darin | |
abgeheftet, daneben Fotos, die Wohnanschrift, Religionszugehörigkeit, der | |
Familienstand. Das Vergehen der Gelisteten: Sie erschienen den Polizisten | |
offenbar als Linke. | |
Die Akten wurden über Jahre befüllt. Über eine Person heißt es, er habe an | |
einem Informationsstand gegen die Bundeswehr teilgenommen, ein anderer habe | |
sich auf einer Demonstration im Block der Sozialistischen Arbeiterjugend | |
befunden. Zu einer Frau wird ihr Engagement für die Grüne Jugend vermerkt. | |
Bei einer Person fanden die Beamten auch bemerkenswert, dass sie bei Rewe | |
arbeitet. | |
Auch eine Pinnwand hing im Kommissariat, mit Fotos und Namen einiger der | |
Personen. In internen Emails des Kommissariats wurde auch schon mal | |
notiert, wer zu welcher Uhrzeit mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, im Bus saß | |
oder das Fitnessstudio aufsuchte. Ihre Ordner hatte der Staatsschutz mit | |
„Limo“ beschriftet, ein Polizeibegriff für „Straftäter, politisch links | |
orientiert“. Dass den Aufgeführten Straftaten vorgeworfen wurden, ist aus | |
den Papieren jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr scheint es, dass die | |
Göttinger Staatsschützer schlicht Personen notierten, die sie für weit | |
links hielten. | |
Das Vorgehen wird nun ein Fall für die Justiz. Ein Sprecher des | |
Verwaltungsgerichts Göttingen bestätigte am Freitag der taz, dass acht der | |
geführten Personen diese Woche Klage gegen die Datenerhebung einreichten. | |
Das Gericht solle feststellen, dass die Sammlung rechtswidrig war. Zudem | |
verlangen die Betroffenen Akteneinsicht. Von einem „Skandal“ spricht Sven | |
Adam, Anwalt der Betroffenen. „Das ist eine verdeckte Datenerhebung ohne | |
jede gesetzliche Grundlage. Diese Datei hätte es nie geben dürfen.“ | |
Die Göttinger Polizeidirektion wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. | |
Man sei über die Klage informiert, sagte eine Sprecherin. Zugestellt sei | |
diese aber bisher nicht, deshalb mache man vorerst keine Angaben. | |
## Ermittlung gegen Ex-Beamten | |
Zusätzlich pikant: Nach taz-Informationen behauptet ein seit anderthalb | |
Jahren pensionierter Kriminaloberkommissar aus dem Göttinger Staatsschutz, | |
Vorgesetzte wiederholt auf das rechtswidrige Vorgehen hingewiesen zu haben | |
– ohne dass sich etwas geändert habe. Inzwischen ermittelt die | |
Staatsanwaltschaft Göttingen: allerdings gegen den Mann. Die Göttinger | |
Polizei hatte zu Jahresbeginn Anzeige gegen den Ex-Beamten wegen | |
Verwahrungsbruch und versuchter Erpressung gestellt. Laut einem Sprecher | |
der Staatsanwaltschaft habe er eine Beförderung erzwingen oder andernfalls | |
die Datei öffentlich machen wollen. Im April wurde die Wohnung des | |
63-Jährigen durchsucht. | |
Rechtsanwalt Adam spricht von einem „grotesken“ Vorgehen. „Statt den Mann | |
anzuzeigen, wäre es die Pflicht der Polizei gewesen, seinen Hinweisen | |
nachzugehen und die illegale Praxis umgehend zu stoppen.“ | |
[1][Erst Ende 2016 war bekanntgeworden], dass niedersächsische | |
Polizeibehörden in mehr als 500 Fällen persönliche Daten von | |
Demonstrationsteilnehmern gespeichert hatten. Nach Kritik der | |
Landesdatenschutzbehörde sollen die Einträge wieder gelöscht worden sein. | |
Das niedersächsische Innenministerium hatte 2012 die Polizeidirektionen | |
angewiesen, schon bei Anmeldern von Demonstrationen keine personenbezogenen | |
Daten zu speichern, solange die Aufzüge friedlich blieben. Für | |
Demonstrationsteilnehmer oder sonstig gewaltlos politisch Aktive gilt umso | |
mehr das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. | |
16 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5366309/ | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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