# taz.de -- Flüchtlinge brauchen Unterkunft: „Die Städte sind überfordert�… | |
> Niedersachsens Städte- und Gemeindebund fordert, die Zahl der Flüchtlinge | |
> zu begrenzen und mehr Geld für deren Integration. | |
Bild: Eine Flüchtlingsunterkunft auf einem Truppenübungsplatz bietet kaum Cha… | |
taz: Herr Bullerdiek, der niedersächsische Städte- und Gemeindebund warnt, | |
die Flüchtlingspolitik führe zu Chaos. Warum? | |
Thorsten Bullerdiek: Derzeit kommen zu viele Flüchtlinge auf einmal. Um | |
diesen Menschen gerecht zu werden, muss die Zuwanderung kontrollierter | |
gestaltet werden - schließlich wollen wir die Flüchtlinge integrieren und | |
nicht bloß irgendwo unterbringen. Die Städte und Gemeinden sind | |
überfordert. | |
Inwiefern? | |
Aktuell läuft es so: Wir bekommen Menschen aus den | |
Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zugewiesen - und kennen gerade einmal | |
ihren Namen. Wir wissen aber nicht, ob diese Menschen traumatisiert sind, | |
ob sie ärztliche Hilfe brauchen, wie gut sie Deutsch sprechen, ob ihre | |
Kinder Plätze in der Schule oder im Kindergarten brauchen. Wir wissen nicht | |
einmal, auf wie viele Flüchtlinge wir uns insgesamt einstellen sollen. | |
Die Innenminister rechnen mit 450.000 Menschen, die in diesem Jahr Schutz | |
in Deutschland suchen werden. Niedersachsen soll gerade einmal zehn Prozent | |
von ihnen aufnehmen. Wo ist das Problem? | |
Ende 2014 hieß es, wir sollten uns auf 300.000 Flüchtlinge einstellen. | |
Jetzt könnte ihre Zahl bei 500.000 liegen. Deshalb brauchen wir einfach | |
verlässliche Zahlen als Planungsgrundlage - sonst droht die | |
Willkommenskultur hier in Niedersachsen, über die wir uns wirklich freuen, | |
zu verschwinden. | |
Sie fürchten, die Stimmung in der Bevölkerung könnte sich gegen | |
Schutzsuchende wenden? | |
Wenn wir unpopuläre Maßnahmen treffen müssen, könnte es zu Protesten gegen | |
Flüchtlinge kommen, ja. | |
Was meinen Sie mit „unpopulären Maßnahmen“? | |
Schon heute ist es in Einzelfällen vorgekommen, dass etwa Schulturnhallen | |
zur Flüchtlingsunterbringung genutzt werden mussten. Gerade im Winter fällt | |
dann natürlich der Sportunterricht aus - was kein Problem ist, wenn es sich | |
nur um Wochen handelt. Eine Dauerlösung kann das aber nicht sein. | |
Was müsste sich an dieser Situation ändern? | |
Wir fordern, dass der Bund eindeutiger wird und eine Höchstgrenze von | |
Flüchtlingen für die Bundesländer festlegt, die wir jährlich betreuen | |
sollen. Wir brauchen einfach mehr Planungssicherheit. | |
Und wo soll diese Höchstgrenze ihrer Meinung nach liegen? | |
Ich will mich nicht auf irgendwelche Zahlen festlegen. Wie gesagt: In | |
diesem Jahr könnten mehr als eine halbe Million Menschen zu uns kommen - so | |
viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Danach muss evaluiert werden, ob | |
deren Integration leistbar war. | |
Das heißt im Klartext: Bei 600.000 Schutzsuchenden könnten sich die Städte | |
und Gemeinden endgültig überfordert fühlen? | |
Das könnte so sein, ja. | |
Fürchten Sie nicht, mit einer solchen „Das Boot ist voll“-Rhetorik | |
Rechtsextremen Argumente zu liefern? | |
Nein. Wir fordern das Ende einer Asylpolitik auf Zuruf - und wollen damit | |
doch gerade verhindern, dass sich das gesellschaftliche Klima gegen | |
Flüchtlinge wendet. Deshalb fordern wir auch mehr Geld vom Bund und vom | |
Land. | |
Warum? | |
Aktuell bringen beide 6.195 Euro pro Flüchtling und Jahr auf - eine | |
Erhöhung auf etwa 8.000 Euro ist angekündigt. Die wirklichen, von den | |
Kommunen getragenen Kosten liegen aber bei mehr als 10.000 Euro - und darin | |
sind eine soziale Betreuung ebenso wenig einberechnet wie Sprachkurse oder | |
die Arbeitsvermittlung. | |
19 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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