# taz.de -- Fußball-WM 2015 in Kanada: „Wir gehen raus. Bumm.“ | |
> Simone Laudehr erklärt, warum manches beim deutschen Team noch nicht so | |
> gut aussieht und was sich genau ändern muss. | |
Bild: Rita Akaffou (Elfenbeinküste) foult Simone Laudehr | |
taz: Das deutsche Team gilt in Kanada als effektiv, aber unglamourös. Stört | |
Sie diese Wahrnehmung? | |
Simone Laudehr: Bisher wurden wir hier nett empfangen. Die Leute freuen | |
sich immer total, wenn sie uns sehen. Keine Ahnung, ob sie einen an den | |
O-Beinen erkennen oder ob die uns wirklich kennen. Na ja, und Mascara haben | |
einige von uns schon auf den Wimpern. | |
Sie nicht. | |
Ich bin dafür nicht so der Typ. Ich schminke mich nur, wenn ich abends | |
ausgehe. Ich bin eher die, die das falsche Mascara erwischt, das nach ein | |
paar Spurts verläuft und dann aussieht als hätte eine Bombe eingeschlagen. | |
Sie gelten eher als burschikoser Typ. Würden Sie noch mal so eine flotte | |
Werbekampagne wie die zur WM 2011 mitmachen: offene Haare, Highheels und | |
schulterfreies Abendkleid? | |
Klar. Das war doch schön. Außer, dass mir die Füße weh taten danach. Aber | |
Absatzschuhe trag ich privat auch. | |
Stichwort Bombe. Ein kanadischer Journalist schrieb über das deutsche Team, | |
es hätte den Charme einer Bowlingkugel, die man aus dem Flugzeug wirft. | |
Können Sie darüber lachen? | |
Klar, das ist lustig. Wir gehen auf den Platz. Bumm. Und wieder runter. Wir | |
gucken vorher nicht, ob die grüne oder rote Strähne richtig geflochten ist. | |
Wir machen uns fertig, sind konzentriert, gehen raus und versuchen zu | |
gewinnen. | |
Zu „Thunderstruck“ von AC/DC ins Stadion zu tanzen, wie es Abby Wambach in | |
Winnipeg getan hat, würde man von einer deutschen Spielerin nicht sehen, | |
oder? | |
Wenn hier jetzt Coldplay spielen würde und die würden mich fragen, ob ich | |
einen Move auf der Tanzfläche mache, würd ich das sofort tun. Aber wir sind | |
hier halt bei der WM und versuchen uns zu fokussieren. | |
Im Spiel gegen Thailand ging der Versuch eher schief. | |
Wir haben das Spiel 4:0 gewonnen. Am Ende interessiert keinen mehr wie. | |
Aber selbst wenn wir in schwierige Situationen kommen, haben wir | |
charakterstarke Typen, die das Spiel wieder beruhigen können. | |
Sie sind eine davon, saßen bei dem Spiel aber auf der Bank. Fehlte das | |
Kampfschwein, wie Sie sich selber mal genannt haben? | |
Von außen ist es natürlich immer viel einfacher zu beurteilen, was schief | |
läuft. Auf dem Spielfeld ist das viel schwieriger. Ich jedenfalls mag die | |
1:1-Situation sehr gern. Ich muss zwar damit rechnen, dass ich da öfter mal | |
umgeholzt werde. Aber na und? | |
Nach dem Spiel hatte Nadine Angerer angekündigt, es werde eine Aussprache | |
unter den Spielerinnen geben, weil man so nicht noch einmal auftreten | |
könne. | |
Ja, die gab es auch. Wir sind natürlich selbstkritisch und haben uns das | |
alles noch mal angeguckt und analysiert und besprochen, damit uns die | |
Fehler gegen Schweden nicht passieren. | |
Welche Schwachstellen haben Sie erkannt? | |
Gegen Thailand hätten wir schneller breit machen und mutiger nach vorne | |
