# taz.de -- Die Wahrheit: Die Schlacht um Tröglitz | |
> Das verdiente Ende einer Zonenstadt. Ein Schlachtfeld, auf dem | |
> internationale Truppen den Sachsen-Anhaltinern Manieren beigebracht | |
> haben. | |
Bild: Weithin in den dunklen Burgenlandkreis leuchtete das Bombenfeuer wider di… | |
Nach dem Rücktritt des von Rechtsextremisten bedrängten Bürgermeisters | |
Markus Nierth und dem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim geriet die | |
Sicherheitslage in der Stadt Tröglitz in Sachsen-Anhalt am gestrigen Montag | |
außer Kontrolle. Auf den Straßen tanzte der braune Mob, zwei Streifenwagen | |
gingen in Flammen auf, und die verbliebenen fünf Bereitschaftspolizisten | |
verschanzten sich in einer Kindertagesstätte, auf die schon bald ein | |
Bierdosenhagel niederging. | |
Als der einheimische Pöbel kurz darauf den Penny-Markt gestürmt, eine | |
Würstchenbude verwüstet und aus Übermut viertausend Liter Frittenfett in | |
die Weiße Elster, einen Nebenfluss der Saale, eingeleitet hatte, trat der | |
UNO-Sicherheitsrat zusammen und beschloss in Abstimmung mit der Nato die | |
Entsendung einer internationalen Friedenstruppe, die den außer Rand und | |
Band geratenen Tröglitzern Manieren beibringen sollte. | |
Weil an der Spitze der Verbände ein General aus Vietnam marschierte, | |
fühlten die verstockten Einwohner sich in ihrer nationalen Ehre gekränkt | |
und leisteten dem Feind erbitterten Widerstand mit Unterschriftensammlungen | |
und Artilleriegeschützen. Daraufhin schickte der Oberkommandierende der | |
Nato am Dienstag eine Drohnenflotte aus, die Tröglitz dem Erdboden | |
gleichmachen sollte, von der Hainichener Dorfstraße bis hinauf nach | |
Könderitz, was auch weitgehend gelang. | |
Mit 260 Divisionen, vier Millionen motorisierten Fahrzeugen, 11.790 | |
Lafetten und 16.417 Panzern zogen die alliierten Streitkräfte sodann ins | |
Stadtinnere ein und erreichten zur Mittagszeit den Knotenpunkt | |
Friedensplatz. Damit schnitten sie den im Norden eingekesselten | |
Werwolfverbänden die letzte Rückzugsmöglichkeit ab. Gebremst wurde das | |
Tempo des Vorstoßes nur durch die Unwegsamkeit des Geländes, in dem es seit | |
altersher von Jauchegruben, Sümpfen und schlecht passierbaren | |
Kopfsteinpflastertrassen wimmelt. In Höhe der August-Bebel-Straße stieß ein | |
polnisches Korps über einen Brückenkopf nördlich des Flusses Schwennigke | |
zur Ernst-Thälmann-Straße vor und brachte dreihundert zu allem | |
entschlossene Pegida-Anhänger unter Kontrolle. Die Angriffspitze bildete zu | |
diesem Zeitpunkt eine Panzergruppe, die die exponierte östliche Flanke des | |
Stadtgebiets unter Beschuss nahm. | |
Der Gegenstoß der Tröglitzer Freischärler erfolgte aus einem Hinterhalt in | |
der Ahornstraße, wodurch die einmarschierenden Armeen jedoch nicht zum | |
Stehen gebracht werden konnten. In einem Umfassungsmanöver, das auch den | |
Stadtteil Maßnitz einschloss, zerschlugen sie die Nachschublinien des | |
Feindes und lähmten ihn durch konzentrierte Feuerstöße, bis ein Parlamentär | |
mit einer weißen Fahne winkte. | |
Uneinsichtige Tröglitzer verwickelten die durch Fallschirmjäger verstärkten | |
Bodentruppen allerdings noch bis Mittwochabend in schwere Häuserkämpfe, die | |
mit einer vernichtenden Niederlage der Aufrührer endeten. Ungefähr | |
fünfhundert Ureinwohner haben die Schlacht überlebt. Was soll aus ihnen | |
werden? Wer will sie haben? Wo sollen sie hin? | |
„We don’t need no reecudation“, steht an einer zu ihrem eigenen Unglück | |
erhalten gebliebenen Mauer in der unvorstellbar hässlichen Innenstadt von | |
Tröglitz. Daraus spricht die reine Verzweiflung, denn aus den Ruinen dieser | |
Kleinstadt wird sicherlich nie wieder etwas erblühen. | |
„Tröglitz is history“, sagt Major Tom Wallace, der die Kriegsgefangenen | |
betreut. In ihrem Käfig dürfen sie RTL II kucken und sich gegenseitig | |
tätowieren und piercen, und das tun sie voller Hingabe. Man mag kaum | |
hinschauen. Das Angebot, an Kursen zur beruflichen Weiterbildung | |
teilzunehmen, haben sie ausgeschlagen. | |
„Wir können alles, was wir können müssen“, hat der Sprecher des Zonenort… | |
Mirko Ganske, ein oberlippenbärtiges und vorbestraftes Ungetüm, in einem | |
Interview mit Fun Radio verkündet. „Wir können Ausländer klatschen!“ | |
Ein anonymer Kalif aus dem Nahen Osten soll sein Interesse daran angemeldet | |
haben, die eingefangenen Tröglitzer zu erwerben und sie als Eunuchen zu | |
engagieren. Das Bundesfinanzministerium steht dieser lukrativen | |
Geschäftsidee, wie man hört, durchaus wohlwollend gegenüber, und es ist nur | |
recht und billig, dass in der entvölkerten Stadt Tröglitz künftig auch | |
Atombomben getestet werden sollen. | |
13 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Henschel | |
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