# taz.de -- Vermögensberater über Eurokrise: „Raus aus den Geldwerten“ | |
> Aktien, Immobilien und Gold empfiehlt Max Otte in der Krise. Der | |
> Vermögensberater verrät, warum ein Tipp in der taz keinen Markt bewegen | |
> kann und er zu wenig Steuern zahlt. | |
Bild: Ob das auch ein Spartip von Max Otte ist? | |
taz: Herr Otte, Sie sind Bestsellerautor und Vermögensberater. Wie viel | |
Millionen Euro verwalten Sie gerade? | |
Max Otte: Etwa 250 Millionen Euro werden durch mein Wort und meine Methode | |
in irgendeiner Art mitbewegt. | |
Wie sieht Ihre Methode aus? | |
Ich folge dem Reinheitsgebot. Als Anlageobjekte empfehle ich nur Anleihen, | |
Aktien, Bargeld und Gold. Von Derivaten rate ich dringend ab. | |
Das klingt sehr konventionell. | |
Es ist konventionell! Früher hat jede anständige Sparkasse diese Strategie | |
verfolgt. Aber inzwischen dürfen die Finanzberater das gar nicht mehr. Sie | |
müssen die Produkte ihrer Zentrale vertreiben, die extra komplex gestaltet | |
sind, damit sie hohe Gebühren abwerfen. | |
Sie verdienen also eher schlecht? | |
Unsere Gebühren liegt bei etwa ein Prozent des verwalteten Vermögens. Das | |
würde den meisten Banken nicht reichen. | |
Macht trotzdem eine Rendite von 2,5 Millionen im Jahr. | |
Das ist nur der Umsatz, bitte schön. Ich habe zwanzig Arbeitsplätze | |
geschaffen. | |
Wie viel bleibt also bei Ihnen hängen? | |
Ich verdiene nicht so gut wie ein DAX-Vorstand. Also deutlich unter einer | |
Million. Aber deutlich über 100.000 Euro. | |
Wie viel Steuern zahlen Sie? | |
Zu wenig. Da ich an den Beratungsfirmen beteiligt bin, handelt es sich um | |
Kapitalerträge. Sie werden also pauschal mit 25 Prozent versteuert. Davon | |
können normale Arbeitnehmer nur träumen. Jeder Durchschnittsverdiener hat | |
einen höheren Grenzsteuersatz. | |
Sie wären also dafür, Kapitalerträge wieder wie Gehälter zu besteuern? | |
Unbedingt. Normales Einkommen muss normal versteuert werden. | |
Dann müssten Sie aber den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlen. | |
Na und? Für ein gutes Leben würde es immer noch reichen. Es ist einfach | |
ungerecht, dass Kapitaleinkünfte vom Staat subventioniert werden. | |
Zurück zu Ihrer Methode namens Reinheitsgebot: Was empfehlen Sie Ihren | |
Kunden jetzt mitten in der Eurokrise? | |
Klar ist: Sachwerte schlagen Geldwerte. Man sollte also in Aktien und | |
Immobilien investieren. Sie sind sicherer als Lebensversicherungen, | |
Anleihen oder Termingelder. | |
Das sehen viele Sparer genau anders herum: Bei den Aktien schwanken ständig | |
die Kurse – bei den Lebensversicherungen hat man wenigstens einen | |
Garantiezins. | |
An der Oberfläche sehen die Geldwerte tatsächlich sicherer aus, weil der | |
Nominalwert erhalten bleibt. Aber Sie haben das Insolvenz- und das | |
Inflationsrisiko. Momentan liegen die Zinsen doch unter der Geldentwertung | |
– so wird das Vermögen schleichend vernichtet. Das ist eine Bestrafung der | |
Sparer. Damit werden nur die Banken subventioniert. Daher rate ich meinen | |
Kunden: Raus aus dem Geldvermögen – rein in die Sachwerte. Ich empfehle | |
gute Aktien, Immobilien, Gold. | |
Sind Immobilien nicht längst gefährlich? Inzwischen steigen die Preise so | |
rasant, dass man fürchten muss, dass sich am Wohnungsmarkt eine neue Blase | |
aufpumpt. | |
In den Immobilienmarkt muss man sich natürlich einarbeiten. Da sind viele | |
Haie unterwegs. Und in München oder Wien sind die Wohnungen tatsächlich | |
schon so teuer, dass man den Beginn einer Überhitzung erkennen kann. | |
Also doch keine Wohnung in München kaufen? | |
Jetzt ist es gerade noch an der Grenze. Man muss sich sehr genau die | |
Substanz und die Mieterträge bei jedem einzelnen Objekt ansehen. Aber in 12 | |
bis 18 Monaten ist es definitiv vorbei. Dann ist München zu teuer. | |
Was bleibt also noch? | |
Viele europäische Aktien kann man jetzt gut kaufen. | |
Welche denn? | |
Zum Beispiel die Vorzugsaktie von BMW. Dort haben Sie eine | |
Dividendenrendite von 7,3 Prozent und ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 4,6. | |
Das ist unschlagbar im Vergleich zu Immobilien. Da kommen Sie höchstens auf | |