spielen müssen. Gegen Norwegen haben wir die zweiten Bälle nicht mehr | |
gewonnen, um schnell zu spielen. Und uns einige Fehlpässe erlaubt, die | |
nicht sein müssen. Gegen Thailand hatten wir einfach einen Tag, wo es nicht | |
so gestimmt hat, und dann kommt man da nicht mehr raus. | |
Stimmt der Eindruck, dass das Team etwas aus der Fassung gerät, wenn ’s | |
nicht so gut läuft und zu verzweifelten Einzelaktionen tendiert wie | |
Dzsenifer Marozsans Distanzschüsse aufs Tor? | |
Aus der Fassung geraten wir nicht. Aber klar, wenn wir nicht so ins Spiel | |
kommen, passieren uns Fehler, die uns eigentlich nicht so oft passieren. Zu | |
Dzsenifer kann ich nur sagen, dass sie den Mut hat, etwas zu probieren. Und | |
das ist sehr wichtig. Wenn das schief läuft, sieht es halt nicht gut aus. | |
Wenn es aber klappt, und das wird es sicher auch noch, dann werden wieder | |
alle sagen, dass sie überragend ist. Zu recht. Wenn die Maro sich so | |
weiterentwickelt, dann wird die, wenn die Ära Marta mal zu Ende ist, eine | |
der besten Spielerinnen der Welt werden. | |
Im Vergleich zur WM 2011 – fühlt es sich im Team besser an? | |
Das Team hat sehr viel Spaß. Und athletisch sind wir besser, das gleicht | |
sich, obwohl ich den Vergleich mit den Männern eigentlich nicht mag, den | |
Männern an. | |
Warum nervt Sie der Vergleich? | |
Man vergleicht ja auch nicht Koch und Köchin. Man bewertet das, was man | |
isst, danach, ob es einem schmeckt, und nicht danach, ob es ein Mann oder | |
eine Frau gekocht hat. Ich würde aber schon sagen, dass auch die Frauen | |
zunehmend Systeme und Taktiken wechseln, so wie man das aus dem | |
Männerfußball kennen. Einige Teams machen Mittelfeldpressing, andere | |
Defensivpressing, manche gehen voll vorne drauf und lassen sich wieder | |
zurückfallen. | |
Also guckt man sich schon was ab von den Männern? | |
Ja, natürlich. Wenn ich mir Messi angucke, dann sehe ich, wie er Kraft | |
spart, nicht bei jeder Aktion noch mit nach hinten geht. Bei Ballbesitz | |
nutzt er den Moment aus, in dem er den Gegner anlockt und dann, wenn der | |
Gegner drauf geht, macht er den Doppelpass oder geht auf die offene Seite | |
und dribbelt. | |
Sie sind auch ein Allrounder, haben schon auf jeder Position gespielt. | |
Nein. Im Tor stand ich noch nicht. Ich bin so eine Wundertüte. Gegen Paris | |
im Champions-League-Finale dachte ich, ich spiele auf der 6 und hab mich | |
vor dem Spiel im Kopf auf gutes Stellungsspiel, auf Zupacken und auf | |
Spielerdeckung eingestellt. Als ich dann aber in der Kabine die Aufstellung | |
sah, war ich als linker Verteidiger eingeteilt. Da musste ich innerhalb von | |
wenigen Minuten meinen Kopf durchrütteln. | |
Ihre Vorrundenbilanz? | |
Okay. Aber wir können es besser. Vor allem vorne. Wir dürfen jetzt nicht | |
unruhig werden. Das Gute ist, dass wir turniererfahren sind. | |
Ein Wort zum Achtelfinalgegner Schweden? | |
Bisher haben die eher ein durchwachsenes Turnier gespielt. Aber wenn es | |
drauf ankommt, können die ihren Hebel umlegen. Darauf müssen wir gefasst | |
sein. Die werden kämpfen bis zuletzt. Wir auch. | |
20 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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