Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 70 Jahre Vereinte Nationen: Die UNO muss reformiert werden
> Vor 70 Jahren beschlossen 50 Staaten die Charta der Vereinten Nationen.
> Heute hat sie Reformen dringend nötig, um handlungsfähiger zu werden.
Bild: Auf der Flucht: Jemenitisches Mädchen im Lager bei Dschibouti. Im Hinter…
„Künftige Generationen vor der Geißel des Krieges bewahren.“ Gemessen an
diesem Ziel, formuliert in der Präambel der Gründungscharta der Vereinten
Nationen von 1945, ist die UNO – oder besser, sind ihre inzwischen 193
Mitgliedsstaaten – gescheitert: In den letzten 70 Jahren fanden weltweit
über 260 bewaffnete Konflikte statt, oftmals verbunden mit Völkermord und
anderen schweren Menschenrechtsverletzungen.
Aber ohne die UNO hätten viele dieser Konflikte noch länger gedauert. Viel
mehr Menschen wären gestorben. Ohne die UNO wäre es wahrscheinlich zu einem
dritten Weltkrieg gekommen. Im UNO-Sicherheitsrat wurden vielfach
Situationen entschärft, in der die Welt kurz vor einem atomaren Krieg
stand.
Und ohne die UNO und ihre humanitären Unterorganisationen wären Hunderte
Millionen Opfer von Naturkatastrophen, Hungersnot und Vertreibung in den
letzten 70 Jahren nicht versorgt worden.
Schließlich hat die UNO den Rahmen für die Vereinbarung zahlreicher
internationaler Normen, Regeln und Verträge geboten – unter anderem zu
Rüstungskontrolle und Abrüstung, Menschenrechten, Umweltschutz und
Sozialstandards.
## „Um uns vor der Hölle zu bewahren“
Diese Normen, Regeln und Verträge haben die Erde zwar nicht in Paradies
verwandelt, aber sie trugen dazu bei, das Leben für viele der inzwischen
über sieben Milliarden ErdbewohnerInnen zu verbessern. Schon 1945 sagte
Winston Churchill: „Die UNO wurde nicht gegründet, um uns den Himmel zu
bringen, sondern um uns vor der Hölle zu bewahren“.
Dennoch hat das vergangene Jahr bei vielen Menschen stärker als je zuvor
seit Ende des Kalten Krieges den Eindruck vom „globalen Chaos“ geschaffen.
Dazu haben die Gewaltkonflikte in Syrien, Irak, der Ukraine und im
Gazastreifen, das Vordringen der Terrororganisation Islamischer Staat und
die Ausbreitung der Ebola-Seuche beigetragen. Es schien, als sei die Welt
aus den Fugen geratenen, und die UNO versage nur noch oder spiele überhaupt
keine Rolle mehr.
Tatsächlich war die UNO 2014 – besonders gravierend im Fall Syriens–
politisch blockiert; wegen ihrer konträren Interessen waren die fünf
Vetomächte unfähig, Gewaltkonflikte zu beenden. Und in einem bislang nie
dagewesenen Ausmaß haben sie dabei versagt, die überlebenden Opfer
wenigstens ausreichend humanitär zu unterstützen.
## Wenig Geld für die UNO, viel für die Rüstung
Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und das
Welternährungsprogramm mussten die Versorgung von 2,5 Millionen syrischer
und afrikanischer Flüchtlinge drastisch reduzieren und zeitweise ganz
einstellen. Grund: Trotz dringender Appelle erhielten sie viel zu wenig
Finanzmittel von den UNO-Mitgliedsstaaten. Für 2015 zeichnet sich ein noch
dramatischeres Defizit bei den Hilfswerken der UNO ab.
Damit die Weltorganisation handlungsfähiger wird, muss die Finanzierung des
UNO-Systems dringend gründlich reformiert werden. Im Jahr 2014 beliefen
sich die Ausgaben für das gesamte UNO-System auf rund 30 Milliarden
US-Dollar, was die Hauptquartiere in New York und Genf sowie weitere
Regionalzentren und Länderbüros einschließt, außerdem knapp 40
Sonderorganisationen und Spezialprogramme sowie derzeit rund 120.000 im
Einsatz befindliche Blauhelmsoldaten, Militärbeobachter und UNO-Polizisten.
Das entspricht gut vier Dollar pro Kopf der 7,2 Milliarden ErdbewohnerInnen
und 0,038 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts (BSP) von 77, 4
Billionen Dollar.
