# taz.de -- Geheimdienstkontrolleure rebellieren: Liste raus oder Spähstopp | |
> Kontrolleure machen Druck: Sie drohen, dem BND die Lizenz zur Überwachung | |
> zu entziehen, wenn sie nicht die NSA-Spähliste bekommen. | |
Bild: Gehen hier bald die Lichter aus? BND-Abhörstation in Bad Aibling. | |
Berlin taz | Das Gremium agiert im Bundestag nur im Verborgenen, kaum einer | |
kennt es. Nun aber probte die G10-Kommission den Aufstand: Die Runde droht, | |
dem BND vorerst keine Überwachung mehr zu genehmigen. | |
Die vier Mitglieder der G10-Kommission und ihre vier Stellvertreter, | |
darunter auch Juristen und Ex-Abgeordnete, hätten durchaus die Macht dazu: | |
Sie genehmigen oder untersagen jede einzelne Überwachungsmaßnahme der | |
Geheimdienste, die deutsche Staatsbürger betreffen – beziehungsweise ihr | |
Grundrecht nach Artikel 10, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. | |
Hintergrund des Aufbegehrens ist die jüngste BND-Affäre. Bereits vor Wochen | |
hatte die Kommission nach taz-Informationen ihre Genehmigungen für | |
BND-Abhörmaßnahmen nur noch befristet erteilt. Zudem stellte sie ein | |
Ultimatum in den Raum: Sollte man nicht bis zur Sitzung am gestrigen | |
Mittwoch Einsicht in die NSA-Selektorenliste bekommen, könne man die | |
BND-Ausspähaktionen auch ganz stoppen. | |
Die Liste enthält Suchbegriffe, mit denen die NSA mithilfe des BND auch | |
europäische Politiker und Firmen ausgespäht haben soll. Um ihre | |
Veröffentlichung gibt es seit Wochen Streit im Bundestag. Das Kanzleramt, | |
das die Liste hat, wartet noch immer auf eine Antwort aus den USA, wie | |
damit zu verfahren ist. | |
## Ende der Geräuschlosigkeit | |
Die G10-Kommission äußert sich nie öffentlich, auch nicht zu diesem Streit. | |
Intern aber wurde offenbar klargemacht, dass man die Spähliste brauche, um | |
zu prüfen, ob auch Rechte deutscher Staatsbürger berührt waren. Zudem soll | |
die Kommission verärgert sein, weil man dem BND zwar für seine Arbeit | |
genehmigt hatte, Glasfaserkabel in Frankfurt/Main anzuzapfen. Der | |
Geheimdienst aber hatte den Datenverkehr auch der NSA übermittelt. | |
Der Aufstand ist bemerkenswert, weil die G10-Kommission bisher stets | |
geräuschlos arbeitete. Aus der Sitzung am Mittwochnachmittag drang vorerst | |
nichts nach außen. Die Mitglieder hatten sich zum Stillschweigen | |
verpflichtet. „Wir wollen uns nicht dem Vorwurf aussetzen, dass Dinge bei | |
uns nicht vertraulich behandelt werden“, sagte ein Mitglied der taz. | |
Für möglich erachtet wurde allerdings, dass die Kommission nochmals eine | |
Befristung ausspricht oder nicht die kompletten, sondern nur einzelne | |
BND-Aktionen untersagt. | |
## Der BND schweigt | |
Denn klar war: Die NSA-Liste erhält die Runde zunächst nicht. | |
Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf noch laufende Gespräche mit | |
den USA. Zur Drohung der G10-Kommission äußerte er sich nicht: deren | |
Beratungen seien geheim. | |
Auch der BND schwieg am Mittwoch. Käme es zu einem kompletten Abhörstopp, | |
dürfte der BND keine E-Mails und Telefonate von und nach Deutschland mehr | |
erfassen. Das soll rund ein Drittel seiner Ausspähmaßnahmen ausmachen. | |
Nicht betroffen wäre Überwachung, die nur im Ausland spielt und dort keine | |
Deutschen betrifft. Hier ist die G10-Kommission nicht zuständig. Die | |
Regierung erwägt derzeit allerdings, der Arbeit des BND eine neue | |
gesetzliche Grundlage zu geben. | |
Unterdessen gibt es Medienberichte, wonach die NSA wegen des jüngsten | |
Wirbels dem BND zuletzt die Kooperation verweigerte. So soll der | |
US-Geheimdienst im Fall des im April in Afghanistan entführten | |
Entwicklungshelfers Stefan E., anders als üblich, keine Informationen | |
geliefert haben. Gleiches gelte für den Schutz deutscher Bundeswehrsoldaten | |
im Nordirak. | |
3 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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