| # taz.de -- Kommentar Kohlekompromiss: Energiewende nur für Reiche | |
| > Klimaschutz muss bezahlbar sein, propagiert die Regierung. Völlig zu | |
| > Recht. Jetzt verrät sie diesen Grundsatz. | |
| Bild: Auch ein Desaster: Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde. | |
| Das war‘s dann erstmal mit dem deutschen Vorbild in Sachen Klimaschutz. Der | |
| Kompromiss der Bundesregierung zur Zukunft der Braunkohle, der | |
| Kraftwerksreserve und dem Netzausbau folgt innenpolitisch der Logik in der | |
| Großen Koalition: Niemandem weh zu tun und Konflikte mit viel Geld zu | |
| übertünchen. | |
| Aber klimapolitisch ist der Beschluss ein Desaster. Denn er sagt dem Rest | |
| der Welt: Unsere Energiewende ist nur was für Reiche. | |
| Genau das Gegenteil aber war und ist offiziell das Ziel von | |
| Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und seinem grünen Staatssekretär | |
| Rainer Baake. Immer und immer wieder haben sie – völlig zu Recht – betont, | |
| dass die Kosten sinken müssen, damit die Energiewende im Rest der Welt | |
| Nachahmer finden kann. | |
| Der Ausstieg aus Atom und Kohle, der Aufbau von Wind- und Solarenergie und | |
| der Ausbau der Stromleitungen müssen mit so geringen Kosten für die | |
| Volkswirtschaft und den Staat einhergehen, dass auch Länder wie China, | |
| Indien oder Indonesien dieses Modell interessant finden. Nur dann werden | |
| sie langfristig ihre Wirtschaft ebenfalls auf eine Entziehungskur vom | |
| Kohlenstoff schicken. Und nur dann wird die deutsche Energiewende mehr sein | |
| als ein Öko-Hobby der grünen Wohlfühl-Schickeria. | |
| Die Energiewende muss bezahlbar bleiben – mit diesem Slogan wird der | |
| Europäische Emissionshandel begründet, der Klimaschutz da ansiedelt, wo er | |
| am günstigsten ist. Mit dem gleichen Argument werden internationale | |
| Klima-Kooperationen vertreten, wo für einen Dollar Investitionen in den | |
| Entwicklungsländern mehr Klimaschutz zu bekommen ist als in den | |
| Industrieländern. Und in der hitzigen deutschen Debatte um die Höhe der | |
| EEG-Umlage war dieses Argument das wichtigste. | |
| ## Neue ausufernde Kosten | |
| Nun haben genau die Akteure – Kohleindustrie, Gewerkschaften wie die IGBCE | |
| und kurzsichtige Politiker aus CDU und SPD vor allem aus NRW und | |
| Brandenburg –, die vor einigen Jahren völlig irreal die angeblich | |
| „ausufernden Kosten der EEG-Umlage“ als Teufel an die Wand gemalt haben, | |
| die Regierung zu neuen ausufernden Kosten gedrängt. Der Kompromiss, auf den | |
| sich Gabriel eingelassen hat, wird die deutschen Stromkunden und | |
| Steuerzahler in jedem Jahr etwa 2,5 Milliarden Euro mehr kosten als der | |
| ursprüngliche Plan seiner Klimaabgabe. | |
| „Der Kompromiss hat seinen Preis“ heißt es dazu. Das stimmt. Und vielleicht | |
| sind 2,5 Milliarden für die Lösung dieses Konfliktes sogar akzeptabel, | |
| solange die Wirtschaft brummt udn die Steuereinnahmen sprudeln. Aber | |
| international ist dieser Preis zu hoch. | |
| Denn er signalisiert, dass die Energiewende eben doch nur mit dem dicken | |
| Scheckbuch funktioniert. Wenn aber in der chinesischen Kohleprovinz Hebei | |
| eine Million Kohlekumpel arbeitslos werden sollen, gilt diese Art der | |
| Konfliktlösung als abschreckendes Beispiel. Mit einem goldenen Handschlag | |
| wie in Deutschland werden die sozialen Verwerfungen in China und anderen | |