Zugleich haben die 193 UNO-Staaten 2014 knapp 1,8 Billionen (1.800
Milliarden) Dollar für Rüstung und militärisches Personal ausgegeben – 250
Dollar pro ErdbewohnerIn oder 2,3 Prozent des globalen BSP.↓
## Das Finanzsystem macht die UNO erpressbar
Nur zehn Prozent der benötigten 30 Milliarden Dollar für das UNO-System
kamen 2014 aus dem regulären, von der Generalversammlung in New York
beschlossenen Haushalt der UNO. Dieser wird durch prozentuale
Pflichtbeiträge der 193 Mitgliedsstaaten finanziert.
Für die übrigen 90 Prozent ist die UNO von freiwilligen Beiträgen abhängig.
Diese Finanzierungsstruktur beeinträchtigt die Planungssicherheit für die
Arbeit der UNO erheblich: Es macht sie erpressbar. Einzelne Staaten können
– durch die Gewährung oder Verweigerung freiwilliger Beiträge – die Arbeit
der Weltorganisation entsprechend jeweiliger nationaler Interessen steuern.
Eine verlässliche und ausreichende Finanzierung des UNO-Systems wäre durch
verbindliche Pflichtbeiträge aller 193 Mitgliedsstaaten in Höhe von 0,05
Prozent ihres jeweiligen Bruttosozialprodukts möglich. Damit wären 2014
rund 38,7 Milliarden Dollar zusammengekommen. Die Nahrungsmittelhilfe für
2,5 Millionen Flüchtlinge hätte nicht eingeschränkt werden müssen. Im
Haushalt des UNHCR hätten nicht 45 Prozent (2,5 Milliarden Dollar) gefehlt.
Und die UNO hätte den auf Kosten von 4,3 Milliarden Dollar veranschlagten
Wiederaufbau der im Gazakrieg zerstörten Wohnhäuser von 100.000
palästinensischen Familien nicht aus Geldmangel abbrechen müssen.
26 Jun 2015
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Vereinte Nationen
Uno
UN-Charta
UN-Vollversammlung
UN-Konvention
Schwerpunkt Syrien
sexueller Missbrauch
Vereinte Nationen
Vereinte Nationen
Vereinte Nationen
UN-Konferenz
Milo Rau
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Sudan
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kriegsverbrechen im syrischen Madaja: Der Tod kommt leise
Den Syrern in Madaja droht der Hungertod. Die Bevölkerung auszuhungern und
zu beschießen ist verboten, aber gängige Praxis.
Kommentar Entlassung UN-Blauhelmchef: Merkwürdiger Nachgeschmack
Er will ein Zeichen setzten: Ban Ki Moon entlässt erstmals den Chef einer
Blauhelmmission. Aber für die Menschen in Bangui ändert sich dadurch
nichts.
Nachhaltige Entwicklungsziele der UNO: Noch 15 Jahre bis zur guten Welt
Die Millenniumsziele der UNO werden nicht erreicht. Nun hat der Staatenbund
seine neuen „nachhaltigen Entwicklungsziele“ verabschiedet.
Entwicklungsziele der Vereinten Nationen: Agenda 2030
Die 193 Staaten der Vereinten Nationen haben sich auf neue
Entwicklungsziele für 2030 geeinigt. Sie nehmen sich viel vor und wollen
Armut und Hunger besiegen.
Leitung der Vereinten Nationen: Frauen an die Macht
Die Vereinten Nationen sollen zum ersten Mal seit ihrer Gründung vor 70
Jahren von einer Frau geführt werden. Das wünscht sich jeder vierte
Mitgliedstaat der UN.
70. Jahrestag der UNO-Gründung: Traum von Frieden und Sicherheit
50 Staaten beschlossen am 26. Juni 1945 die Charta der Vereinten Nationen.
Mit ihr begann das Ende des britischen Kolonialreiches.
„Kongo-Tribunal in Berlin“: „Machen wir mal ein Weltgericht“
Regisseur Milo Rau bringt sein Tribunal zu den Verbrechen im Kongo nach
Berlin. Ein Gespräch über Nürnberger Prozesse und symbolisches Sprechen.
Nahost-Konflikt: Frankreich sucht für die UNO
Frankreichs Außenminister lotet im Nahen Osten die Stimmung für eine
UN-Resolution aus. Er fordert eine schnelle Zwei-Staaten-Lösung.
Krieg im Südsudan: Brutale Verbrechen an Kindern
Laut UNO begehen Konfliktparteien im Sudan furchtbare Verbrechen. Kinder
sollen kastriert, zwangsrektrutiert und ermordet worden sein.
9 Millionen Iraker auf der Flucht: UNO braucht mehr Geld für den Irak
Der UN-Hilfskoordinator sagt, die humanitäre Lage im Irak sei schlimmer als
in Syrien. Das liege vor allem an den Binnenvertriebenen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.