# taz.de -- Krise in Italien: Euro-Kritiker heben ab | |
> Die Folgen der Finanzkrise sind in Italien bereits zu spüren. Wegen des | |
> harten deutschen Kurses denkt die Opposition laut über eine Rückkehr zur | |
> Lira nach. | |
Bild: Polemisiert gegen den Euro: Der italienische Komiker, Blogger und Politak… | |
ROM taz | Noch ist die übergroße Mehrheit der italienischen Politiker der | |
Meinung, dass ein Ausstieg aus dem Euro „eine Katastrophe“ wäre. Doch die | |
Pro-Euro-Front gerät ins Wanken, weil sich Kanzlerin Angela Merkel bisher | |
so kompromisslos zeigt. | |
Mit dem Slogan „Raus aus dem Euro!“ preschte vor zwei Monaten als Erster | |
Beppe Grillo vor. Eigentlich nur ein Komiker, ist Grillo jedoch zugleich | |
der Chef der neuen „Movimento 5 stelle“. Diese Antiparteienliste eroberte | |
bei den Kommunalwahlen im Mai sensationell die Stadt Parma. | |
National liegt sie in aktuellen Umfragen bei 20 Prozent. „Wenn wir, um im | |
Euro zu bleiben, unsere Wirtschaft töten müssen, dann ist es vielleicht | |
Zeit, innezuhalten und nachzudenken“, bloggte Grillo. | |
Beifall kam schnell – ausgerechnet von Exregierungschef Silvio Berlusconi. | |
Auch er plädiert für die Rückkehr zur Lira. Wenn Merkel der Europäischen | |
Zentralbank (EZB) nicht endlich größeren Spielraum einräume, um | |
Staatsanleihen aufzukaufen und so die Zinsen für Italien zu drücken, dann | |
sei es „nicht verwerflich“, über Italiens Ausstieg aus dem Euro | |
nachzudenken. | |
Zwar erntete Berlusconi reichlich Widerspruch, selbst aus seiner eigenen | |
Partei. Doch das kann sich schnell ändern. Denn die Folgen der | |
Austeritätspolitik beginnen voll durchzuschlagen. Letzten Monat lag der | |
Umsatz der Einzelhändler dramatische 7 Prozent unter dem Vorjahrsmonat, und | |
auch der Immobilienmarkt samt Bauwirtschaft beginnt einzubrechen. Für 2012 | |
wird ein Minuswachstum von 2 Prozent erwartet. | |
Hinzu kommt der Fiskalpakt: Um dessen Vorschriften einzuhalten, müsste | |
Italien etwa 6 Prozent seines Haushalts einsparen. Das ist nicht zu | |
schaffen, ohne eine schwere Rezession auszulösen. Zugleich zahlt Italien | |
auf seine Staatsschulden steigende Zinsen, für Zehnjahrestitel sind es | |
schon 6 Prozent. Auch dies führt direkt in die Pleite. | |
## Der Euro war keine gute Wahl | |
Die Geduld der Italiener dürfte irgendwann erschöpft sein. Schon jetzt | |
erklären 52 Prozent in einer Umfrage, der Euro sei „keine gute Wahl für | |
Italien“ gewesen. Spätestens im April 2013 – wenn sich die Eurokrise weiter | |
zuspitzt aber womöglich schon kommenden Herbst – wird Italien das Parlament | |
neu wählen. Und dann könnten Anti-Euro-Kräfte zu einem nicht mehr zu | |
übersehenden Faktor in der Parteienlandschaft werden. | |
Italien könnte sich einen Ausstieg aus dem Euro leisten: Es erwirtschaftet | |
schon jetzt einen kleinen Primärüberschuss – womit gemeint ist, dass es | |
keine neuen Schulden aufnehmen muss, um seinen Staatshaushalt zu | |
finanzieren. Gleichzeitig würde die Lira wahrscheinlich um 40 Prozent | |
fallen, was der Exportindustrie zugutekäme. | |
Allerdings wären die Kosten hoch: Fällt die Lira um 40 Prozent, steigt die | |
Inflation entsprechend. Löhne und Finanzvermögen würden entwertet. Doch die | |
Wirtschaft würde wieder wachsen, so wie es früher nach den periodischen | |
Lira-Abwertungen stets der Fall war. | |
27 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Beppe Grillo | |
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