# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Ohne öko gibt‘s kein links | |
> Warum redet niemand über einen Green New Deal für Griechenland? Nicht | |
> einmal die Grünen haben das Thema entdeckt. | |
Bild: Mit Sonnenenergie durch die Krise? Das solarbetriebene Forschungsboot Tur… | |
Man muss kein Meteorologe sein, um in Griechenland zwei sichere | |
Erkenntnisse zu gewinnen. | |
Erstens: ganz schön viel Sonne. Zweitens: ganz schön viel Wind. Die eine | |
Frage lautet: Warum machen wir da nicht was draus – und zwar erneuerbare | |
Energie? Oder eine Nummer größer: ein nachhaltiges Wirtschaftsprogramm im | |
Sinne von Ralf Fücks’ Green New Deal und Claus Leggewies „Zukunft im | |
Süden“. | |
Der Eindruck in diesen Tagen ist, dass darüber nicht mal die Grünen reden. | |
Stimmt nicht, sagt Oliver Krischer, der energiepolitische Sprecher der | |
Bundestagsfraktion. Man rede seit Jahren darüber. Es wollen nur nicht viele | |
hören. Und in so einer Showdown-Situation gar keiner mehr. Nicht nur die | |
O-Ton-Medien werden sofort unruhig, wenn ein Satz in diese Richtung geht. | |
Der allgemeine Tenor: Wir haben hier richtige Probleme. Unser Geld, | |
Finanzmärkte, Währung, EU, leidende Menschen (in dieser Reihenfolge). Also | |
verschont uns bitte mit Klimawandel und Ökokindergarten. Das ist ja in der | |
Tendenz auch die Haltung der SPD zur sozialökologischen Transformation: ja, | |
ja, Kinder. Aber jetzt bauen wir erst mal eine Autobahn, die keiner | |
braucht. Das bringt Arbeit und Wachstum. | |
Dass viele Menschen in Griechenland sofort Hilfe brauchen, im Gegensatz zu | |
Deutschland wirklich keine höheren Strompreise verkraften und auch nicht | |
auf ein mittelfristiges grünes Wirtschaftsprogramm warten können, das ist | |
evident. Gleichzeitig ist der Gedanke grandios falsch, mit Braunkohle | |
weiterzumachen und öko auf eine Zukunft zu verschieben, in der man keine | |
anderen Sorgen hat. Das eine schließt das andere aus. | |
## Genialer Wechsel zur Unabhängigkeit | |
Nun muss man allerdings zugeben, dass der Umstieg von fossilen auf | |
erneuerbare Energien angesichts politischer Realitäten, | |
Besitzstandswahrungsmächten, technischer Herausforderungen, und | |
gesellschaftlicher Apathie auch in Deutschland stockt. Die Frage liegt also | |
nahe: Wie sollte Tsipras das hinkriegen, wenn Kretschmanns Umbau im reichen | |
Baden-Württemberg nur mühsam vorankommt? | |
Wenn man mit einem Experten spricht, dann versteht man, dass man auch eine | |
griechische Insel nicht mir nichts, dir nichts von einem schmutzigen und | |
teuren Dieselaggregat auf sauberen und preisgünstigen Wind- und Sonnenstrom | |
umstellen kann. Dass es einen Umbau der Netze, der gesetzlichen Leitlinien, | |
des Marktdesigns und vieles mehr braucht. Überall sitzt jemand und | |
blockiert, in der Regel derjenige, der vom Istzustand profitiert. Kaum ein | |
Investor kann und wird angesichts der fehlenden gesetzlichen Infrastruktur | |
auch nur einen Euro riskieren. | |
Es ist das Paradoxon der Gegenwart, dass wir Lösungen haben, aber keinen | |
Weg dorthin gehen zu können glauben. Nochmal: Statt Öl und Kohle zu | |
importieren und teuer zu bezahlen, könnte man mit Sonne und Wind einen | |
emissionsarmen neuen Industriezweig mit Arbeitsplätzen aufbauen und sich | |
selbst versorgen. Da braucht es keine Klimakatastrophe, um das als genialen | |
Wechsel zu verstehen. Übrigens auch in Sachen Gerechtigkeit, denn sehr | |
viele hätten etwas davon, von der griechischen Elite der fossilen | |
Stromerzeuger und den Saudis jetzt mal abgesehen. | |
Es erscheint unrealistisch, aber es ist allemal realistischer, als die | |
Leute mit illusionärem Links- oder Rechtspopulismus ernähren zu können. | |
Claus Leggewie hat es in einem zeozwei-Gespräch auf den Punkt gebracht: „Es | |
ist nicht gelungen, die Alternative des Ökologischen als | |
Selbstverständlichkeit in ein Regierungsprogramm zu bringen, das eine | |
Alternative zum kapitalistischen Programm sein will.“ Die Sozialpolitik des | |
21. Jahrhunderts ist eine sozialökologische Wirtschaftspolitik. Ohne öko | |
gibt es kein links mehr. Jedenfalls keines, das Zukunft hat. | |
5 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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