eine Mietrendite von 3 bis 4 Prozent, und der Kaufpreis liegt oft schon 20- | |
bis 30-mal höher als die Mieteinnahmen. Eigentlich müsste sich jeder auf | |
Aktien stürzen – aber stattdessen sind vor allem Immobilien beliebt. | |
Wie erklären Sie sich das? | |
Die Anleger sind eben irrational. | |
Als Tipp für den rationalen taz-Leser: Welche Aktien würden Sie noch | |
empfehlen? | |
Empfehlen darf ich gar nichts. Das dürfen nur anerkannte | |
„Finanzdienstleister“, die in festen Kundenbeziehungen stehen. Ich kann nur | |
anregen. | |
Okay. Welche weiteren „Anregungen“ würden Sie aussprechen? | |
Salzgitter und Lufthansa. Beide Aktien sind so richtig am Boden. Völlig zu | |
Unrecht. Aber eigentlich sind fast alle DAX-Titel attraktiv. Es ist doch | |
Wahnsinn, dass die Amerikaner fleißig deutsche Aktien kaufen, während sich | |
die Deutschen zurückhalten. | |
Momentan steht der DAX bei knapp 6.200 Punkten. Wo ist er in einem Jahr? | |
Das kann ich nicht sagen. Aber der faire Wert liegt bei mindestens 7.200 | |
bis 7.500 Punkten. | |
Mitten in der Eurokrise? | |
Die deutsche Wirtschaft ist stark. Bei steigenden Umsätzen und steigenden | |
Gewinnen könnte der DAX in zwei Jahren bei 8.000 stehen. Vor allem aber ist | |
es völlig falsch, immer nur auf die kurzfristige Kursentwicklung zu | |
starren. Der kluge Anleger hält seine Aktien für mindestens zehn Jahre. Es | |
geht darum, langfristig vom Erfolg der Unternehmen zu profitieren und sich | |
vor der Inflation zu schützen. | |
Derzeit ist die Inflation aber sehr niedrig. | |
Stimmt. Es bleibt ein Restrisiko, dass es zu einer Deflation kommt und die | |
Preise flächendeckend fallen. Aber das ist nicht wahrscheinlich. Denn die | |
Überschuldung vieler Staaten und Privathaushalte lässt sich nur lösen, wenn | |
es zu einer leichten Inflation kommt. Wir brauchen eine Geldentwertung von | |
etwa 4 Prozent pro Jahr, um die Schulden abzubauen. | |
Haben Sie keine Angst, Ihre guten Ratschläge öffentlich auszuplaudern? | |
Vielleicht stürzen sich jetzt alle Leser auf BMW-Vorzugsaktien – bevor Ihre | |
Kunden zugreifen können, die teuer für Ihre Tipps bezahlen. | |
Das Finanzvermögen der Deutschen beträgt 4,7 Billionen Euro. So groß sind | |
der Einfluss der taz und meine Bekanntheit nicht, als dass wir so viel | |
Vermögen bewegen könnten. Sogar der US-Starinvestor Warren Buffett muss | |
feststellen, dass es meistens keinen Unterschied an den Börsen macht, | |
welche Aktien er in seinen Berichten empfiehlt. | |
Ihre Grundannahme ist ja, dass man sein Vermögen auch in einer Krise retten | |
kann. Aber geht das überhaupt? Können sich einzelne Individuen in | |
Sicherheit bringen, wenn gleichzeitig die Mehrheit verliert? | |
Es ist natürlich mit politischen Gegenreaktionen zu rechnen. Ich sehe schon | |
kommen, dass die Grundsteuer hochgefahren wird. Dort wird als nächstes | |
abkassiert. | |
Um in Aktien und Immobilien zu investieren, muss man Geld haben. In | |
Deutschland haben aber viele Leute gar kein Geld. Die reichsten 10 Prozent | |
kontrollieren bereits 61 Prozent des Volksvermögens. | |
An die ungerechte Vermögens- und Einkommensverteilung traut sich ja noch | |
nicht einmal die SPD ran! Ich würde erst mal den Mittelstandsbauch im | |
Steuertarif abschmelzen, der die Normalverdiener belastet. | |
Das wird aber richtig teuer. Wie wollen Sie das finanzieren? | |
Ich hätte nichts dagegen, wenn der Spitzensteuersatz auf 50 bis 60 Prozent | |
steigt. Das darf aber nicht nur für die Lohneinkommen gelten – sondern auch | |
für die Kapitalerträge. Das Thema hatten wir ja schon. Außerdem könnte auch | |
die Erbschaftsteuer richtig zugeschlagen. Wer 100 Millionen Euro erbt, bei | |
dem kann man ruhig 90 Millionen wegbesteuern. Denn es ist ja leistungsloses | |
Einkommen. Niemand hat sich seine Eltern ausgesucht. | |
Was sagen eigentlich Ihre Kunden, wenn Sie diese radikalen Vorschläge | |
hören? | |
Radikal finde ich das nicht, sondern logisch. Aber meine Kunden | |
interessieren sich sowieso mehr für meine Anlagetipps. | |
29 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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