# taz.de -- Brasilien bei der WM 2015: Das Scheitern des Ego-Prinzips | |
> Schon im Achtelfinale gegen Australien ereilt Brasilien das WM-Aus. So | |
> endet die Blütezeit des Marta-Fußballs wohl endgültig und titellos. | |
Bild: Man verlässt sich auf sie – und lässt sie dabei oft allein: Marta auf… | |
Berlin taz | Ein einziges Mal bei dieser Weltmeisterschaft war der Name | |
Marta noch einmal in aller Munde. Gleich beim Auftaktspiel gegen Südkorea | |
erzielte die Brasilianerin ein historisches Tor – ihr 15. Treffer im 15. | |
WM-Spiel. So oft hat noch keine andere Fußballerin auf der ganz großen | |
Bühne getroffen. Doch schon dieser Eintrag in die Geschichtsbücher fiel | |
recht schnörkellos aus. Erst durch einen Elfmeterpfiff der Schiedsrichterin | |
wurde Marta der Weg zum Tor freigeräumt. | |
Es spricht viel dafür, dass dieser Schuss aus elf Metern den Anfang vom | |
Ende einer großen Karriere markierte. Am Sonntag musste die fünfmalige | |
Weltfußballerin in der kanadischen Provinzstadt Moncton Abschied nehmen vom | |
Elitetreffen der weltbesten Fußballerinnen. Nach der 0:1-Niederlage gegen | |
Außenseiter Australien schlich sie wortlos vom Platz. Interviewwünsche | |
blockte sie ab. Vor dem Turnier hatte sie noch Zuversicht verbreitet: | |
„Natürlich können wir Weltmeister werden. Ich jedenfalls glaube an uns.“ | |
Aus dem Abstand besehen, hatten bereits diese Statements im Vorfeld den | |
Charakter von Durchhalteparolen. Das brasilianische Nationalteam ist seit | |
einem guten Jahrzehnt ein Eine-Frau-Unternehmen, das es versäumt hat, sich | |
an die veränderten Bedingungen anzupassen. | |
In den Anfangszeiten vermochte Marta die noch nicht so durchorganisierten | |
gegnerischen Reihen im Alleingang durcheinanderzuwirbeln. Sie war | |
Vorbereiterin und Vollstreckerin, zur Not genügten ihr zwei, drei etwas | |
begabtere Mitspielerinnen im brasilianischen Team – die Stürmerin | |
Christiane etwa. Und mit ihrem unbändigen Willen, der sie bei den | |
gegnerischen Fans so manche Sympathien kostete, wirkte sie auch im mentalen | |
Bereich als großes Vorbild für ihr Team. | |
## Konkurrenzloser als Messi | |
Erst im WM-Endspiel 2007 und im Finale bei den Olympischen Spielen 2008 | |
scheiterte die Marta-Elf an besser strukturierten Kollektiven – an | |
Deutschland und den USA. Es war die Blütezeit des brasilianischen | |
Marta-Fußballs. Und der Mangel an Teamerfolg wurde der Protagonistin in den | |
Jahren 2006 bis 2010 mit der Auszeichnung als Weltfußballerin des Jahres | |
vergolten. Sie gewann die Wahlen jeweils nahezu konkurrenzlos. Anders als | |
Messi, der sich stets mit Ronaldo messen lassen musste, konnte keine | |
Fußballerin den Vergleich mit Marta aufnehmen. Dass sie in den letzten | |
Jahren nicht mehr erste Wahl war, hatte nicht etwa mit einem rapiden | |
Formabfall von Marta zu tun, sondern hing vielmehr mit der taktischen | |
Entwicklung im Frauenfußball zusammen. | |
Während Brasilien bei der Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland immer noch | |
auf eine Libera setzte, weil es Marta ja schon irgendwie richten würde, | |
kompensierten etwa die späteren japanischen Weltmeisterinnen ihre | |
körperliche Unterlegenheit durch ein durchdachtes und gut organisiertes | |
Kombinationsspiel. Auch andere Teams besannen sich darauf, wie man | |
individuelle Defizite im Verbund ausgleichen konnte. | |
Das brasilianische Team setzte dagegen weiter unverdrossen auf das Prinzip | |
Marta und schnitt damit der weltbesten Fußballerin den Weg zu weiterem Ruhm | |
ab. Doch Marta ist erst 29 Jahre alt. Eine WM-Teilnahme 2019 ist durchaus | |
denkbar. Eigentlich ist es noch zu früh für einen Abgesang. Und Marta ist | |
nach wie vor zu Großem fähig. | |
## Sie kann es auch im Taktikkorsett | |
Im vergangenen Jahr war sie [1][beim Champions-League-Finale] weit und | |
breit die beste Spielerin auf dem Feld, als sie mit ihren schwedischen Klub | |
Tyresö FF gegen den VfL Wolfsburg nur knapp scheiterte. Die Partie war ein | |
eindrucksvoller Beleg dafür, dass sich auch die brillante Technikerin gut | |
in ein taktisches Korsett einfügen lässt. | |
Doch die Strukturfehler, wie sie im brasilianischen Frauenfußball begangen | |
wurden, lassen sich nicht auf die Schnelle beheben. Im kanadischen Moncton | |
ist das Team am Ende einer Einbahnstraße angekommen. Die Statistik von | |
Marta in diesem Turnier spricht Bände. Außer dem Strafstoß im Auftaktspiel | |
gelang ihr in drei Begegnungen nur ein zweiter Schuss aufs Tor. Sprich: die | |
Gegnerinnen, Südkorea, Spanien und Australien – alles keine Größen im | |
Frauenfußball – haben sie dank einer passablen Organisation aus dem Turnier | |
rausgenommen. | |
Auf bislang vier Weltmeisterschaftsteilnahmen hat es die große | |
Individualistin Marta gebracht. Eine Zeitspanne, in der sich im | |
Frauenfußball so viel verändert hat wie nie zuvor. Auch große | |
Fußballerinnen kommen nicht mehr ohne große Teams aus. | |
22 Jun 2015 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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