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# taz.de -- Wissenschaftler über Netzausbau: „Neue Leitungen für Braunkohle…
> Es werden mehr Stromtrassen gebaut als nötig, kritisiert der
> Wissenschaftler Lorenz Jarass. Die Bürgerbeteiligung legitimiert diesen
> Fehler.
Bild: Warum so viele neue Leitungen? Damit Betreiber von Kohlekraftwerken ihre …
taz: Ungeheure Datenflut, kompliziertes Verfahren: Ist die
Bürgerbeteiligung zum Netzausbau nur eine Farce?
Lorenz Jarass: Sie ist ein geschickter Schachzug von denen, die einen
massiven Netzausbau wollen. Die Beteiligung läuft im Vorfeld, und kaum
einer interessiert sich dann dafür. Wenn alles abgeschlossen und genehmigt
ist, dann erst werden die Trassen in einem zweiten
Energieleitungsausbaugesetz festgeschrieben.
Im ersten Gesetz steht jetzt schon jetzt drin: 850 Kilometer sind
energiewirtschaftlich erforderlich, es ist nicht mehr Aufgabe von
Planungsbehörden oder Gerichten, das zu untersuchen. Sprich: An den
Leitungen ist nichts mehr zu ändern.
Die Rede ist von bis zu 4.900 Kilometern neuer Hochspannungsnetze. Brauchen
wir so viel?
Nein, das sagt sogar die Bundesnetzagentur selbst. Im neuen
Netzentwicklungsplan steht: Wenn wir nicht davon ausgehen, dass jede
Kilowattstunde Windstrom auch genutzt werden soll, dann brauchen wir viel
weniger Netze. Momentan werden die Trassen darauf ausgelegt, dass für eine
ein oder zwei Mal im Jahr auftretende Windspitze in der Nordsee jede
Kilowattstunde abtransportiert werden kann. Das ist volkswirtschaftlich
unzumutbar und damit rechtswidrig.
Wer soll denn ein Interesse daran haben, dass zu viel Leitungen gebaut
werden?
Da geht es um Grundfragen der Energiewende. Momentan ist die Lage so, dass
auch fossile Kraftwerke einen Anspruch haben, ihren Strom abzusetzen. Wir
werden aber immer wieder mehr Strom haben, als wir brauchen.
Das heißt konkret?
Nehmen Sie die Leitungen, die von Ostdeutschland nach Bayern verlegt
werden. Die braucht man, weil wir im Osten viel Windkraft haben und
parallel Braunkohlekraftwerke. Auch die sollen weiterhin ausgelastet sein.
Auch bei starkem Wind, wenn im Netz nicht Platz für Wind- und Kohlestrom
ist. Plakativ gesagt: Die ostdeutschen Leitungen sind für die Braunkohle.
Wie viele Netze braucht man denn wirklich?
Das ist schwer genau zu beziffern. Aber wir könnten den Bedarf dramatisch
verringern. Momentan wird nach einem Modell der RWTH Aachen rein
marktwirtschaftlich gerechnet: Der Strom für Süddeutschland soll
beispielsweise möglichst günstig produziert werden. Dann landen Sie bei
einem Kohlekraftwerk im Norden, das billiger ist als ein teures
Gaskraftwerk im Süden.
Was schlägt das Modell vor?
Nimm den Strom im Norden und bau eine zusätzliche Leitung. Allerdings
werden die Kosten für die neue Trasse nicht berücksichtigt. Würde man das
mit einberechnen, dann wäre vielleicht ein Reservekraftwerk im Süden
billiger als eine neue Leitung. Das wird nicht einmal geprüft.
Die Netzbetreiber bekommen staatlich garantierte Renditen für ihre neuen
Netze und berechnen zudem, wie viel wir verbrauchen. Ein
Interessenkonflikt?
Das kann man so sehen. Die haben ein Interesse, das Netz möglichst weit
auszubauen.
Muss die Netzplanung also von vorn losgehen?
Nein. Positiv gesprochen ist der Netzentwicklungsplan absolut sinnvoll,
weil er sämtliche Vorhaben zusammenführt und koordiniert. Er hat aber eine
Reihe von unsinnigen Annahmen, ohne die wir mit wesentlich weniger
Leitungen auskommen würden. Dazu gehört auch, dass wir Strom exportieren
wollen.
Die Betreiber von Kohlekraftwerken sagen: Wir wollen nicht gezwungen
werden, herunterzufahren, wenn wir genug erneuerbaren Strom haben, sondern
unseren Strom ins Ausland verkaufen. Deshalb brauchen wir so viele
Leitungen. Der Stromkunde hat dabei nichts mitzureden. Der muss eben
zahlen.
1 Nov 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Netzausbau
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Strom
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Wissenschaft
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