| Ländern nicht zu lösen sein. | |
| Deutschland bleibt ein Vorbild beim Aufbau der erneuerbaren Energien und | |
| bei der Ernsthaftigkeit, mit der das Thema bei uns debattiert wird. Aber | |
| Deutschland versagt, wenn es darum geht, wie man mit den Verlierern der | |
| Energiewende umgehen soll. Ähnlich wie der Ausstieg aus der Steinkophle und | |
| aus dem Atom geschieht der Strukturwandel zu den Konditionen der Konzerne. | |
| Auf deren Lobbyarbeit reagiert die Regierung einfallslos mit neuen | |
| Subventionen, was möglicherweise auch noch Ärger mit der EU gibt. | |
| Für die Klimakanzlerin Angela Merkel und ihren Wirtschaftsminister ist das | |
| ein fauler Kompromiss. Sie haben weder der Lobby der Vergangenheit | |
| widerstanden noch eine Idee für die Zukunft entwickelt. Denn was soll aus | |
| Landstrichen wie der Lausitz werden, wo außer Braunkohle nicht viel | |
| passiert? Dazu gibt es keine Konzepte, und erst recht keine Vorschläge, die | |
| auch in anderen Ländern anwendbar wären. Einfach die Geldbörse aufzumachen | |
| ist die schlechteste aller Varianten. | |
| 2 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
| ## TAGS | |
| Kohle | |
| Sigmar Gabriel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Indien | |
| Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
| Sigmar Gabriel | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Sigmar Gabriel | |
| Braunkohletagebau | |
| Sigmar Gabriel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Subventionen für Öl und Kohle: 49000000000 Euro gegen das Klima | |
| Deutschland subventioniert Öl, Kohle und Gas mit riesigen Summen. Weltweit | |
| werden 5,3 Billionen Dollar Steuergeld für dreckige Luft verschenkt. | |
| Verkehr ohne Klimaschutz: Laster wird man nicht so schnell los | |
| So geht Klimaschutz nicht: Der anhaltende Trend zu PS-starken Autos und | |
| Gütertransport per LKW verhindert Umweltfortschritte im Verkehr. | |
| Enteignung in Indien: Großprojekte statt Kleinbauern | |
| Die indische Regierung will den Landerwerb für Investoren vereinfachen. Das | |
| könnte noch mehr Kleinbauern in die Slums treiben. | |
| Kolumne Die eine Frage: Ohne öko gibt‘s kein links | |
| Warum redet niemand über einen Green New Deal für Griechenland? Nicht | |
| einmal die Grünen haben das Thema entdeckt. | |
| Gabriel und die Wirtschaftslobby: Watschen vom Minister | |
| Sekt, Canapees und warme Worte? Nicht mit Sigmar Gabriel. Wie der SPD-Chef | |
| die gepflegte Langeweile einer Buchvorstellung aufmischt. | |
| Kritik an Beschluss zu Kohleabgabe: Hendricks‘ Alleingang | |
| Die Umweltministerin hat sich vom Energiekompromiss des Koalitionsgipfels | |
| distanziert. Sie erinnert an die Klimaschutzzusage in Elmau. | |
| Vor dem Koalitionsgipfel zum Klima: Letztes Anbrüllen gegen die Kohle | |
| Etwa 400 Menschen demonstrieren vor dem Kanzleramt für Gabriels | |
| Klimaabgabe. Dass die am Mittwoch beschlossen wird, ist aber | |
| unwahrscheinlich. | |
| Abgeordnete auf Exkursion: Lehren aus der Lausitz | |
| Die Lausitzer Braunkohle sorgt für Zwietracht. Berliner Abgeordnete konnten | |
| nun im Tagebaugebiet ihre eigenen Schlüsse ziehen. | |
| Streit um Klimaabgabe: Kohlelobby für Kohleausstieg | |
| Die Internationale Energieagentur fordert den Ausstieg aus fossilen | |
| Energien. Das ist Rückendeckung für Sigmar Gabriels umstrittene | |
| Kohleabgabe. |