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# taz.de -- Deutsche Haltung zum Eurorettungsfonds: Merkel gegen den Rest
> Während die Welt auf ein entschlossenes Handeln der Europäer wartet,
> bewegt sich die Kanzlerin keinen Millimeter: Eurobonds gebe es nicht,
> solange sie lebe.
Bild: Des Themas müde? Angela Merkel am Mittwoch im Bundestag.
BRÜSSEL/BERLIN taz | In Europa haben sich die Ereignisse in den letzten
Wochen und Monaten überschlagen. Nach Griechenland, Irland und Portugal
haben nun auch Spanien und Zypern Hilfskredite aus dem Eurorettungsfonds
beantragt. Italien schlittert angesichts steigender Zinsen weiter in die
Krise – und beginnt ernsthaft, über einen Euro-Ausstieg zu diskutieren. Und
ein großer Teil der Euro-Staaten rutscht in die Rezession.
Im Deutschen Bundestag ist hingegen alles wie immer. „Es gibt keine
schnelle und einfache Lösung“, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in
ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel. „Es gibt nicht den einen
Befreiungsschlag, mit dem die Staatsschuldenkrise überwunden werden kann.“
Mit exakt denselben Worten hatte sie auch schon im Februar und Dezember
alle Forderungen abgewehrt, die auf eine teilweise Vergemeinschaftung der
Schulden der Euro-Staaten hinauslaufen. Am Abend zuvor war ihre Wortwahl
noch drastischer: „Solange ich lebe“, werde es keine gemeinsame
Schuldenhaftung geben, sagte sie nach Teilnehmerangaben bei der
Fraktionssitzung der FDP.
In der EU wachsen Wut und Unverständnis über diese sture Haltung der
Kanzlerin. Öffentlich äußern wollte das am Mittwoch in Brüssel zwar
niemand. Doch intern ist die Verstimmung groß. Denn mit der strikten
Ablehnung von Eurobonds oder der abgeschwächten Variante eines gemeinsamen
Altschuldentilgungsfonds verhindert Merkel Maßnahmen, die langfristig das
Zinsniveau in den Krisenstaaten senken und deren finanzielle Gesundung
ermöglichen würden.
Zudem wurden sämtliche kurzfristigen Instrumente gegen den Zinsdruck auf
deutsches Betreiben hin aus dem Masterplan für die Euroreform gestrichen,
den Ratspräsident Herman Van Rompuy entworfen hat.
## In letzter Minute gekürzt
Von zehn auf sieben Seiten war dieser Plan in letzter Minute gekürzt
worden, um deutsche Bedenken auszuräumen, berichten EU-Insider in Brüssel.
Detaillierte Passagen zur geplanten Bankenunion seien komplett gestrichen
worden, ebenso ein Zeitplan für den Umbau der Währungsunion. Dennoch ließ
Merkel am Mittwoch kaum ein gutes Haar an dem Papier: „Ich widerspreche
entschieden der im Bericht wiedergegebenen Auffassung, dass vorrangig der
Vergemeinschaftung das Wort geredet wird und erst an zweiter Stelle mehr
Kontrolle und einklagbare Verpflichtungen genannt werden.“
Während Merkel für diese harte Haltung im Bundestag lang anhaltenden
Applaus von Union und FDP bekam, wächst in Europa der Widerstand. Er werde
so lange auf dem EU-Gipfel bleiben, bis es Beschlüsse zur Eindämmung der
Krise und zur Senkung des Zinsdrucks gebe, warnte Italiens Regierungschef
Mario Monti. Vorgefertigte Erklärungen werde er nicht unterschreiben, fügte
er hinzu.
Bei einem Treffen in Rom hatte Merkel am Freitag die Wünsche Montis brüsk
abgeblockt. Zwischen Deutschland und Italien droht beim Gipfel nun offener
Streit. Italien hat dabei eine Trumpfkarte – 475 Milliarden Nettoschulden
haben die Italiener im Ausland. Sollte das Land einmal aus dem Euro
austreten, würden die Kreditgeber massiv verlieren – auch in Deutschland.
Auch der spanische Premier Mariano Rajoy fährt mit Wut im Bauch nach
Brüssel. „Ich werde Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte
vorschlagen“, sagte er. Die EU müsse endlich ihre vorhandenen Instrumente
nutzen. Gemeint ist damit offenbar der Eurorettungsschirm, der neben der
Kreditvergabe an Krisenstaaten auch Banken stützen und Staatsanleihen
aufkaufen könnte. Beides lehnt Berlin bisher ab – wie eigentlich alle
Vorschläge, die die Finanzmärkte beruhigen könnten. „Ökonomisch falsch und
kontraproduktiv“ nannte Merkel entsprechende Überlegungen.
## Endlich „Fleisch auf die Knochen“
Für den Einsatz aller verfügbaren Mittel hatte sich zuvor auch US-Präsident
Barack Obama ausgesprochen. Jetzt wiederholte die US-Regierung ihre
Forderung: Die Europäer müssten endlich „Fleisch auf die Knochen packen“
und sowohl kurz- wie langfristige Maßnahmen gegen die Krise beschließen,
fordert Finanzstaatssekretärin Lael Brainard in Washington. Auch in China
und Brasilien wächst die Sorge, dass es den Europäern nicht gelingt, die
Krise einzudämmen.
Merkel ist der Erwartungsdruck durchaus bewusst. „Die Welt wartet auf
unsere Entscheidungen“, erkannte sie in ihrer Regierungserklärung. Doch
dass die Entscheidungen, die sie ankündigte, die Welt zufriedenstellen,
darf bezweifelt werden. Gegen die grassierende Jugendarbeitslosigkeit in
Südeuropa forderte die Kanzlerin ernsthaft das Versprechen von
„Praktikumsplätzen“. Und der Rezession will sie mit jenem auch von der
Opposition bejubeltem Wachstumspaket begegnen, das bereits jetzt als
Luftbuchung gilt. Einzige Neuerung war die Andeutung, dass Einnahmen aus
der geplanten Finanztransaktionssteuer statt in nationale Haushalte gezielt
in die Krisenbekämpfung fließen könnten.
Falls die Kanzlerin sich bei einem für Mittwochabend geplanten Treffen mit
Frankreichs Präsidenten François Hollande nicht noch zu weiteren
Zugeständnissen bewegen lässt, droht beim Gipfel ein Fiasko – der EU, dem
Euro und Merkel.
27 Jun 2012
## AUTOREN
Eric Bonse
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
ESM
EU
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