# taz.de -- Die Streitfrage: Stadt, Land, Flüchtling | |
> Wer es als Flüchtling nach Deutschland schafft, genießt noch keine | |
> Sicherheit. Die Unterbringung ist schwierig – in der Stadt und auf dem | |
> Land. | |
Bild: Ein Banner nahe Tröglitz. Auch dort setzen sich Anwohner für Flüchtlin… | |
Nach Tausenden Toten im Mittelmeer reicht Bedauern nicht aus, es sollte | |
etwas passieren: Beim EU-Sondergipfel wurde aber klar, dass Grenzschutz vor | |
Seenotrettung geht. Wem es doch gelingt, sich nach Deutschland | |
durchzuschlagen, landet oft in Massenunterkünften in strukturschwachen | |
Regionen und sieht sich fremdenfeindlichen Übergriffen ausgesetzt. | |
In der Großstadt scheint es auf den ersten Blick besser zu sein. Doch auch | |
dort sind Flüchtlinge nicht immer sicher oder gar gern gesehen. Das ist die | |
Lehre, die man aus brennenden Flüchtlingsheimen und rassistischen | |
Übergriffen in Berlin, Hamburg, Leipzig und Dresden, ziehen kann. Stadt | |
oder Land, was ist besser? | |
Karl Kopp, Europareferent von „Pro Asyl“, kritisiert, dass Asylsuchende in | |
Einrichtungen mit Lagercharakter untergebracht werden. „Unterkünfte in | |
entlegenen Dörfern oder Gewerbegebieten vereiteln faktisch die Rechte der | |
Schutzsuchenden auf Bildung, auf Arbeit oder Gesundheit. Daher sollte | |
Asylsuchenden ein Umzug in die Stadt ihrer Wahl ermöglicht werden“, sagt er | |
der taz.am wochenende. | |
## Wohnungen statt Massenunterkünfte | |
Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken, reicht das nicht. Die | |
Bundesregierung solle ihre Beihilfe zur EU-Abschottungspolitik beenden, | |
fordert sie. „Solange die Bundesregierung die Geflüchteten nicht vor | |
rassistischen Mobs wie in Tröglitz schützt und ihre | |
nützlichkeitsrassistischen Kampagnen einstellt, sind diese weder auf dem | |
Land noch in der Stadt sicher“, sagt Dagdelen, „Eine menschenwürdige | |
Unterbringung muss daher dezentral in Wohnungen statt dauerhaft in | |
Massenunterkünften erfolgen.“ | |
Die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags, Dr. Eva Lohse, stimmt dem zum | |
größten Teil zu.„Die Aufnahme von Flüchtlingen mit oft schweren Schicksalen | |
geht unsere gesamte Gesellschaft an – in großen Städten wie in kleinen | |
Gemeinden“, sagt Lohse, die auch Oberbürgermeisterin Ludwigshafens ist. | |
Flüchtlingsfreie Zonen dürfe es nicht geben. Die Antwort auf | |
Fremdenfeindlichkeit solle Engagement und der Abbau von Ängsten sein, wie | |
es viele Menschen durch Nachbarschaftshilfe bereits vorleben. | |
Dagegen sieht Mario Czaja, Sozialsenator der CDU in Berlin, die Aufnahme | |
von Flüchtlingen in Großstädten kritisch, da hier wegen des allgemeinen | |
Andrangs kaum Wohnungen bereitstünden. „Daher baut und mietet das Land | |
Berlin, neben der nicht einfachen Suche nach mehr Wohnungen für | |
Flüchtlinge, auch zum ersten Mal selbst Unterkünfte für Flüchtlinge.“, sa… | |
Czaja der taz.am wochenende. | |
## Ein gutes Miteinander | |
Gerade auf dem Land sei eine Willkommenskultur möglich, sagt Barbara | |
Kirchhainer, Gemeinderätin der Linken in Sanitz. Denn die Großstadt sei | |
anonym. „In kleinen Orte kennt und hilft man sich untereinander. Es gibt | |
Ansprechpartner in Vereinen, Kitas, Schulen, bei Ärzten und auf Ämtern“, | |
sagt Kirchhainer. Ihr Rezept für ein gutes Miteinander: „Wenn Bürger | |
rechtzeitig ,mitgenommen’ werden, stehen sie zu ihren neuen Nachbarn.“ Das | |
funktioniere nur durch Kennenlernen, Paten- und Freundschaften, beginnend | |
bei Kindern und Senioren. | |
Außerdem diskutierte der taz-Leser Philip Dingeldey mit, der die | |
Streitfrage „Flüchtlinge in die Großstadt?“ per Mail kommentiert hat. | |
25 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Tobias Hausdorf | |
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