# taz.de -- NSA-Untersuchungsausschuss: Regierung findet Bauernopfer | |
> Innenminister Thomas de Maizière weist jede Schuld für die Spionage | |
> mittels NSA-Selektoren von sich – und beschuldigt den BND. | |
Bild: Unschuldslamm: Thomas de Maizière. | |
BERLIN taz | Ganz am Ende seines Auftritts im NSA-Untersuchungsausschuss | |
bringt der prominente Zeuge seine Botschaft überraschend hart auf den | |
Punkt. „Der Kernfehler liegt zu 100 Prozent beim BND“, behauptet | |
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor den Abgeordneten. Der | |
Bundesnachrichtendienst habe es versäumt, seine brisanten Erkenntnisse zu | |
den [1][NSA-Selektoren] „von unten nach oben“ zu melden. Er selbst aber | |
könne bei sich „bisher keine Fehler erkennen“, sagt de Maizière. „Als C… | |
des Bundeskanzleramts habe ich keine Kenntnis von den Selektoren erhalten.“ | |
Mit dieser Diagnose ist der heutige Innenminister in guter Gesellschaft. | |
Vor ihm hat bereits ein ranghoher Staatssekretär aus dem Kanzleramt | |
jegliche Verantwortung von sich gewiesen: Klaus-Dieter Fritsche, | |
Beauftragter für die Nachrichtendienste. | |
Fritsche hatte schon 2005 bis 2009 unter de Maizière im Kanzleramt die | |
Geheimdienstabteilung geleitet. Auch er behauptete am Donnerstag im | |
U-Ausschuss: „Fehler in der Rechts- und Fachaufsicht kann ich nicht | |
erkennen.“ Im Klartext: die Schuld am Skandal um die deutsche Beihilfe zur | |
NSA-Spionage in Europa trage allein der BND. | |
Weder de Maizière noch Fritsche wollen in der entscheidenden Zeit etwas von | |
den NSA-Suchbegriffen zu Konzernen wie EADS oder Eurocopter mitbekommen | |
haben, die dem BND untergeschoben worden waren. | |
## BND will es gewusst haben | |
Doch ihre Aussagen widersprechen dem, was eine Woche zuvor ein anderer | |
Zeuge im Untersuchungssausschuss berichtet hatte. Ernst Uhrlau, bis 2011 | |
Präsident des Bundesnachrichtendienstes, will dem Kanzleramt schon 2006 den | |
alarmierenden Befund zu den NSA-Selektoren gemeldet haben. | |
Seine Behörde sei in Bezug auf die NSA-Kooperation seither „bösgläubig“ | |
gewesen. „Ich gehe davon aus, dass ich das bei den regelmäßigen | |
Besprechungen, die ich mit Herrn Fritsche hatte, nicht unerwähnt gelassen | |
habe“, versicherte Uhrlau. Das hieße: Auch dem Kanzleramt hätten seit 2006 | |
Hinweise auf das Selektoren-Problem vorgelegen. Trägt die Regierung also | |
eine erhebliche Mitschuld an der Affäre? | |
Genau diesen Vorwurf versucht der Bundesinnenminister in seiner | |
vierstündigen Befragung am Donnerstag zu entkräften. Seine | |
Verteidigungsstrategie geht voll auf Kosten Uhrlaus. Der ist inzwischen | |
Pensionär - und offensichtlich damit ein geeignetes Bauernopfer. | |
Von den Abgeordneten auf schwammige Äußerungen des Ex-BND-Chefs | |
angesprochen, lästert de Maizière: Das sei ein „typischer Uhrlau-Satz“. | |
Uhrlau sei damals auch „nicht richtig im Film“ gewesen. Selten hat ein | |
Bundesinnenminister öffentlich so schonungslos über einen BND-Präsidenten | |
a.D. und den Auslandsgeheimdienst geredet. | |
19 Jun 2015 | |
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## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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