# taz.de -- Streit um Klimaabgabe: Kohlelobby für Kohleausstieg | |
> Die Internationale Energieagentur fordert den Ausstieg aus fossilen | |
> Energien. Das ist Rückendeckung für Sigmar Gabriels umstrittene | |
> Kohleabgabe. | |
Bild: So oder so. Weniger Kohle ist gut für das Klima. | |
BERLIN taz | Der Satz klingt eher nach der Öko-Erklärung eines Kirchentags: | |
„Die Welt muss schnell lernen, innerhalb ihrer Grenzen zu leben, wenn diese | |
Generation sie mit reinem Gewissen der nächsten übergeben soll.“ | |
Tatsächlich steht er zentral im aktuellen Weltenergiebericht der | |
Internationalen Energie-Agentur (IEA), der am Montag in London vorgestellt | |
wurde. | |
Ein halbes Jahr vor der UN-Konferenz in Paris, wo ein umfassendes | |
Klimaabkommen beschlossen werden soll, und eine Woche nach der Ankündigung | |
der G-7-Staaten, im Laufe des Jahrhunderts aus den fossilen Brennstoffen | |
auszusteigen, legt die IEA mit ihrem Bericht „Energie und Klimawandel“ | |
einen Fahrplan zum schnellen und schmerzlosen Umbau der Energiesysteme vor. | |
Und sie unterstützt indirekt die umstrittene Klimaabgabe, um die | |
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) derzeit kämpft. | |
„Unsere Analysen zeigen immer wieder, dass Kosten und Schwierigkeiten beim | |
Klimaschutz wachsen, je länger wir warten“, sagte IEA-Generalsekretärin | |
Maria van der Hoeven. Der Gipfel in Paris müsse „klare Erwartungen für eine | |
weltweite und nationale kohlenstoffarme Entwicklung“ formulieren. | |
Die bisherigen Zusagen der Länder reichten dafür aber bei Weitem nicht aus. | |
Eine gute Nachricht haben die Experten auch: Es sei möglich, die Emissionen | |
mit den bestehenden Technologien und ohne wirtschaftliche Einbußen zu | |
reduzieren. | |
## Konkrete Abmachungen gefordert | |
Die IEA ist die Fachorganisation der Industriestaaten zu Energiefragen und | |
verstand sich seit ihrer Gründung 1974 lange als Lobby für die Versorgung | |
mit Öl, Kohle und Gas. Seit einigen Jahren hat sie den Klimawandel als | |
Herausforderung begriffen. Im aktuellen Bericht erklärt sie nun: Eine | |
„glaubwürdige Vision der langfristigen Dekarbonisierung des Energiesektors | |
ist verfügbar“. | |
Die Experten verlangen von der Pariser Konferenz konkrete Abmachungen: Die | |
weltweiten Emissionen sollen bereits 2020 ihren Höhepunkt erreichen, die | |
nationalen Anstrengungen sollen überwacht und die Fortschritte alle fünf | |
Jahre überprüft werden. | |
Kurzfristig schlägt die Behörde fünf Sofortmaßnahmen als „Brücke“ zu e… | |
Energieversorgung mit weniger Kohlenstoff vor: Neben mehr Effizienz und | |
weniger Methanemissionen aus Öl- und Gasquellen gehört dazu, dass die | |
jährlichen Investitionen in Erneuerbare bis 2030 von jetzt 270 auf 400 | |
Milliarden US-Dollar erhöht und Subventionen für Kohle, Gas und Öl | |
gestrichen werden – und schließlich der „Gebrauch der am wenigsten | |
effizienten Kohlekraftwerke“ schrittweise reduziert und der Neubau verboten | |
wird. | |
Genau das wollte Gabriel mit der neuen Abgabe für alte Kohlekraftwerke | |
erreichen, stieß damit aber bei Gewerkschaften und der Union auf | |
Widerstand. „Der Report erhöht den Druck auf Angela Merkel, im deutschen | |
Kohlestreit endlich Farbe zu bekennen“, meint Greenpeace-Energieexperte | |
Karsten Smid. | |
Alternativ zur Kohleabgabe wird derzeit ein Modell der Energiegewerkschaft | |
IG BCE geprüft, das vorsieht, zum einen die effiziente Kraft-Wärme-Kopplung | |
zu fördern; zum anderen sollen alte Kohlekraftwerke gegen eine Kompensation | |
freiwillig in eine Reserve überführt und nach vier Jahren stillgelegt | |
werden. | |
Der Thinktank Agora Energiewende hält dies grundsätzlich für möglich. | |
Allerdings müsse die Reserve viel größer ausfallen, als die IG BCE annehme, | |
weil sie auch Kraftwerke enthalten würde, deren Stilllegung ohnehin geplant | |
sei. | |
Im Wirtschaftsministerium ist man sich dieser Problematik bewusst. „Es ist | |
klar, dass es um 22 Millionen Tonnen zusätzliche CO2-Einsparung gehen | |
muss“, sagte Gabriels Sprecher Tobias Dünow der taz. | |
15 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
Malte Kreutzfeldt | |
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