# taz.de -- Fahrzeugindustrie und Rohstoffe: Schmutzige Erzförderung für Autos | |
> Autos bestehen zu fast drei Vierteln aus Metallen. Bei der Förderung der | |
> Erze wird wenig Wert auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen gelegt. | |
Bild: Nicht nur dem Golf mangelt es bei der Herstellung an politischer Korrekth… | |
HAMBURG taz | Ein typischer Golf besteht zu 72 Prozent aus Stahl, Kupfer | |
und Aluminium. Aber wie wird das Material gewonnen? In ihrer soeben | |
erschienenen [1][Studie „Vom Erz zum Auto“] haben die | |
Nichtregierungsorganisationen Global Policy Forum Europe, Misereor und Brot | |
für die Welt die Lieferketten der Autoindustrie unter die Lupe genommen. | |
„Bisher machen sich die Unternehmen mehr Gedanken über die Verfügbarkeit | |
der Rohstoffe als über die faire Förderung“, fasst Jens Martens vom Global | |
Policy Forum zusammen. „Da muss mehr geschehen.“ Wichtig sei vor allem mehr | |
Transparenz. | |
Diese Forderung unterstützt auch Danilo Chammes aus dem brasilianischen | |
Bundesstaat Carajás. Der Anwalt kämpft im Namen der | |
Menschenrechtsorganisation Justiça nos Trilhos für menschenwürdige Arbeits- | |
und Lebensbedingungen rund um die größte Eisenerzmine der Welt. | |
Die Mine liegt im Norden Brasiliens in einer Regenwaldregion und wurde zu | |
Beginn der 1980er Jahre eröffnet. „Seitdem ist die Förderung kontinuierlich | |
erweitert worden, ohne dass sich jemand um die Lebensbedingungen der | |
lokalen Bevölkerung Gedanken macht“, so Chammes. So donnern die mit | |
Eisenerz beladenen Züge täglich die 900 Kilometer zwischen dem Abbaugebiet | |
von Carajás und dem Hafen von São Luís im Bundesstaat Maranhão entlang. | |
Immer wieder gibt es tödliche Unfälle. | |
## Verheerende Emissionen | |
Ein weiteres Problem ist die Verhüttung des Eisenerzes zu Roheisen in der | |
Region, für die Primärwald zu Holzkohle verarbeitet wird, mit der die | |
Hochöfen befeuert werden. „Diese sorgen nicht nur um Marabá herum für | |
verheerende Emissionen“, sagt Chammas. Die Betroffenen in der Region | |
fordern mehr staatliche Präsenz, mehr Kontrolle und höhere Abgaben. | |
Chammas sieht auch die Abnehmer in der Verantwortung. Zu diesen gehört die | |
deutsche Industrie, die 2010 rund 43 Millionen Tonnen Eisenerz importierte. | |
Knapp 53 Prozent davon kamen aus Brasilien. Der brasilianische | |
Rohstoffkonzern Vale S.A. betreibt gemeinsam mit der deutschen ThyssenKrupp | |
AG das Stahlwerk TKCSA, gegen das Anwohner seit Jahren kämpfen. | |
Das Werk bläst schwermetallhaltigen Staub in die Luft, wie eine Analyse im | |
Auftrag des Gesundheitsministeriums im Frühjahr bestätigte. Es sei jedoch | |
unmöglich, mit den Verantwortlichen von ThyssenKrupp oder der | |
Volkswagen-Gruppe, die auch in Brasilien produziere, ins Gespräch zu | |
kommen, so Chammes. | |
## OECD-Richtlinien für Rohstoffgewinnung | |
Deutsche Abnehmer wie Europas größter Kupferproduzent, die in Hamburg | |
ansässige Aurubis, geben dagegen an, dass sie sich auch für umweltschonende | |
Rohstoffgewinnung einsetzen, wie es die OECD-Richtlinien für multinationale | |
Konzerne vorsehen. | |
Ebenso die Automobilindustrie. „Die drei großen Automobilkonzerne | |
Deutschlands sind sich ihrer Verantwortung bewusst“, sagt Klaus | |
Badenhausen, der früher bei Daimler Benz an der Entwicklung des Smart | |
beteiligt war und inzwischen als Berater tätig ist. Er plädiert für den | |
Dialog mit den Firmen. Als Gesprächspartner für die Konzerne sind Danilo | |
Chammes und Justiça nos Trilhos bisher allerdings nicht gefragt. | |
Den Autoren der Studie reicht dieser Ansatz ohnehin nicht. „Menschenrechte | |
und Umweltschutz sind unverzichtbare Leitplanken einer zukunftsfähigen | |
Rohstoffpolitik“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für | |
die Welt. Daran müsse sich auch die Bundesregierung „in ihrer | |
Außenwirtschaftsförderung und bei der Aushandlung von | |
Rohstoffpartnerschaften oder Handelsabkommen orientieren“. | |
19 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.misereor.de/presse/pressemeldungen/pressemeldungen-detais/articl… | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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