# taz.de -- Pro & Contra Referendum Griechenland: Demokratie oder Irrsinn? | |
> In Griechenland soll das Volk abstimmen, ob es sparen will. Ist das eine | |
> Selbstverständlichkeit oder kompletter Wahnsinn? | |
Bild: Sie sind für die Abstimmung und dann für ein klares „Nein“: Anhäng… | |
## Demokratie | |
Es ist der letzte Trumpf, den Alexis Tsipras noch hatte. Das griechische | |
Volk soll kommenden Sonntag entscheiden, ob es die Sparvorgaben der Troika | |
akzeptiert. Oder nicht. Ist das jetzt Irrsinn? Nein, im Gegenteil. Es | |
bleibt ihm gar nichts anderes übrig. | |
Denn tatsächlich ist Tsipras ja bisher vor allem eins: gescheitert. Er ist | |
mit Syriza angetreten, um mit einer linken Position die Austeritätspolitik | |
in Europa aufzubrechen. Zentraler Punkt: ein Schuldenschnitt, um | |
Griechenland Luft zu verschaffen, damit es überhaupt wieder auf die Beine | |
kommen kann. Bekommen hat er jedoch: Sparvorgaben, jede Menge harter | |
Sparvorgaben, die die soziale Lage im Land weiter verschärfen würden. | |
Nimmt Tsipras sich selbst ernst, muss er nun dazu aufrufen, mit Nein zu | |
stimmen. Selbst wenn dann alles schnurstracks auf den Grexit zuläuft, den | |
Syriza auch nicht will. Es bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera. Daher | |
ist es nicht nur folgerichtig, dass diejenigen darüber entscheiden dürfen, | |
die damit leben werden müssen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein. | |
Zumal Tsipras wohl hofft, mit dem Referendum im Rücken doch noch die | |
Blockadehaltung seiner Verhandlungspartner aufzuknacken – oder zumindest | |
die Deadline 30. Juni. Tsipras ist Taktiker. Warum auch nicht? Taktieren | |
ist Grundlage jeder politischen Debatte. So könnte es ihm wenigstens | |
gelingen, die Kreditrückzahlungsdaten auf die Zeit nach dem Referendum zu | |
verschieben. Warum auch nicht? Solche Limits sind keine unverrückbaren | |
Naturereignisse. Sie lassen sich immer verhandeln. Vor allem mit einer | |
Trumpfkarte in der Hand. Und das ist das Referendum zweifelsohne. | |
Demokratie, das heißt die Herrschaft des Staatsvolkes, ist keine | |
Provokation, wie es Kritiker jetzt Tsipras vorwerfen. Sie ist die Grundlage | |
der Europäischen Union. GEREON ASMUTH | |
## Irrsinn | |
Das griechische Referendum ist ein geschickter innenpolitischer Schachzug | |
der Regierung, um von der drohenden Pleite nicht hinweggespült zu werden. | |
Stimmt die Mehrheit, wie von Alexis Tsipras gewünscht, mit Nein, dann hat | |
sich Syriza ein neues Mandat zum vorläufigen Überleben gesichert. Es geht | |
um die Macht. Es geht darum, die Schuld den anderen zuzuschieben. Mit | |
Demokratie hat dieser Urnengang dagegen eher wenig zu tun. Und das Vorgehen | |
selbst ist der komplette Wahnsinn. | |
Denn worüber sollten die Griechen am kommenden Sonntag eigentlich noch | |
abstimmen? Über einen Kredit, den es bis dahin nicht mehr geben wird? Über | |
den Euro, dessen Fortexistenz in Athen von Tag zu Tag ungewisser wird? Die | |
Euro-Finanzminister haben die Vorstellung abgelehnt, man möge erst einmal | |
das Volk befragen und so lange – und weit darüber hinaus – den Tee | |
umrühren, abgelehnt. Man mag das harsch kritisieren, man kann die | |
verlangten Kreditbedingungen als unfair, kontraproduktiv und neoliberal | |
ablehnen, aber wirklich überraschen kann diese Entscheidung nicht. | |
Alexis Tsipras und seine Links-rechts-Koalition haben mit dem Abbruch der | |
Verhandlungen den eigenen Machterhalt über das Wohl der griechischen | |
Bevölkerung gestellt. Sie mögen die nun folgenden griechischen Wirren | |
politisch überleben. Vielen Griechen aber droht jetzt dagegen das Aus ihrer | |
wirtschaftlichen Existenz. | |
Griechenland hat hoch gepokert und verloren. Der Regierung fehlte die | |
Einsicht, dass sie eben nur eine von 19 demokratisch gewählten Regierungen | |
in der Eurozone ist. Mögen all die anderen mit ihren Rezepten den | |
griechischen Patienten noch mehr ans Krankenbett fesseln – das, was nun | |
folgen könnte, ist der Weg ins Koma. Und da hilft auch kein noch so schönes | |
Referendum heraus. KLAUS HILLENBRAND | |
28 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
Klaus Hillenbrand | |
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