# taz.de -- Bürgermitsprache beim Netzausbau: Statisten im Planspiel | |
> Trotz eines ausgeklügelten Verfahrens spielt Bürgerkritik beim | |
> Stromleitungsbau kaum eine Rolle. Auch die Umweltverbände murren. | |
Bild: Die Drei an der Leitung. | |
BERLIN taz | Die Stromfirmen sagen, dass sie die „Akzeptanz der breiten | |
Öffentlichkeit“ brauchen. So steht es im Plan für die neuen Stromleitungen, | |
die bald gebaut werden sollen. Die Kritik von Bürgern und Verbänden haben | |
die Unternehmen allerdings nur am Rande berücksichtigt. Welchen Sinn hat | |
eine Bürgerbeteiligung, die folgenlos bleibt? | |
Um die Energiewende zu schaffen, sei unter anderem der Neubau von 1.700 | |
Kilometern Gleichstrom-Leitungen notwendig, heißt es im | |
Netzentwicklungsplan der privaten Betreiber des deutschen | |
Höchstspannungsnetzes. | |
Im Mittelpunkt ihrer Planung stehen vier Starkstromleitungen, die den | |
Windstrom von Nord- und Ostsee nach Süddeutschland führen sollen. Laut | |
Gesetz konnten Bürger und Verbände im Sommer dazu schriftliche | |
Stellungnahmen einreichen, die berücksichtigt werden müssen. Der | |
überarbeitete Entwurf des Plans, der der Bundesnetzagentur seit Mittwoch | |
zur Genehmigung vorliegt, zeigt nun aber: Es gibt kaum Änderungen gegenüber | |
dem ersten Entwurf. | |
Weiterhin stehen vier Nord-Süd-Leitungen in den Unterlagen. Für die | |
Deutsche Umwelthilfe, die selbst eine Stellungnahme an die Betreiber | |
geschickt hat, sagt Gerd Rosenkranz: „Die Bürgerbeteiligung darf nicht zur | |
bloßen Legitimations-maßnahme degradiert werden.“ Die Umwelthilfe wie auch | |
der Umweltverband Bund erkennen zwar an, dass sich die Stromfirmen mit den | |
Argumenten auseinandergesetzt und viele Erläuterungen in den neuen Plan | |
eingearbeitet hätten. | |
## Bundesbedarfsplan | |
Die grundsätzliche Kritik sei allerdings nicht berücksichtigt worden. | |
Umweltorganisationen und viele Bürger weisen unter anderem darauf hin, dass | |
später vielleicht nicht so viele Nord-Süd-Trassen gebraucht werden, wie die | |
Unternehmen heute annehmen. | |
Ein möglicher Grund: Der Ausbau der Windparks auf Nord- und Ostsee geht | |
langsamer voran, der der Wind- und Solarenergie an Land dagegen schneller. | |
Eigentlich wollen Netzagentur und Bundesregierung bereits dieses Jahr den | |
so genannten Bundesbedarfsplan verabschieden, der die Trassen beinhaltet. | |
Rosenkranz rät dagegen, die kritischen Stellungnahmen ernst zu nehmen: | |
„Nicht alle Leitungen sollte man 2012 gesetzlich fixieren. Es wäre besser, | |
sich auf die Trassen zu beschränken, die bald tatsächlich gebraucht | |
werden.“ Aber ist die Befürchtung, dass in Kürze unverrückbare Fakten | |
geschaffen werden, überhaupt begründet? „Nein“, sagt etwa Marian Rappl, d… | |
Sprecher des Netzbetreibers Amprion aus Dortmund. | |
Der Bedarf an Leitungen werde jedes Jahr auf´s Neue von der Netzagentur | |
geprüft, so Rappl. Und jedes Mal hätten auch Bürger und Verbände das Recht, | |
sich am Verfahren zu beteiligen. Auch der gesetzliche Bundesbedarfsplan | |
würde in drei Jahren erneut debattiert, ergänzt Yvonne Grösch, die | |
Sprecherin der Netzagentur. | |
## Zweifel am Verfahren | |
„Theoretisch richtig“, sagt Thorben Becker, der Energieexperte des Bund. | |
„Das bedeutet aber nicht, dass die Betreiber und die Netzagentur die | |
kritischen Stellungnahmen der Bürger und Verbände auch ernst nehmen.“ | |
Grundsätzliche Zweifel am Verfahren des Netzentwicklungsplanes hegt | |
darüberhinaus Volker Mittendorf von der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung | |
der Universität Wuppertal. | |
Er setzt an bei der geringen Zahl von Bürger und Verbänden, die sich am | |
Verfahren beteiligten. Während grundsätzlich jeder erwachsene Deutsche | |
hätte teilnehmen können, gingen im Juni und Juli tatsächlich nur 2.100 | |
Stellungnahmen bei den Betreibern ein. „Die öffentliche Wahrnehmbarkeit des | |
Verfahrens ist gering“, so Mittendorf. Offenbar hätten nur wenige Bürger | |
von der Beteiligungsmöglichkeit gewusst. | |
Hat die Bundesregierung zu wenig Werbung gemacht? Jedenfalls könnte ein | |
ernsthaftes Problem entstehen, so Mittendorf: „Die Hoffnung, mit der | |
gegenwärtigen Bürgerbeteiligung spätere Proteste zu verringern, dürfte sich | |
als falsch erweisen.“ Mittendorf schlägt vor, entlang der künftigen Trassen | |
Bürger zur Teilnahme am Verfahren auszulosen, um sie auf die Dringlichkeit | |
der Angelegenheit hinzuweisen. | |
19 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
## TAGS | |
Nachtarbeit | |
Netzausbau | |
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