# taz.de -- Sahra Wagenknecht über Griechenland: „Wie Antibiotika und Ratten… | |
> Die Linken-Politikerin Wagenknecht fordert eine andere | |
> Griechenlandpolitik. Sie steht hinter der Syriza-Regierung und setzt auf | |
> neue Verhandlungen. | |
Bild: Noch spucken griechische Geldautomaten Euro-Scheine aus. | |
taz: Frau Wagenknecht, ist der Grexit noch abwendbar? | |
Sahra Wagenknecht: Die Frage ist nicht primär, ob es zum Grexit kommt. Die | |
Frage ist, wie Griechenland die Chance bekommt, die aktuelle tiefe Krise zu | |
überwinden. Auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland | |
können Tsipras für sein Nein dankbar sein, denn das völlig verfehlte Paket | |
der Institutionen hätte die ganze Tragödie nur verlängert und dazu geführt, | |
dass noch mal völlig sinnlos Milliarden verschwendet worden werden. In | |
einem halben Jahr stünden wir dann genau da, wo wir heute stehen, nur dass | |
Griechenland dann noch ärmer und die Schulden noch höher wären. Das wäre | |
keine Lösung. | |
Was dann? | |
Die griechische Wirtschaft muss reaktiviert werden. Dazu braucht das Land | |
Investitionen, eine drastische Vermögensabgabe für Reiche und einen | |
Schuldenschnitt. Stünden nicht ständig Tilgungen alter Schulden an, | |
bräuchte Griechenland aktuell ja gar kein neues Geld. | |
Laut Medienberichten haben Merkel und Hollande den Griechen in der | |
vergangenen Woche ein Milliarden-Konjunkturpaket angeboten. Tsipras hat es | |
abgelehnt. | |
Wenn man Kredite für Investitionen anbietet aber gleichzeitig ein Sparpaket | |
diktiert, das die Wirtschaft noch mal abwürgt, dann ist das, als würde man | |
einem Kranken eine Mischung aus Antibiotika und Rattengift verabreichen. | |
Jetzt bekommt der Patient gar keine Medizin mehr. War es falsch, das | |
Angebot auszuschlagen und ein Referendum vorzuschlagen? | |
Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum in Europa jedes Mal Hysterie | |
ausbricht, wenn eine Regierung ihre Bevölkerung fragen will. Es ist | |
verantwortungsvoll, dass Syriza bei dieser wichtigen Frage die Wähler zu | |
Wort kommen lässt. Mit dem Programm, für das die griechische Regierung im | |
Januar gewählt wurde, wäre eine Zustimmung überhaupt nicht vereinbar | |
gewesen. | |
Weil Tsipras das Referendum in letzter Sekunde ankündigte, wirkt es nun | |
aber wie ein taktischer Schachzug. | |
Der Zeitpunkt ist das Einzige, was man vielleicht berechtigt kritisieren | |
kann. Ich denke aber, die griechische Regierung hat einfach bis zum Schluss | |
gehofft, dass sie eine Verständigung mit den Institutionen findet. | |
Stimmen die Griechen nun mit Ja, müsste Syriza Sparmaßnahmen umsetzen, die | |
sie ablehnt. Kann das gut gehen? | |
Ich hoffe nicht, dass es zu einem Ja kommt. Die griechische Bevölkerung | |
sollte sich nicht von den Erpressungsversuchen einschüchtern lassen, dass | |
sie angeblich zwischen Europa und Chaos entscheidet. Dem ist nicht so. | |
Müsste Syriza abtreten, wenn die Mehrheit der Griechen mit Ja stimmt? | |
Warten wir erst mal ab, was die Mehrheit wirklich entscheidet. | |
Und was passiert, wenn das Referendum mit Nein endet? | |
Dann muss neu verhandelt werden. | |
Neue Zugeständnisse werden die Griechen aber kaum bekommen. | |
Es gehört schon jetzt eine unglaubliche Borniertheit dazu, eine | |
Griechenland-Politik fortzusetzen, die in den letzten Jahren eindeutig | |
gescheitert ist. Was man den Griechen abverlangt, ist ja eine lineare | |
Fortsetzung der Kürzungspolitik der letzten Jahre, die die griechische | |
Wirtschaft bereits um ein Viertel hat schrumpfen lassen und die Armut | |
extrem nach oben getrieben hat. Wenn man sich auch nach einem Referendum | |
nicht dafür interessiert, was die Bevölkerung sagt, dann hat Europa | |
wirklich keine Perspektive mehr. | |
30 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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